Veränderung

Kurzgeschichte zum Thema Revolution

von  MrDurden

Was sagt man dazu? Es ist wiedermal Wochenende, Freitagnacht. Es gab Zeiten, da kamen mir die Wände in meinem Zimmer irgendwie heller vor. Inmitten eines Bergs von zerknüllten Papierseiten kann man keinen vernünftigen Gedanken fassen. Ich lege den Bleistift aus der Hand, nur für einen Augenblick. Warum tu ich das eigentlich? Jeden siebten Tag stell ich mir diese Frage. Was kann ich schon verändern? Wenn sie wüssten wer ich bin... Sie würden mich hassen, jagen, vielleicht sogar verraten. Mit Sicherheit würden sie das tun. Widerwillig greife ich langsam wieder zu meinem Bleistift, versuche mir einzureden, dass es schon gutgehen wird, heute Nacht. Ich spüre, wie mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Wenn die Aufregung nur groß genug ist, kann man fühlen, wie das Adrenalin den Kreislauf schneller arbeiten lässt, wie es sich rasend schnell im ganzen Körper verbreitet. Versinkend in Gedanken über alles Mögliche merke ich erst jetzt, dass ich die Skizze bereits fertiggezeichnet habe. Wieder lege ich den Bleistift zur Seite, blicke mittlerweile alle zwanzig Sekunden auf die kleine Schreibtischuhr neben mir. Nervös klappe ich mein Zippo auf und zu, auf und zu. Wenn sie mich heute Nacht erwischen, ist alles vorbei. Ich denke an meine Mutter. Wie enttäuscht wäre sie wohl, würde sie erfahren was ich tue? Genau zwei Uhr morgens, die perfekte Zeit. Es muss sein! Darauf hatte ich doch die ganze Woche gewartet! Hastig stehe ich auf und streife mir den schwarzen Pullover über. Bloß nichts vergessen, dreimal das neue Pastelllila, einmal schwarz dürfte reichen... ach ja, einmal weiß für die Highlights. Ich versuche das Zittern meiner Hände zu beruhigen und packe alles in den schwarzen Eastpack. Langsam und nachdenklich gehe ich in Richtung Haustür, als ich merke, dass ich die Sturmmaske vergessen habe. Begleitet vom erschütterten Gesicht des Mondes und dem Schutz der Dunkelheit laufe ich zügig durch die Straßen in Richtung Stadt. Der Spot ist riskant, dort bin ich Freiwild für die Bullen. Gut, dass ich noch die Fatcaps gekauft hab, dann wirds nicht allzulange dauern. Jedes Auto, das an mir vorbeifährt macht mir klar, dass ich nur eine Zivilkontrolle davon entfernt bin, Tausende Euro wegen Sachbeschädigung zu bezahlen oder im Knast zu landen. Also warum mach ich diese Scheiße überhaupt? Warum riskiere ich Woche für Woche Kopf und Kragen für ein Paar illegale Schmierereien? Verfolgt von unerträglicher Anspannung und der Gewissheit geschnappt zu werden, nehme ich die schwarze Dose und ziehe meine Outlines. Es gibt nur eine Erklärung, nur einen Grund für all das Geld, das schon für Farbe draufgegangen ist. Für all die eisigen Winternächte, die ich frierend an Hauswänden und Gebäudefronten verbracht hatte. Jedesmal, wenn ich es tat, wollte ich weder etwas beschädigen, noch jemandem weh tun. Veränderung, gewaltfreie Revolution, Kunst, Freiheit, das waren meine Motive, in jeder verdammten Nacht. Die Motive, für die ich ins Gefängnis gehen würde. Wieder erwische ich mich dabei, wie ich in Gedanken versinke, als ich gerade mit dem Fill-in fertig werde. Nur noch die Highlights, ein Paar Tags und ich bin verschwunden. Ich packe mit farbverschmierten Händen die Dosen wieder ein und betrachte einen kurzen Augenblick lang das lilafarbene Bild, das sich fast über die gesamte Wand des Supermarkts erstreckt. Mein Meisterwerk, irgendwann werden sie es verstehen, bestimmt. Langsam mach ich mich wieder auf den Heimweg. Ich kann fühlen, wie sich das Adrenalin in meinem Blut legt und mich ruhiger atmen lässt. Durch die Straßen schlendernd blicke ich in den Himmel, je kälter die Nacht desto klarer die Sterne. Zuhause angekommen bringe ich die leeren Dosen in den Keller und geh nach oben um mir die Farbe von den Händen zu waschen. Total erschöpft falle ich in mein Bett, denke an mein Bild. Irgendwann werden sie mich nicht mehr den unbekannten Täter nennen. Irgendwann sind es nicht mehr nur Schmierereien. Irgendwann werden sie es verstehen. Kurz bevor ich einschlafe höre ich, wie ein Auto vor dem Haus parkt und Füße mit entschlossenem Schritt in Richtung Tür marschieren. Es klingelt. Irgendwann verstehen sie es, bestimmt.


