gonzo

Skizze

von  beneelim

Da gab es irgendwann einmal in Indien eine Kurtisane, die brachte ihren Kunden die Erleuchtung; sie wandten sich ab von ihren irdischen Begehrlichkeiten und suchten den Weg der Mitte.

Ein koreanisches Schulmädchen hatte zwölf Freier, bevor sie den letzten, den dreizehnten, durch das Fenster des Hotelzimmers verließ, welches im dritten Stock lag. Sie lächelte dabei, sie strahlte eine große Gewissheit aus, wie AugenzeugInnen zu berichten wussten.
Musiker, Banker, Versicherungsvertreter und Hochschulprofessoren, Intensivmediziner, sie zählten zu ihren Kunden, und sie arbeitete gut, bei ihr musste sich niemand mehr fühlen wie ein Fremder. Keine Schuld bleibt unwiderrufbar, alles scheint eine Frage des Fleißes zu sein.

Starke innere Blutungen, herrührend von einem Milzriss und einem komplizierten Mehrfachbruch in der Beckenregion ließen sie die Nacht nicht überleben. Ihre engste Freundin, selbst anwesend gewesen am Ort des Geschehens, das so tragisch und berührend, wie es sich offenbarte, sogar im Lokalteil der Abendzeitung Erwähnung fand, bemühte sich drei Jahre lang, ihr Leben weiter zu führen. Am Totenbett schrie sie mit der Unglücklichen und musste von den Pflegern zurückgehalten werden, als sie versuchte, das Lächeln vom Gesicht der Verstorbenen zu reißen. Buchstäblich.

Das erarbeitete Geld, mit dem sich die beiden knapp Vierzehnjährigen ihre Flüge nach Europa finanzieren wollten, verbrannte sie in einer ritualhaften Geste im Spülbecken ihrer Küche.
Gegen ihre schlechten Träume wurde ihr sehr bald ein hochpotentes Anxiolytikum verschrieben.
Nach und nach spürte sie die Freier ihrer Schulfreundin auf, sie opferte ihre Unschuld, die bequem in einem samtbezogenen A5 Tagebuch Platz fand.

Sie erzählte vom Ableben der Vielbegehrten, vom kurzen, kalten Knacken beim Aufprall, vom schwarzbeschopften Kopf, wie er wie eine zerbrochene Flasche seinen Inhalt über das Kopfsteinpflaster der Straße vergießt. Anschaulich. Plastisch. Manche fanden das ekelhaft.

Sie sei wie eine Geliebte, ließ sie sich von Zweien sagen.
Bei einem anderen lachte sie, kicherte sie, hysterisch beinahe. Er beschimpfte sie als Schlampe und sie ritt ihn dreimal an diesem Abend, ihre Hand verharrte am Rand seines triefenden Lächelns. Denn so wird meine Seele gesund...

Alle hat sie bezahlt, einen nach dem anderen, mit dem Rest des Geldes, der sie nach Europa hätte bringen sollen. Der letzte, den sie zu Gesicht bekommen hat, er muss derjenige gewesen sein, der ihr das Küchenmesser in die Nieren gerammt hat. Er kannte ihr Alter nicht.
Ihr Zungenspiel beim Oralverkehr ließ ihn darauf schließen, dass sie neu im Geschäft war. Verhältnismäßig. Aber Jugend und Unschuld ließen sich nicht begehren, sie waren der Griff des Türstehers, dem der Club zu voll und der Abend zu alt erschienen.

Sie schlief gerne mit einem großen Steiff Bären ein; auch das wusste er nicht.
Ihr Vater erhielt den Anruf um 2 Uhr 51 morgens. Mitteleuropäische Zeit.

Irgendwo im spanischen Hinterland, so geht die Legende, ist die Gottesmutter drei Bauernkindern beim Heimweg von der Heuernte erschienen; sie weinte Tränen von Blut. Erzählt man. Das ist lange her, und in Spanien brennen die Wälder.
Jedes Jahr.

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Kommentare zu diesem Text

locido (21)
(19.05.08)
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