Das Zeichen

Kurzprosa zum Thema Zeichen

von  RainerMScholz

Das Zeichen

Der Himmel war grau und leer. Regenhimmel. Thomas stand auf dem Flachdach des Kaufhausgebäudes und sah auf die kleinen Menschen hinab, die dort unten durcheinander hasteten. Sie waren lächerlich winzig dort unten auf der Straße, zwischen den Geschäften und glitzernden Schaufenstern, liefen scheinbar kopflos umher, in unverständlicher Geschäftigkeit, beladen mit Taschen, Tüten, Koffern, mit schweren dumpfen Gedanken oder grotesk gedankenlos.
Thomas blickte wieder in den seelenlosen grauen Himmel. Er faßte in die rechte Hosentasche und befühlte die teilnahmslose Plastizität des Wegwerffeuerzeugs. Niemand bemerkte Thomas
am Rand des Daches des Kaufhauses inmitten der Einkaufspassage der Stadt. Die Menschen gingen ihren gewöhnlichen Alltagstätigkeiten nach, nahmen keine Notiz von dem Mann am Rande des Daches, der, wie zum Sprung bereit, auf den Horizont jenseits ihres Blickfeldes starrte, über den Dächern, vor der Stadt, in den Hügeln.
Endlich nahm er den Fünf-Liter-Kanister Benzin auf und übergoß sich mit der brennbaren Flüssigkeit. Dann griff er in die Tasche und nahm das Feuerzeug hervor. Thomas schloß die Augen und entzündete sich selbst. Thomas - die Fackel - sprang vom Dach und loderte in die Tiefe, auf die Straße, auf die Menschen zu. Eine menschliche Feuersbrunst inmitten der Straßenschluchten, grell aufleuchtend für einen kurzen, letzten Moment. Eine schreiende Flamme gegen den Himmel, für einen ewigen Augenblick.
Der brennende Körper krachte auf das Pflaster, sprang kurz in die Höhe und blieb dann brennend liegen. Die schwarz verkohlten Gliedmaßen ragten bizarr von dem schwelenden Torso ab. Thomas´ Leichnam brannte aus, zwischen den entsetzt zur Seite gewichenen Menschen. Der Platz des Zeichens füllte sich. Jeder wollte das Opfer sehen. Unbeantwortete Fragen raunten durch die Menge, Rufe, Lachen. Dann das schweigende Auseinandergehen.
Thomas - die Fackel. Das Zeichen.

© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Winterwanderer (12.01.07)
Ein düsteres Zeichen, Rainer. Mir gefallen deine schwingenden Sätze Der b-r-ennende Kö-r-per k-r-achte, oder -z-wischen den entset-z-t -z-ur Seite gewichenen ...
Die R-Alliterationen lassen das Feuer richtig knistern! Manches ist zuviel, oder doppelt gemoppelt: Kanister Benzin->
brennbare Flüssigkeit, Wegwerf Feuerzeug, am Rand des Daches des Kaufhauses.LG WW
(Kommentar korrigiert am 12.01.2007)

 RainerMScholz meinte dazu am 12.01.07:
Auch wenn ich den Text nicht im Hinblick auf poetologische Spitzfindigkeiten hin geschrieben habe, ist das natürlich ein wertvoller Hinweis. Danke, Wnterwanderer.
R.
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