Anmerkung von MrDurden:

Ob mir diese Geschichte wirklich passiert ist, werdet ihr nie erfahren. Aber eines kann ich euch verraten: Eines Tages werdet ihr sie verstehen, bestimmt.

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Kommentare zu diesem Text


 rebell91 (05.03.07)
so. ok... ich muss dir was gestehen. bis zu dieser zeile:
Hastig stehe ich auf und streife mir den schwarzen Pullover über.
entsricht dieser text meiner freitag und samstag nacht... richtig unheimlich das zu lesen.
und jede woche habe ich dieses gefühl. jbin die 20 minuten vor 2 bevor ich wieder gehe so aufgeregt, dass mir richtig schlecht ist.
und dann gehts durchs kellerfenster und ch beruhig mich erst nach 200 metern wieder einigermaßen. naja..
also.. ich find deinen text genial. was meintest du? es sei deine erste kurzgechichte? dann respekt. kannst dich an die 2. wagen :)
(Kommentar korrigiert am 05.03.2007)
(Kommentar korrigiert am 05.03.2007)

 MrDurden meinte dazu am 05.03.07:
Hey hey, dankeschön für die geile Kritik. Aber was meinst du mit "bevor ich gehe" und "durchs kellerfenster"? Sorry bin nur neugierig VIELEN DANK!!!

 rebell91 antwortete darauf am 05.03.07:
soo... da ich hier relativ anonym bin kann ich dir einen kurzen einblick gewähren.
zur zeit.. und es ist wirklich krass - ich lebe fast nur fürs wochenende.
wir ham bei uns im dorf n jugendclub, is immer sehr viel los und auch leute von weiter her. ganz toll. ich darf aber nur bis halb 1 weg. das heißt. ich lass mich von meinem freund oder einem freund um halb 1 nach hause bringen. sag hallo, red mit meinem vater ud geh in mein zimmer. dann schau ich fernseh. so gegen halb 2 ist mein vater spätestens im bett. ich warte bis 2. dann nehm ich mein nachthemd mit runter, meine brille (damit es im zweifelsfall aussieht, dass ich nicht schlafen konnte) und geh in den keller. da is ein kleines kellerfenster - gang zur freiheit die anderen türen wären zu auffällig und zu laut. auf das fenster kommt keiner. und dann bin ich weg. bis 5, halb 6. tja.
so. lauf aber nich alleine heim sondern such mir wieder jemand :)
hm, ich bin böse und ich weiß, dasses falsch is. naja. ich bin klein dumm und unerfahren. es geht hundertmal gut und einmal gehts schief. die frage ist nich ob es passiert sondern nur wann.

 MrDurden schrieb daraufhin am 06.03.07:
Was heißt denn hier dumm und unerfahren? Wenns deine Eltern bis jetz nicht gemerkt haben is es doch ne ziemlich clevere Taktik von dir. Und klein zu sein hat in deinem Fall den Vorteil, dass du gut durchs Kellerfenster kommst, is doch alles perfekt. So verhalten sich Rebellen nun mal und HEY du hast die Geschichte verstanden!!! Es ist vollkommen egal ob man erwischt wird, das passiert sowieso irgendwann. Die Frage ist nur, wieviel man bewegt oder verändert bevor es soweit kommt. Solange es Spraydosen auf der Welt gibt, werde ich nie aufhören zu versuchen etwas zu verändern, den Menschen meine Farben zu zeigen. Und du solltest nicht damit aufhören, dich Nachts heimlich zu verdrücken

 rebell91 äußerte darauf am 06.03.07:
jop. ich habs verstanden . :) naja.. bleibt mir nur erneut zu sagen : gut haste das gemacht.
steinkopf73 (34)
(06.03.07)
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 MrDurden ergänzte dazu am 06.03.07:
Gruß zurück, mit einem hast du Recht, die Welt kann man verändern, mich aber nicht. Dankeschön für den Kommentar!
MellonCollie (24) meinte dazu am 06.03.07:
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 rebell91 meinte dazu am 06.03.07:
:) so what?! :P
steinkopf73 (34) meinte dazu am 07.03.07:
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FranziskaNordhoff (30)
(29.12.07)
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 MrDurden meinte dazu am 31.12.07:
Oh Mann, ich hab gar nich gemerkt, dass der Kommentar für mich is! War n bissl verplant grad, aber vielen herzlichen Dank dafür und die fachgemäße Kritik Liebe Grüße und ein buntes veränderungsreiches Jahr wünsch ich dir! David
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