Selig??

Referat zum Thema Glaube

von  tastifix

Gestern las ich in der Tageszeitung einen Artikel über die eventuelle Seligsprechung Johannes Paul II. Dem gingen äußerst komplizierte Untersuchungen voraus. Jeder Hirtenbrief, jede päpstliche Amtshandlung wurde genauestens unter die Lupe genommen.

Die Kirche prüfte zunächst, ob Johannes Paul II. in dessen Heimatland überhaupt im Rufe der Heiligkeit stand. Dann untersuchte man, ob er wirklich in heroischem Ausmaße Tugenden wie Glaube, Klugheit, Gerechtigkeit Und Liebe besaß. Da sich das als zutreffend erwies, wurde der Prozess der Vatikankongregation übergeben.

Der Postulator vertrat dann den Selig-Kandidaten, musste die Tugendbeweise liefern und sie gegen die Einwände der "Advokaten des Teufels" verteidigen. Diese warfen dem Papst ein zu strenges und starrsinniges Reglement vor, was die Sexualmoral betrifft. Die strikten Traditionalisten dagegen wandten ein, er sei zu liberal gewesen.

Nach Aussage der Kurien- Kongregation muss ein Heiliger nicht etwa ein perfekter Mensch gewesen sein, sondern jemand, der wie alle Anderen auch Prüfungen, Versuchungen und Krisen durchgestanden hat. Erst dann, wenn die derzeitige Kongregation unter der Führung des portugiesischen Kardinals Jose Saraiva Martins dem Kandidaten alle nötigen Tugenden attestiert, beginnt die letzte Etappe des Verfahrens, in der dann nachgewiesen werden muss, dass der Kandidat mindestens ein Wunder vollbracht hat. Für eine Heiligsprechung braucht es sogar zwei.

Papst Johannes Paul II, soll eine Nonne von ihrer Schüttellähmung geheilt haben. Außerdem soll ein Infarktopfer eine halbe Stunde, nachdem dessen Angehörigen den toten Papst um Hilfe gebeten hatten, wieder zum Leben erweckt worden sein.

Der jeweils amtierende Papst - nur er trifft die endgültige Entscheidung-  hat sich der Selig- und Heiligsprechungen wegen starker Kritik stellen müssen.
"Das passt nun wirklich nicht mehr in unsere moderne Zeit!", schütteln Katholiken oft den Kopf.
Doch wünschen immer wieder große Gruppenverbände Gläubiger die Heiligsprechung eines von ihnen Verehrten. Besonders Johannes Paul II. förderte diesen Kult. Er selber nahm ungefähr 1500 Selig- und Heiligsprechungen vor - ein Rekord.


Mir wirbeln die Gedanken nur so im Kopf herum. Sie kreisen um ein heikles Thema, heikel deshalb, weil grundsätzlich der Glaube die Voraussetzung dafür ist, sich ernsthaft mit ihm auseinandersetzen zu können. Ungläubige und werten Selig- und Heiligsprechungen als Humbug oder krasser, sogar als kirchenpsychologisch/politisches Ritual gegenüber der Gutgläubigkeit der Menschen, worin ihnen sogar viele Gläubige zustimmen. Ich habe große Achtung vor Menschen, die ihr Leben so gelebt haben, dass ihnen diese Ehrung zuteil wird. Trotzdem frage auch ich mich, ob es hierfür eine Berechtigung gibt.

Zwar ist der Papst der Vertreter Gottes auf Erden, aber gleichzeitig ein Mensch wie alle anderen auch. Genau deshalb mache ich mir Gedanken darüber, ob er das Recht hat, Entscheidungen zu fällen, die eigentlich nur dem Allerhöchsten zustehen. Wir dürfen solch außergewöhnlichen Menschen Denkmäler setzen und Gedenktage ernennen, sie dadurch ehren. Heiligsprechungen aber obliegen ausschließlich der göttlichen Macht.



Ich überlege:
Wie überhaupt will man die Tugenden eines Menschen objektiv beurteilen?
Beurteilungen beruhen stets auf Subjektivität.

Ein Urteil verlangt zuvor eine klare Definition des Begriffes ´Tugend`:
Meiner Meinung nach wird eine Tugend erst zur Tugend durch die willentliche Entscheidung des Menschen, eine ihm eigene positive Wesensart nicht nur zum persönlichen Vorteil, sondern in besonderem Maße auch für das Wohl Anderer nach außen wirksam werden zu lassen.

Was zählt zu den Tugenden?
Diesbezüglich hatte ich bereits enorme Schwierigkeiten, die in dem Artikel vorgebrachte Aufzählung zu akzeptieren.

1. Der Glaube
Ich denke, der Glaube an sich ist keine Tugend. Aber Folgendes könnte ich akzeptieren:
´Glauben` bedeutet etwas als Wahrheit anzunehmen, ohne etwas Konkretes zu wissen. Schlichtes Glauben wird oft als Naivität oder Flucht vor der vielleicht gänzlich anderen Wirklichkeit angesehen. Dagegen kann es ebenso von  innerer Festigkeit zeugen, etwas einfach als wahr zu verinnerlichen und sich nicht dem Widerspruch Andersdenkender zu beugen.
Vielleicht könnte man es im weitendsten Sinne als Tugend bezeichnen, überhaupt  fähig zu sein, irgendetwas zu glauben. Aber auch wirklich nur im weitesten Sinne.

