Nebelfrauen

Text zum Thema Mythisch

von  claire.delalune

„Sieh nur, die Nebelfrauen waren hier.“ Almut deutete voraus auf die Ebene, in der an vielen Stellen dicht über dem Boden der Nebel lag. So als hätte jemand im Vorübergehen kleine Kissen verteilt, die nur darauf warteten, dass ein müder Wanderer seinen Kopf darauf bettete.

„Nebelfrauen?“ fragte Sofie. Almut nickte. Langsam ging sie auf dem Pfad durch feuchtes Gras und kleine Sträucher. Auf dem Rücken trug sie den Weidenkorb mit Äpfeln, Birnen und Eiern und ein paar gestickte Decken, die sie auf dem Markt der nahen Stadt verkaufen wollte. Im Rhythmus ihrer gleichmäßigen Schritte begann sie zu erzählen:

„In den Nächten zwischen Sommer und Herbst erwachen die Nebelfrauen aus ihrer Ruhe. Die kühle Nachtluft lockt sie. Barfuss treten sie auf den tagwarmen Boden. Leicht, als schwebten sie, sammeln sie sich zum Tanz. Eine jede ist in lange, hellgraue Gewänder gehüllt, ihre Haare sind aus langen Silberfäden mit Perlen geschmückt. Sie lächeln leise und wiegen sich zur Melodie des Windes.

Ab und zu lassen sie Silberfäden zur Erde fallen und streuen Perlen darüber. Wenn man früh genug unterwegs ist, kann man die Perlen finden, bevor sie zu Tau verschmelzen und sich in der Sonnenwärme verlieren.“
„Oh ja!“ Sofie sprang vom Weg und hüpfte in eins der Nebelkissen, das bereits in Auflösung begriffen war. „Ich glaube, wir sind zu spät los gegangen.“ lächelte Almut. „Schau, das Gras ist schon fast trocken.“ „Und wie entsteht nun der Nebel?“

„Wenn die Nebelfrauen von ihrem Tanz müde werden, lassen sie sich auf der Erde nieder, um sich auszuruhen. Manchmal schlafen sie sogar ein. Und wenn sie kurz vor Ende der Nacht aufbrechen, um ihre Tagräume aufzusuchen, bleibt etwas von ihnen zurück.“
„Ich würde sie so gerne mal sehen.“ Sofie seufzte. „Man kann sie nicht sehen,“ erwiderte Almut, „sie verschwinden, noch bevor das erste zaghafte Licht über den Horizont blinzelt. Sie sind flüchtige Wesen, wie der Nebel. Sieh nur, er ist fast vollständig verschwunden. Und dort ist auch schon das Stadttor. Komm, wir müssen uns sputen.“
Almut lief schneller, Sofie konnte ihr kaum folgen. Durch das Erzählen hatte sie gar nicht gemerkt, wie gut sie vorangekommen waren. Außerdem musste sie sich unbedingt noch einmal umblicken. Sie blinzelte in die Sonne und bedeckte mit der Hand ihre Augen. Der Nebel hatte sich aufgelöst. Sie wandte sich wieder um und rannte ihrer Schwester hinterher, die das Tor schon fast erreicht hatte. Nebelfrauen… ging es ihr durch den Kopf. Und sie würde doch nach ihnen Ausschau halten in einer der nächsten Nächte. Das nahm sie sich fest vor.


© K.M. (Claire.delalune)

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Sternenpferd (05.10.07)
also, ich mag die art, wie du solche geschichten erzählen kannst und man kann sich in diese bilder sehr gut reinversetzen. gefällt mir sehr :o)

alles liebe dir
*sternenpferd*

 claire.delalune meinte dazu am 06.10.07:
danke dir. :)
ich schreibe selten geschichten. daher freut mich diese rückmeldung besonders.

lg,
kathrin
myrddin (47)
(06.10.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 claire.delalune antwortete darauf am 07.10.07:
oh vielen dank!
über deine worte freue ich mich sehr!

lg,
kathrin
Beaver (41)
(11.10.07)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 claire.delalune schrieb daraufhin am 11.10.07:
ich danke dir sehr für deine worte, manu und freue mich, daß diese kleine geschichte so gut gefällt!

herbstliche grüße - derzeit sonnig und ohne nebel ;)
kathrin
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram