Wege am Strand

Kurzprosa

von  Traumreisende

Johanna liebte diesen Gleichklang am Meer und obwohl sie jede Form eines stupiden Tagesrhythmus ablehnte, bemerkte sie bereits am vierten Tag, dass sie immer zur selben Zeit über die Dünen stieg.
Vielleicht lag es am Hotelfrühstück, welches hier nur für eine Stunde geplant war.
Oder am Sonnenaufgang, den selbst dicke Nebelbänke in eine atemlose Schönheit tauchten.
Aber auch Andere müssen in einen Zeitablauf gefallen sein, denn es begegneten ihr täglich die gleichen Menschen.

Immer auf Höhe einer kleinen Felsengruppe begann Johanna ihm Geschichten zu erzählen, Geschichten über diese Menschen, so als würde sie jeden Einzelnen bereits Jahre lang kennen. Dabei blicke sie über das Meer, als ob dort im Horizont Zeile für Zeile stand. Und die Stimmung ihrer Geschichten, passte sie der Farbe des Himmels an, wolkig, hell, sonnig, schwer.
Heute erzählte sie mit einer Innigkeit, von der heimlichen Liebe des älteren Herren, der immer seinen knorpeligen Stock in den nassen Sand stach und so ein feines Lächeln im weißgrauen Bartwald trug. Er würde jeden Nachmittag am Bahnhof stehen, jeden Nachmittag um 16:40 h und ganz bestimmt auf diese Frau warten! Deshalb dieses Lächeln, weil er weiß, dass sie kommt, es da drinnen weiß. Und dabei tippte sie sich selbst auf die Brust. Der dreiköpfigen Familie, die ihr, immer in einer Reihe laufend, entgegen kam, gab sie mal eine luftig geborgene Geschichte, mal klang ihre Stimme bedrückt, da die Frau immer ihren Blick auf den Sand heftete.

Es war Johanna egal, dass sie ihre Geschichten immer neu konstruierte, es war wichtig, dass sie erzählte und um dies nicht zu vergessen, hatte sie sich die Felsengruppe zur Erinnerung erkoren.
Nur nicht vergessen, das Reden! Nur nicht wieder in dieses Schweigen fallen!

Bereits am zweiten Tag begann sie, alle, die ihr entgegen kamen, zu grüßen, obwohl sie wusste, dass er das nicht mochte.
Nie hatte er verstanden, dass es ihr Vergnügen bereitet hatte auf Menschen zuzugehen. Plötzlich mit fremden Personen ein ganzes Leben durchzuphilosophieren. Sie kannte keine Scheu in ihrem Lebenshunger, kannte ihn nicht, bis sie das Schweigen lernte.

Jetzt genoss sie das Fließen ihrer Bilder, die Weite des Strandes und die Geschichten aus den unbekannten Gesichtern.

Am Abend, wenn die Sonne unterging, wenn es kühler wurde und sie die raue Wolle ihres viel zu großen Pullovers wie eine Hand auf der Schulter spürte, jeden Abend malte sie ihm ihr Wollen mit einem kleinen Stöckchen in den Sand. Und wenn die Wellen ihr Bild verschluckten, begann sie mit einem anderen. Auch das genießt Johanna, dieses neue Öffnen.

Erst im letzten Tageslicht wird sie leiser, innerlich von viel Ruhe durchflutet.

Nur ein Wunsch bleibt dann noch: einmal ein paar Spuren neben den ihren im Sand zu sehen....


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Kommentare zu diesem Text


 Maya_Gähler (08.12.06)
du schaffst es immer wieder Stimmungen zu erzeugen
dass man diese spürt, man meint man sei dabei
sieht die Bilder, die du malst mit deinen stimmungsvollen Worten
die Melancholie in diesem Text ist so berührend schön
Liebe Grüße von der Maya

 Traumreisende meinte dazu am 08.12.06:
das freut mich sehr, versuche auch immer in solche stimmungen einzutauchen, wenn es gelingt, dann bin ich froh.
dir ganz liebe grüße
silvi
Ju.Sophie (53)
(08.12.06)
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 Traumreisende antwortete darauf am 08.12.06:
vielleicht sind ja irgendwann einmal fußspuren neben den ihren...
aber eine gewisse freude und eine neue offenheit sind doch schon im text drin...
dir liebe grüße
silvi

 apocalyptica (08.12.06)
Silvi und die Prosa....das ist wie ein Paar Schuh...!
Ach, möge doch irgendwann Johannas Wunsch in Erfüllung gehen, damit ihre wunderschönen Geschichten nicht ungehört bleiben...
Ich grüße dich herzlich,
die -bea

 Traumreisende schrieb daraufhin am 08.12.06:
da strahle ich aber jetzt!!!
wobei ich ja noch immer zaghaft bin... mit der prosa..
hab ganz doll lieben dank
silvi

 Néniel (08.12.06)
das ist eine wundervolle geschichte, die berührt und für einen augenblick habe ich johannas geschichten gelauscht und es genossen. die ruhe, die von ihr ausgeht ist so spürbar, aber auch ein wenig trauriges. dieser kleine wunsch wird ihr hoffentlich erfüllt. :)
lg, ive.

 Traumreisende äußerte darauf am 08.12.06:
wenn es soviele hoffen, dann bestimmt )
aber ich denke man spürt, das johanna ihren weg geht,
sei ganz lieb gegrüßt
silvi

 franky (08.12.06)
Hallo liebe Silvi,
eine wunderschöne geschichte;
versetzte mich sofort in das hotel auf Creta wo ich schon 17 jahre urlaub mache. man grüßt sich, man spricht miteinander, man ist einfach losgelöst vom alltag. da können schon solche gedankengeschichten wie in johannas kopf entstehn. habe deine worte mit viel spannung verfolgt und finde alles toll gelungen.
viele liebe grüsse und ein licht für deine seele von Franky***:-)

 Traumreisende ergänzte dazu am 08.12.06:
:-)) oh das stelle ich mir gut vor, viele menschen glauben ja sie müßten die ganze welt sehen, aber ist sie nicht in uns??
dir ganz doll eine umarmung
silvi

 mondenkind (08.12.06)
wie schön.. so eine leise, feine prosa, mylady..

 Traumreisende meinte dazu am 08.12.06:
:-) du kennst ja schon mein danke....
ansteckerin!

 michelle (10.12.06)
immer wieder geheimnisvoll, und doch so bewußt - voller klarheit... glg michelle
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