Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Außerdem im Kino gesehen - Folge 5: Die Hundekot-Attacke
von Dieter_Rotmund
Kürzlich war ich wieder in diesem "Live-Kino", in dem zwar nach Drehbuch geschauspielert wird, es aber keine Kamera gibt, die das Schaffen aufzeichnet. In Anlehnung an das altmodische Kino-Synonym "Lichtspieltheater" wird diese Art, die es schon seit der Antike gibt (sic!) oft einfach nur "Theater" genannt.
Ich sag' mal so: Es gab schon immer Leute mit Lust auf Kino, auch vor Erfindung der Filmkamera. So weit so gut, nun zur "Hundekot-Attacke".
Zur Erinnerung hier die Fakten: Im Februar 2023 beschmierte in Hannover ein Choreograph eine Kritikerin seiner Werke mit dem Kot seines Dackels. In echt, kein Teil einer Inszenierung. Der Vorfall schlug hohe Wellen und ging durch die Feuilletons unserer Zeitungen, wirft er doch viele Fragen auf: Der Umgang mit Kritik ist eine zentrale Frage, ob man die ganze Sache überhaupt so hoch wie geschehen hängen sollte, ist eine andere. Wegen der Fäkalien bekam der Fall allerdings etwas anrüchig-skandalöses. Und Gewalt gegen Journalisten ist auch ein Thema.
Das Theaterhaus Jena hat aus dem Vorfall ein Bühnenstück gemacht, könnte man sagen. Oder besser gesagt: das Ensemble schien es zu versuchen. Man schrieb sich Emails. Es beginnt mir einer kargen Bühne: Ein paar Stühle, Mikrofone, eine weiße Leinwand. „Wir lesen jetzt die Emails vor“, sagte einer der Schauspieler und er und seine Kollegen und Kolleginnen setzen sich hin und begannen vorzulesen, was sie zur Idee, die Hundekot-Attacke auf die Bühne zu bringen, dachen. Also doch kein Theaterstück, sondern eine szenische Lesung? Wie lange soll das so gehen? Fragte sich der Zuschauer, der eigentlich nicht für eine Lesung ins Theater gekommen war.
Die Schauspieler begannen also damit, ihre Emails vorzulesen, mit Datum, Uhrzeit und allen Emojis. Die Vorleser, die Figuren, verstrickten sich zunehmend in ihren Emotionen zum Thema und dann zueinander. Bald wurde nicht mehr miteinander kommuniziert, sondern deklamiert, propagiert oder einfach nur verschwurbeltes, ich-bezogenes Zeug geredet. Die junge Tanztrainerin, ebenfalls in der Stuhlreihe vertreten, versuchte, „den Laden zusammen zu halten“, wie man so schön sagt. Doch das war vergeblich.
Spätestens an dieser Stelle war klar: Das ist Fiktion. Ein Stück über das groteske Scheitern eines Stückes. Und zwar ein sehr lustiges.
Irgendwann war es auch mit der Stuhlreihe, in der die Schauspieler saßen, vorbei. Da musste dann was raus, was die Figuren nicht einfach vorlesen konnten. Das Ensemble explodierte, könnte man sagen. Das Publikum im Saal: begeistert. Herrlich, selten so gelacht!
Außerdem außerdem im Kino gesehen: Eureka (Portugal/Argentinien/Frankreich 2023), Rashomon (Japan 1950) und Sterben (D 2024).