Ausbruch

Erzählung zum Thema Ausbrechen

von  Strobelix

Es sei mir gestattet, gleich zu Beginn etwas zu verdeutlichen, was mit sehr wichtig ist, denn ich will sicher keine falschen Erwartungen wecken:
Das Folgende ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge. Dennoch nicht egoistisch, das wäre aus meiner Sicht ebenso ungerecht wie unangemessen, aber zugegebenermaßen subjektiv; insoweit zweifellos auch ein wenig einseitig; allerdings aus einem charakteristischen Blickwinkel, den Sie bisher von mir nicht kennen; von meinem Standpunkt aus ist es ein Blick von innen nach außen, sozusagen ein völlig neues Verständnis des Wortes ”Ausblick”.

Was bewegt mich dazu Ihnen diesen ungewohnte Sichtweise hier und jetzt offen zu legen?
Was kann oder will ich damit erreichen?
Ist diese Art meiner Offenheit überhaupt von Interesse?
Andererseits: Wieso zweifle ich an der Richtigkeit meines Tuns, nachdem ich schon damit begonnen habe? Gibt es jetzt noch einen Weg zurück?

Genaugenommen geht es mir hier zunächst noch gar nicht um eine Antwort, sondern – zu aller erst auch zur Klärung meiner Intention – um eine Präzisierung der Frage:
Was beschäftigt mich wirklich?
Will ich auf meine aktuelle Situation aufmerksam machen?
Oder ist es eher ein Werben um Verständnis?
Ist es ein erster Schritt zur Vorbereitung einer Entschuldigung?
Oder will ich Licht in das Dunkel meiner eigenen Hintergründe bringen?
Will ich etwas Grundsätzliches erklären?
Oder ist es einfach nur eine Erläuterung besonderer Umstände?
Oder gar der Versuch einer Rechtfertigung? Wenn ja, wofür?

Hier spüre ich schlagartig eine Art innere Spannung, eine aufkeimende Ungewissheit, ein Rumoren von Zweifeln, eine Zerrissenheit, die das eigene Handeln in Frage stellt, ohne darauf eine Antwort geben zu können. Unsicherheit macht sich breit und Selbstzweifel vermehren sich bis die Ausweglosigkeit der dadurch entstehenden Situation dem Gefühl unbewältigter Aggressionen Platz macht.

Zugegeben – nach außen hin bin ich trotzdem überwiegend eher ein ruhiger Typ, charakteristisch zwar vom Aussehen, aber im Verhältnis zu anderen prominenten Namen doch vergleichsweise unauffällig. Ja, man schaut zu mir auf, aber man spricht eher selten über mich. Nur wenige Menschen zeigen dauerhaft Interesse an mir, aber in unregelmäßigen Abständen gelingt es mir doch immer wieder eine breitere Aufmerksamkeit zu wecken.

Ich gebe selten etwas von mir, wenn doch, dann überwiegend bedächtig; auch wenn ich dabei zunehmend hitzig wirke, versuche ich meinen Äußerungen einen kontinuierlichen Fluss zu geben, den oft zitierten roten Faden gewissermaßen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich das Wort Faden in diesem Zusammenhang als sehr ausdruckschwach empfinde.
Aber es ist die Kontinuität meiner Äußerungen die auf viele bedrohlich zu wirken scheint – erstaunlich, wenn ich es mir so überlege. Aber angeblich schaffe ich damit eine Erwartungshaltung, die vielfach beängstigend wirkt, Unruhe verbreitet, Menschen in meiner Umgebung verunsichert.
Na ja, nicht ganz zu unrecht, denn eine gewisse Unberechenbarkeit, die ich mir auch erhalten möchte, ist mir eigen. Berechenbar zu sein, würde für mich ja auch bedeuten weniger ernst genommen zu werden. Ich würde an Bedeutung verlieren, könnte schnell in Vergessenheit geraten, in der Versenkung des schnellen Vergessens verschwinden. In einer schnelllebigen Zeit, wie wir sie derzeit erleben, in der sich die zügig und unaufhaltsam fließenden Informationen gegenseitig die Aktualität abjagen, scheinen sich aufsehenerregende Ereignisse zu einem fast summenden Stakkato zu verdichten, in dem jedes Einzelereignis an Bedeutung verliert und eilig aufgesogen wird.
Es ist fraglich wie lange ich meine gewohnte Wahrnehmung noch aufrecht erhalten kann, aber solange es mir gelingt, habe ich eindeutig einen höheren Stellenwert, nehme ich einen wichtigeren Platz ein, bin ich näher an der sichtbaren Realität der Gegenwart. Nur so kann ich es vermeiden vom Mantel der Geschichte zugedeckt zu werden, um anschließend nur noch als Erinnerung in einer stetig abnehmenden Zahl von Köpfen ein gegen das endgültige vergessen werden anzukämpfen.

