Besuch im Gefängnis

Erzählung zum Thema Ausbrechen

von  Mondsichel

Als wir in England ankamen lebten nur noch wenige der Männer. Auch Jo lebte noch, wenn man es so nennen konnte. Sein Herz schlug bedächtig seinen Rhythmus, aber er war seit Tagen nicht mehr aus dem Schlaf erwacht. Er war wie von dieser Welt gerissen.
Die Nachricht das man die „Brauträuber“ geschnappt hatte, verbreitete sich schnell. Alle Welt stand am Hafen um die Häftlinge mit wüsten Beschimpfungen zu begrüßen. Doch sie verstummten in dem Moment als sie mich sahen. Mit meinem blutverschmiertem Kleid und den verdreckten Händen und Füßen, ging ich neben der Trage her, auf der Jo transportiert wurde. Auch Samuel war in der Menge.
Ich hörte seine Stimme meinen Namen rufen: "Luzie! Luzie! Hier bin ich! Luzie!!!" Doch die Soldaten schubsten mich voran. Ich war jetzt nicht mehr die geraubte Braut, ich war eine Mörderin. Und daher wurde ich auch genauso behandelt wie alle anderen Gefangenen. Ich blickte Samuel nicht ins Gesicht, ich ging stumm schweigend mit meinem blutigem Kleid an ihm vorbei...
Jo und ich wurden im Gefängnis getrennt, was ich fast nicht ertragen konnte. Man steckte mich in ein düsteres Loch, wo kaum Licht hineinkam und es ziemlich kalt war.

Die Stunden und Tage liefen an mir vorbei wie das Wasser, das von den Wänden tropfte. Fast täglich hörte ich das Johlen der Menge wenn wieder einer von den Männern gehängt wurde. Es machte mich wahnsinnig nichts tun zu können und jeden Tag den Tod eines weiteren Freundes beweinen zu müssen.
Vor allem aber machte es mich verrückt nicht zu wissen, ob es nicht Jo war der dort am Galgen baumelte. Vor meinem Inneren Auge sah ich ihn immer wieder, wie wir am Meer saßen. Ich hörte wie er mir vom Ruf der Freiheit erzählte und wie er mir die sinnlichsten Liebesschwüre darbrachte. Ich weinte mich jede Nacht in den Schlaf und hoffte, dass auch ich endlich meine Erlösung finden könnte...

Wenige Tage später wollte mich Samuel in meiner Zelle besuchen. Doch ich wies ihn ab. Ich wollte ihn nicht sehen. Ich wollte dem Verräter und Mörder meiner Familie nicht in die Augen sehen. Doch er verschaffte sich trotzdem Zutritt, kniete vor mir nieder, packte mich an den Armen und schüttelte mich.
"Luzie, wie konntest Du nur? Wenn Du die Verhaftung dieser Monster still akzeptiert hättest, dann würdest Du jetzt nicht hier selbst auf der Anklagebank sitzen. Ich werde alles dafür tun das Du frei kommst." Ich stieß ihn zurück und blickte ihm in die Augen.
Dann schrie ich ihn an:  "Was weißt Du denn schon Samuel? Du nennst sie Monster, ich nenne sie meine Familie! Du bist der Mörder meiner Familie! Du bist ein Mörder, ein verfluchter Mörder!" Samuel schaute mich erschrocken an...
"Hörst Du das Gejohle da draußen? Jeden Tag stirbt ein Teil meines Selbst. Jeden Tag stirbt dort ein Teil meiner Familie. Und ich warte nur noch auf den Tag, wo ich wieder mit ihnen vereint sein werde. Dann bin ich endlich frei, dann hat mich der Ruf der Freiheit endgültig erreicht und es gibt keine Grenzen und Zwänge mehr." Samuel schluckte und wollte etwas sagen, doch dazu kam er nicht mehr.
"Schweig! Hast Du mit Deinem Gerede nicht schon genug angerichtet?" herrschte ich ihn an. "Ich liebe Jo, ich werde ihn immer lieben. Das kann und will ich nicht leugnen. Du warst einmal der Mensch den ich über alles liebte.
Irgendwer sagte mal das man nur die Menschen hassen kann die man liebt. Wie recht er hatte! Ich hasse Dich Samuel, ich hasse Dich aus tiefstem Herzen! Für all das Leid und die Grausamkeit, die meine Familie durch Dich erleiden musste. Geh mir aus den Augen, kein Wort mehr. Verschwinde und lass mich in Ruhe und Würde sterben!" In seinen Augen waren Tränen zu sehen. Er konnte das nicht akzeptieren.
Schließlich drehte sich um und sagte noch ein letztes Mal mit erstickender Stimme: "Ich liebe Dich Catherine." Das war wirklich zu viel für mich...

"Wie kannst Du es wagen mich Catherine zu nennen?!" Ich ging auf ihn zu und verpasste ihm eine Ohrfeige. "Es gibt nur einen Menschen auf dieser Welt der mich so nennen darf und das ist Jo!" Mein Blick machte ihm Angst. Er merkte das er einen großen Fehler gemacht hatte. Überhaupt das er her gekommen war, war ein großer Fehler gewesen.
"Wache? Wache? Bitte führen sie den Herren hinaus, sein Besuch ist beendet!" Krachend fiel das Gittertor hinter Samuel ins Schloss. Er blickte sich noch einmal um, als ob er doch noch etwas sagen wollte. Doch mein Blick verriet ihm, das ich auf keine Konversation mehr wert legte und so verschwand er endlich.

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

Morgen gibts das nächste Kapitel :)
"Mord aus Liebe" steht schon in den Startlöchern ;)

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Kommentare zu diesem Text

seelenliebe (52)
(16.07.06)
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 Mondsichel meinte dazu am 16.07.06:
Japp ist schon drin :)
*Lagerfeuer anzünd damits dem Seelchen nit zu kalt wird*
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