Mit den Jahren kommt der Herbst näher...

Lyrischer Prosatext zum Thema Vergänglichkeit

von  claire.delalune

Vor Zeiten wagte er sich kaum über den Horizont,
schickte vielleicht einen Silberfaden vorbei
und ließ - vom Wind verweht – ein welkes Blatt
in meinen Garten fallen.

Viel Zeit war nicht vergangen, da sah er von Ferne zu mir herüber.
Er wohnte wohl auf den Bergen, nahe der Stadt.
Gelbrot und braun zwinkerte er durch das Laub
und trug dem Wind auf, erdige Süße zu mir zu tragen –
eine Verheißung verbunden mit Dankbarkeit.

Einige Jahre später
färbte der Herbst schon den Weg bis zum Haus –
eine Allee flammender Zeugen seiner Gegenwart.
Er weinte, als ich dem nicht genügend Beachtung schenkte
und verbarg seinen goldenen Glanz
hinter schweren Wolkenvorhängen.

Nicht lange danach
ließ er sich ganz und gar in meinem Garten nieder:
Die Bäume bogen sich unter der Last reifer Äpfel,
rotes Weinlaub schmückte die Fassade der alten Laube.
Sein warmer Atem berührte die Rosen,
so dass sie noch einmal mit aller Kraft
ihren süßen Duft verströmten.

Dieses Jahr nun ist der Herbst
noch näher getreten.

Ich erwarte ihn bereits in meinem Haus.
Verwelkendes bringt er mit sich,
die letzte Ernte, schweren Erdgeruch
und Tränen unter grauem Himmel.
Horch,
er stürmt schon
herein. -

Wenn er vor meinem Bett steht,
dann gehe ich…



© K. M.


Anmerkung von claire.delalune:

edit: Hörversion entfernt

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Kommentare zu diesem Text

Sigdrifa (37)
(14.09.07)
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 claire.delalune meinte dazu am 14.09.07:
vielen dank!
vielleicht ist es ein willkommen(er abschied), wer weiß?
als leser darfst du dir mitnehmen, was immer du möchtest. und wenn du dich berühren läßt, freut mich das.
ich wünsche dir einen guten herbst.
lg,
kathrin

 souldeep (17.09.07)
...eine eigensinnige sicht des herbstes...ein bild des
lebens...als wenn der mensch in jungen jahren die
vergänglichkeit fast ganz auszuschliessen vermöchte...
um mit dem reifen doch diese unumgänglichkeit mit
dem wiederkehrenden abschiednehmen im herbst
zu verinnerlichen, zu akzeptieren und rechtzeitig
doch auf das ende hin gewappnet zu sein.

sehr eindrücklich.
wünschenswert für die letzen stunden, dass wir ihn
bereits erwarten können...


nachklingend grüsse ich dich
kirsten

 claire.delalune antwortete darauf am 18.09.07:
ich weiß nicht, ob junge menschen die vergänglichkeit generell ausschließen. und ältere werden sicher nicht automatisch das gehen-müssen akzeptieren. vielleicht ist es sogar manchmal so, daß junge menschen sich mehr mit dem tod beschäftigen und er umso mehr von sich geschoben wird, je näher er vom alter her kommt.
mich beschäftigt das thema immer wieder, beruflich und auch aus persönlicher erfahrung heraus.
und ja, wenn man am ende so versöhnt ist mit sich und dem leben, daß man den abschied erwarten kann, dann ist das sehr, sehr viel und wird, so denke ich, das gehen leichter machen.

danke, daß du dich auf die gedanken des textes eingelassen hast.
lieben gruß,
kathrin
A.Nina.Mattiz (37)
(11.10.07)
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 claire.delalune schrieb daraufhin am 11.10.07:
herzlichen dank für deine worte!
soviel lob darin - macht mich ein bißchen verlegen, freut mich aber auch sehr.

zum ende - ich habe mir den text mehrmals jetzt ohne meinen schluß (also nur bis "himmel") durchgelesen. mir persönlich fehlt dann etwas. für mich braucht es diesen gegenpol, diese gegenbewegung:
der herbst kommt immer näher, ein warten und miterleben dessen - und am ende das eigene gehen.
erklären kann ich es nicht, aber für mich ist dieser schluß notwendig. vielleicht eben, weil es auch ein bild für das menschliche leben ist.

aber da du den text ja auch mit diesem schluß "beklickt" ;) hast, gehe ich jetzt davon aus, daß es auch nicht so schlimm ist, wenn ich ihn so belasse. lächelt

lg,
kathrin
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