23. September : Nur mehr 112 Seiten

Tagebuch

von  Raggiodisole

23. September Logrono – Ventosa

Obwohl ich des Nachts einige male vom Lärm aufgewacht bin, fühle ich mich ziemlich ausgeschlafen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil niemand schon um 5:30 Uhr begonnen hat in seinem Rucksack herum zu kramen. In aller Ruhe packen wir unsere Siebensachen zusammen und gönnen uns im Cafè Ibiza ein herrliches Frühstück. Es ist gestopft voll mit Leuten, die offensichtlich noch immer unterwegs sind und die ganze Nacht durchgefeiert haben.

Gut gestärkt suchen wir den Weg aus der Stadt hinaus. Er zieht sich, wie sich die Wege in eine Stadt hinein und hinaus immer ziehen. Dann kommen wir durch das Naherholungsgebiet der Stadt und ich hab den Eindruck, dass die Spanier ein sehr sportliches, gesundheitsbewusstes Volk sind. Hunderte von Joggern und Spaziergängern begegnen uns.
Es ist sehr dunstig und als ich dann noch meine lange Hose anziehen muss, weil mir die Trinkflasche ausgeronnen ist und meine Kurze einen hässlichen nassen Fleck hatte, war meine gute Laune dahin.
Die Kilometer bis Navarrete ziehen sich, aber inzwischen ist es schöner geworden und meine Hose ist auch trocken. Also gönnen wir uns erst einmal den obligatorischen Kaffee und ich wechsle wieder mein Beinkleid und auch  las botas mit den Sandalen.

Ob es am Kaffee gelegen hat oder am schwülen Wetter wissen wir nicht, jedenfalls kämpft Gitti mit plötzlicher Übelkeit. Wir überlegen kurz, ob wir in der Herberge bleiben sollen, doch da fällt mir ein, dass ich ja (m)eine „Wunderwaffe“ für solche Fälle im Rucksack habe – 31 Kräutertropfen, helfen für und gegen alles. Also wird Gitti erstmal damit gedopt und wir warten noch eine Weile, ob die Tropfen bei ihr auch wirklich wirken (so wie sie bei mir immer wirken). Und tatsächlich kehren ihre Lebensgeister wieder zurück und wir machen uns auf den Weg nach Ventosa. Noch 7,5 km laut Pilgerführer, die lang neben der Autobahn entlang führen und es ist inzwischen sauheiß geworden. Wir machen immer wieder kleine Pausen und ich achte darauf, dass Gitti viel trinkt.

Die letzten Kilometer ziehen sich immer ganz fürchterlich. Warum bauen auch die Spanier ihre Dörfer immer auf irgendwelche Hügel? Ja ich weiß, das hat irgendwas mit leichterem Verteidigung  zu tun, aber das ist mir eigentlich wurscht. Gitti sagt immer „Ummespucken könnt ma“, und dann dauert’s trotzdem noch eine ganze Weile, bis man endlich im Dorf und bei der Herberge angekommen ist.
Ankommen tun wir auch diesmal und werden von „deutschem Drill“ empfangen. Las botas ausziehen, Rucksäcke abstellen, Credential vorweisen … und in meinem fehlt natürlich die Nummer des Reisepasses. Aber die Herbergsmutter trägt sie ein und entpuppt sich überhaupt als eine ganz, ganz Liebe. Wir lassen unsere Wäsche waschen und suchen nach einem Restaurant, müssen aber bis 19 Uhr warten, bis es dann was zu essen gibt.

Ehrlich gesagt hätten wir uns das sparen können. Es war das erste Mal, dass uns das Essen nicht geschmeckt hat. Rindfleisch, dessen Platz am Rind nicht eruiert werden konnte (und ich kenn mich aus, ich hab das mit meinem Sohn geübt*ggg*), zäh wie Leder und ungewürzt. Die patatas waren auch nicht viel besser. Aber Schwamm drüber, dafür war das Wasser schön kalt.*zwinker*
Auf dem Weg zur Herberge wird mir plötzlich saukalt und ich will nur noch ins Bett, obwohl es erst kurz vor 21 Uhr ist.

Übrigens, wir sind im Adi schon auf Seite 116 und müssen bis Seite 228.*


Anm. der Red.:
Adi nannten wir unseren Pilgerführer, der uns gute Dienste geleistet hat,  aber auch manchmal an der Richtigkeit seiner Angaben zweifeln lies.

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