2. Die Liebe
Nächstenliebe zu empfinden und auch die Liebe einem Partner gegenüber ist natürlich die wichtigste Tugend des Menschen. Dieses Gefühl trägt uns durch das ganze Leben und ermöglicht erst das Miteinander.

3. Die Hoffnung
Auch hier widerspreche ich entschieden: Die Hoffnung ist keine Tugend, sondern ein barmherziges Geschenk des Himmels (für Gläubige!). Ohne die Fähigkeit, hoffen zu können, wäre so manch ein Leben nicht zu ertragen.

4. Die Klugheit
Klugheit ermöglicht es dem Menschen, sich selbst gesetzte Ziele zu erreichen und Weiterentwicklungen voranzutreiben. Klugheit wirkt als Tugend, wenn sie so genutzt wird, dass Mitmenschen wegen des eigenen Strebens nach Erfolg und Macht nicht zu schaden kommen oder sogar bezüglich der Forschung zum Wohle der Menschheit eingesetzt wird. In dem Falle bin ich auch bereit, ´Klugheit` als Tugend anzusehen.

5. Die Gerechtigkeit
Da denke ich, die absolute Gerechtigkeit, das absolute Gerecht sein würde ich als Tugend anerkennen. Doch leider gibt es sie nicht. Was ´Gerechtigkeit` ist, bestimmt der Mensch und leider ist sie oft genug alles andere als gerecht (s. Juristik!). Das Bemühen dagegen, nach seinem eigenen Gerechtigkeitsempfinden so gerecht wie möglich zu urteilen und nach diesem Urteil zu handeln, würde ich als Tugend bezeichnen.


Dann sind Tugendbeweise gefordert. Auch die Beurteilung des Wirkens eines Menschen unterliegt der Subjektivität, jedoch nicht des Eindruckes eines Einzelnen, sondern der Meinung der Allgemeinheit und den nachweisbaren Folgen seines Verhaltens.


Als letztes, den Ausschlag gebende Kriterium gilt das ´Wunder`:
Ein Wunder ist die medizinisch nicht erklärbare Heilung eines Menschen.
Auch dazu mache ich mir meine Gedanken: Jedes Jahrhundert hat und hatte seinen eigenen medizinischen Wissenstand. Unsere Forschung geht mit Siebenmeilenstiefeln voran und erbringt immer neue Erkenntnisse und demzufolge das wissen um bisher unerklärbare Vorkommnisse im Bereich der Medizin. Eine Selig- beziehungsweise Heiligsprechung ist jedoch nicht an Zeiten gebunden, sondern gilt für die Ewigkeit. Es könnte also sein, dass in späteren Jahrhunderten diese sogenannten Wunder sich mit den dann zeitigen Medizinkenntnissen völlig irdisch erklären lassen.
Haben sie dennoch ihre Berechtigung??
Ich hege da meine Zweifel.

Lese ich, dass Johannes Paul II. einen Selig- und Heiligsprech-Rekord aufgestellt hat, kommen mir große Bedenken, ob es hierbei nicht viel eher darum geht, die Gläubigen durch ein weiteres Ritual zu faszinieren und an die Kirche zu binden. Menschen tragen die Sehnsucht nach Unbekanntem, nach Unirdischen und Übersinnlichen in sich und gieren nach Erfüllung dieser Sehnsucht.

Selig- und Heiligsprechungen entsprechen diesem Wunsche in besonderem Maße, da sie als überragendes Zeichen für das Gute stehen.
Genau dieser Glaube aber ist für uns Menschen überlebenswichtig.

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (31.03.07)
Interessant zu lesen, Gaby. Ich habe wie Du auch meine Zweifel, was diese Praxis der Seligen und Heiligen angeht. Bei Deinem Punkt "Glauben als Tugend" bin ich übrigens sturer als Du : im Namen des "Glaubens" werden Frauen gesteinigt, bekommen Mädchen nicht genug zu essen, werden Schriftsteller verfolgt. Nein, mit fundamentalistischem "Glauben" als Tugend habe ich nichts am Hut. Liebe Grüße und noch einen schönen Abend, Brigitte.

 tastifix meinte dazu am 31.03.07:
Liebe Brigitte!

Dank`Dir für Deinen ausführlichen Kommentar. Lese ich ihn so, muss ich Dir unbedingt Recht geben. Übrigens hatte ich eigentlich vor, zu diesem Thema eine Kolumne zu schreiben. Mal sehen, vielleicht mache ich das auch noch.

Lieben Gruß
Gaby
Symphonie (73) antwortete darauf am 03.04.07:
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 tastifix schrieb daraufhin am 03.04.07:
Hallo Ela!

Dass ich mich über Deinen langen Kommentar ganz besonders freue, brauche ich Dir ja nicht erst zu sagen, Du weißt das!!

Natürlich hast Du vollkommen recht, dass sich für einen solchen Text nur wenige Menschen interessieren. Doch der entsprechende Artikel in der Rheinischen Post drängte mich dazu, meine Meinung in dieser Form einmal darzulegen.
In Polen bekäme ich hierzu garantiert einige negative Kommentare.

Danke, dass Du mir so ausführlich geschrieben hast!
Deine Freundin Gaby
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