1. Oktober : how much geteilt durch vier ...

Tagebuch

von  Raggiodisole

1. Oktober

Es wird erst so gegen halb 8 Uhr richtig hell in Spanien – und es schüttet noch immer aus allen Schaffeln. Wir dirndeln uns an und sprinten in die Bar vis a vis der Kirche, die hat Gott sei Dank schon auf. Also eigentlich noch nicht wirklich, weil die Dame des Hauses wischt noch den Fußboden, aber der Senor meint, wir könnten ruhig reinkommen und frühstücken. Frisches pan stellt er uns auf den Tisch, mermelada und mantequilla. Gitti zuckt fasst aus … a Butter, a echte Butter. Herz, was willst du mehr. Ja, cafè con leche natürlich, grande und gleich zwei Tassen voll genehmigen wir uns.
Der Regne lässt nicht nach und wir beratschlagen den weiteren Tagesverlauf. Antje ist ein bisschen angeschlagen und Gabi schlägt vor, mit dem Bus nach Corrion de los Condes zu fahren und dann von dort nach Ledigas, unserem heutigen Etappenziel zu laufen.So würden wir ein paar Kilometer einsparen, Antje bräuchte sich nicht so anzustrengen und wir hatten auch nix dagegen, dem Regen wenigstens ein paar Kilometer  davon zu fahren.
Aber wir der geneigte Leser ja schon weiß, ist das mit den Bussen nicht so einfach in Spanien. Gitti sieht nämlich durchs Fenster einen Bus an der „parada“ stehenbleiben, sprintet hinaus und kehrt mit einem Mann im Schlepptau wieder in die Bar zurück. Der erzählt uns dann, dass heute von hier leider kein Bus nach Corrion de los Condes fährt (ehrlich gesagt, ich hab gezweifelt, ob da überhaupt jemals ein Bus irgendwohin fährt). Jedenfalls hörte der Regen nicht auf, Antje ging es miserabel und guter Rat war teuer.
Ein weiterer Tag in diesem Kaff, nein danke. Also beschlossen wir, uns ein Taxi zu organisieren. Ich ging ihn die Bar und bat den Wirt, ob er uns ein Taxi rufen könnte. Zwei Telefonate und die Sache war geritzt. In zehn Minuten kommt jemand, der fährt uns.

Inzwischen überlegten wir hin und her und irgendwer machte den Vorschlag, gleich bis nach Sahagún zu fahren. Für Antje wäre es nicht sinnvoll im strömenden Regen weiterzulaufen und es sah nicht so aus, als ob es in den nächsten 3 Tagen zu regnen aufhören würde.
Zu viert wäre es nicht so teuer, Antje könnte dort ihre Verkühlung auskurieren und wir hätten zwei Tage gewonnen.
Als dann der „Taxifahrer“ kam, verhandelten wir mit ihm über „how much“, wie Gitti immer zu sagen pflegte. Sein „Kostenvoranschlag“ war im Rahmen des Legalen *zwinker*  und wir akzeptierten, packten die Rucksäcke in den Kofferraum und waren froh, dass die Heizung in diesem Auto funktionierte, weil wir waren mittlerweile schon wieder ziemlich nass und es war uns allen vieren saukalt.
In Sahagún lotst uns Gabi in die Herberge in einer ehemaligen Kirche. Sieht toll aus. Dort schläft man in „Regalen“ und obwohl noch nicht geputzt ist, lassen wir las mochilas erst mal dort und genehmigen uns einen Kaffee. Gabi kennt sich ja schon aus und zeigt uns zunächst mal den Spar zum Bunkern. Dann klappern wir noch zwei Restaurants ab. Aber als wir die Speisekarten gelesen hatten, beschlossen wir, uns heute selbst zu versorgen. Also wird im Spar dementsprechend eingekauft und Gitti übernimmt das Kochen. Makkaroni mit Thunfisch und Tomatensalat – sie hat sich sicher „vier Hauben“ dafür verdient.
Anschließend eine ausgiebige Siesta und dann der Nachmittagskaffee. Es schüttet immer noch, aber die Sucht ist stärker und schließlich müssen wir uns ja auch noch um unser Abendessen kümmern. Also ziehen wir los und gehen dann sogar auch noch shoppen, in so einen Asialaden. Antje scheint ein Faible dafür zu haben*ggg*

In dieser Herberge gibt es einen kostenlosen Internetanschluss und ich nutze die Gelegenheit, um an Ludwig und Klaus eine pm zu schreiben und ein kurzes Lebenszeichen im Forum zu hinterlassen. Und da fällt mir auf, dass ich jetzt schon über zwei Wochen ganz OHNE Internet gelebt habe *zwinker*. Von zuhause kommt ein Anruf und ich wird irgendwie das Gefühl nicht los, dass mein Junior heuer extreme Anlaufschwierigkeiten in der Schule hat. Also schreib ich auch noch eine lange mail an ihn, um ihn ein wenig aufzuheitern und Mut zuzusprechen.

Mit Gabi und Antje haben wir jede Menge Spaß. Wir vier „Mädls“ verstehen uns wirklich sehr gut. So als ob wir uns schon ewig kennen würden. Vertraute, offene Gespräche und jede Menge Blödsinn  treiben wir miteinander. Wir schreiben Ansichtskarten und Gitti dichtet für Heidi und Werner einen Zwölfzeiler. Die übrigen Pilger in der Herberge haben uns schon komisch angeschaut, weil ja keiner wusste, warum wir soviel gelacht und gekudert haben. „Mädls eben“,  würde mein  Junior sagen.
Das sind die schönen Seiten des Camino, neben Blasen, Tendenitis und Schulterschmerzen.
Aber ich glaube, mich hat das „Virus“ auch schon gepackt. Ich hätte mir das nie träumen lassen.
Das große „Caminoerlebnis“ hab ich noch nicht gehabt. Aber ich bin ja auch nicht Paolo Coelho*zwinker*. Und wenn ich mir  die vielen kleinen, und vor allem wunderschönen Erlebnisse und Begegnungen vor Augen halte, dann ist das doch eine ganz tolle Sache.
Und mein Schutzengel meint es gut mit mir.
Grazie, mio angelo custode.

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