Die wilde Luzie

Erzählung zum Thema Lebenszeiten

von  Mondsichel

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich irgendwann mal jemanden heiraten würde der gut situiert wäre und der mir ein Leben in Saus und Braus bescheren würde.
Ich kam aus einer eher ärmlichen englischen Familie. Es war oftmals nicht sehr leicht von der Hand im Mund zu leben, aber wir schafften es. Wir schafften es immer...
Resignation war für uns ein Fremdwort. Unsere Familie war nicht von dem Schlag der Leute die aufgeben würden, keiner von uns. Egal wie schlimm es auch kam, wir hielten den Blick nach vorne gerichtet.
Meine Mutter war eine sehr emsige Hausfrau. Sie hielt Haus und Hof geordnet, kochte das Essen und schlichtete Probleme die wir untereinander hatten. Meine große Schwester Marie war als Verkäuferin in einem Krämerladen angestellt.
Mein Vater und mein Bruder Jack brachten in harter Arbeit auf unserem kargen Feld die wenige Ernte ein, die sie dann mir und meiner jüngeren Schwester Annie für den Verkauf auf dem Markt gaben. Aber ich wollte mehr als nur die dumme Verkäuferin auf dem Markt sein, ich wollte leben, lieben, genießen und mich von einem Abenteuer in das Nächste entführen lassen. Und deshalb wurde ich auch Bardame in einem recht anrüchigen Gasthaus, wo alle Welt ein und aus ging. Es gefiel mir dort und da ich gutes Geld nach Hause brachte, billigte meine Familie meinen recht frivolen Lebenswandel...
Die Leute in der Bar nannten mich immer „die wilde Luzie“. Aber ich fühlte mich mit diesem Namen nicht herabgewürdigt, ganz im Gegenteil. Hier wurde ich endlich beachtet und die Männerwelt lag mir zu Füßen. Hier wurde ich endlich als Mensch angesehen und nicht als dreckiger Abschaum, der nehmen musste was er bekam. Früher auf dem Mark war es uns oft so ergangen. Damals war ich 20 Jahre alt und dachte das ich ewig Bardame sein würde. Das Schicksal wollte es jedoch anders mit mir...

Es war eine recht düstere Novembernacht, als der Wirt des Gasthauses an Tuberkulose verstarb. Es war eine wirklich schwere Zeit für uns. Die Wirtin wollte mich weiter an ihrer Seite haben, hatte ich ihr in den letzten Jahren doch so sehr zur Seite gestanden und das Geschäft am Leben gehalten. Sie war recht einsam und hatte mich schon fast als ihr eigen Fleisch und Blut angenommen. Sie hatte nicht das Glück gehabt eigene Kinder zu bekommen und daher klammerte sie sich wohl auch so an mich. Es war mir wichtig ihr in dieser Zeit beizustehen. Doch das Schicksal wollte in diesem Jahr nicht schweigen...
Meiner Familie ging es zu diesen Zeiten nämlich auch nicht besonders gut. Meinen Vater hatte alsbald das Fieber ergriffen und wurde schließlich auch von der Tuberkulose niedergestreckt. Es war ein grauer November für uns alle, aber niemand wagte es auch nur einen Moment zu resignieren. Wir wussten das diese Ereignisse die Prüfung für unser Leben nach dem Tod waren und das wir uns jenen erst einmal verdienen mussten.
Man sagt immer: „Nichts wird einem einfach so geschenkt und man muss für alles was man erreichen will hart arbeiten.“ Besonders mein Vater hatte mir diese Weisheit immer wieder gepredigt. Als ich an seinem Grabe stand versprach ich ihm, dass ich für meine Zukunft hart arbeiten und das ich niemals aufgeben werde...
Als der erste Schnee im Dezember die Gräber bedeckte, war auch die Wirtin recht angeschlagen. Sie verstarb nur einen Monat nach ihrem Mann. Sie hatte in ihren letzten Stunden noch einen Pfarrer und einen Notar zu sich gerufen, die als Zeugen für ihr Testament anwesend sein sollten. Sie wollte unbedingt das ich das Geschäft übernehme, damit es in der „Familie“ bleibt, wie sie so schön sagte. Ihr letzter Gedanke galt den Engeln und ihrem Mann, die wohl alle an ihr Bett getreten waren, um ihre Seele mit hinauf zu den heiligen Pforten der Unendlichkeit zu geleiten...
Nun war „die wilde Luzie“ also Wirtin geworden. Eine Situation, die unser Leben vollkommen veränderte. Das Gasthaus war alsbald der größte Anlaufpunkt unserer kleinen Stadt. Es war ein rechtes Kaff in dem wir lebten, aber man kannte sich und so konnte man sicher sein nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Meine Schwestern arbeiteten jetzt ebenfalls im Gasthaus, abwechselnd als Kellnerinnen und in der Küche. Mein Bruder war für den Kauf und die Anlieferung der Lebensmittel zuständig. Meine Mutter kochte in der Küche und klärte die Finanzen. Ich war nach wie vor Bardame und sorgte für die Unterhaltung im Gasthaus. Außerdem kümmerte mich um die gesamte Organisation, wenn wichtige Gäste kamen. Doch der Gast der eines Tages bei uns einkehrte, mit dem hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet...

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

Kapitel 2, "Der alte Brockheim", folgt morgen :)

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (14.10.20)
Der Erzähler ist so arm, dass es sich kaum ein Komma leisten konnte - welch schreckliches und höchst bedauerliches Schicksal!
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