Damit bringe ich mich selbst unter Druck, spüre wie sich Wärme entwickelt und ausbreitet, Hitzewallungen greifen Raum, jeder Rückweg ist versperrt.

Natürlich ist es ein vorübergehender Zustand, aber er lässt sich nicht stillschweigend beseitigen. Auch ich muss mich an diesem Punkt den Gesetzen der Physik beugen. Das bringt Einschränkungen mit sich. Der Druck unter dem ich schließlich stehe wird erst innerlich unerträglich, dann unvermeidlich auch nach außen sichtbar. Die Folgen als solche überraschen heute niemanden mehr, aber der Zeitpunkt und die immer wieder unklare Wirkung, die so weit außerhalb meiner Kontrolle liegt, dass ich sie beim besten Willen nicht mehr beeinflussen kann.
Ich mutiere dabei langsam vom Verursacher zum schlichten bedrohlichen Problemfall. Dabei ist die Situation keinesfalls aussichtslos.

Aber letztendlich ist doch immer nur eine Lösung möglich:

Ein Ausbruch!

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Ätna


Anmerkung von Strobelix:

Kommentare sind sehr erwünscht; Ausbrüche sind nicht zu befürchten!

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Kommentare zu diesem Text


 ViolaKunterbunt (07.11.04)
Interessanter Text. Sehr schön dieser Umschwung, wenn man die ganze Zeit denkt, es handle sich um eine Person. Und wie passend es doch auch auf Menschen zutrifft.- Kunterbunte Grüße

 Strobelix meinte dazu am 07.11.04:
Hallo Viola, danke für Deinen positiven Kommentar zu meinem "Ausbruch"! Ich habe mich erst heute in diesem Forum angemeldet und freue mich natürlich riesig über die ersten 10 Punkte von Dir. Ein Freund hat mich auf diese Seiten aufmerksam gemacht - schön, dass es eine solche literarische Plattform gibt.
Nachdem Du selbst Autorin bist, werde ich bald gespannt einen Blick auf Deine Seite werfen ...

Grüße von Strobelix
coanama (52)
(08.11.04)
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 Strobelix antwortete darauf am 08.11.04:
Hallo Christian, danke für den Willkommensgruss! Freut mich, dass ich Dich verwirren konnte und dabei gleichzeitig Deine Neugierde auf mehr geweckt habe ... wait and you will see!

Grüße,

Thomas
orsoy (44)
(08.11.04)
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 Strobelix schrieb daraufhin am 08.11.04:
Danke Konni, für Deinen vorsichtig-mutigen Kommentar. Freut mich, dass Dir die Idee gefallen hat. Grüße, Strobelix
Keo (32)
(10.11.04)
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 Strobelix äußerte darauf am 10.11.04:
Hallo Keo, danke für Deinen Kommentar. Ein bisschen Ablenkung vom Thema durch die personifizierte Erzählung hatte ich bei der Geschichte schon beabsichtigt Aber in die Irre führen wollte ich Dich nicht. Schön, dass Du bis zum Ende gelesen hast und ich Dir ein Grinsen entlocken konnte. Grüße und ein schönes Wochenende, Strobelix

 Dieter_Rotmund (26.01.20)
Etwas arg verplappert, aber gutes Beispiel für die Kunst des Retardierens.

 Strobelix ergänzte dazu am 30.01.20:
Hallo Dieter,
danke für deinen differenzierte Kurzkommentar. Mit Staunen habe ich festgestellt, dass dieser Text schon 15 Jahre alt ist. Ja, heute würde ich ihn anders schreiben, aber ich bin unsicher, ob ich das nach der langen Zeit tun möchte ...
Viele Grüße,
Thomas

 Carlito (26.01.20)
Witzige Idee, dankeschön!

 Strobelix meinte dazu am 30.01.20:
Bitte schön und danke für deinen Kommentar, Carlito!
Viele Grüße,
Thomas
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