DNT

Kurzgeschichte zum Thema Sterben

von  MrDurden

6:00 Uhr... die Nacht war zu kurz, um so früh aus dem Bett geklingelt zu werden. Regungslos bleibe ich einige Augenblicke lang liegen, warte darauf, dass das Sturmklingeln nachlässt... vergeblich. Wie in Trance stehe ich auf und wackle schläfrig und gereizt den Flur entlang. Mit einem Schlag auf den kleinen Schlüsselknopf an der Wand öffne ich die Haustüre, stehe zähneknirschend und halbnackt im Treppenhaus. Den vielen Schritten nach zu urteilen müssen es mehrere sein. Im nächsten Moment stehen mir drei Polizeibeamte und ein Vertreter des Bürgermeisters gegenüber. Mit angespanntem Blick wünschen sie mir einen guten Morgen und halten mir einen Gerichtsbeschluss mit Durchsuchungsbefehl meiner Wohnung unter die Nase. Irgendwie wusste ich immer, dass es noch nicht vorbei sein konnte.

6:10 Uhr... und ich bitte die vier Männer herein. Wissend, alles verloren zu haben, gehe ich langsam voraus... kann spüren, wie die Wände ihre gierenden Blicke reflektieren. Ich fühle, wie sie mich mustern... wie ihre Finger auf meine Tätowierungen deuten. Ihre Anwesenheit zerreißt mich... ich war zu unvorsichtig. Wer oder was hat mich verraten? Einer der Beamten klärt mich kurz über meine Rechte auf, während seine Kollegen beginnen zu suchen. Ich muss zusehen, wie sie jeden Schrank, jede Schublade und jedes Regal ausräumen. Sie durchwühlen meine Sachen... werfen alles auf den Boden, als sei es wertloser Müll. Sie stellen Fragen... zerstören den letzten Rest, der von meinem zu Hause noch übrig geblieben ist. Und irgendwie scheint es, als hätten sie lange darauf gewartet, das tun zu dürfen.

7:06 Uhr... langsam finden sich die Polizisten damit ab, dass in dieser Wohnung nichts zu finden ist. Während sie einige meiner alten handschriftlichen Briefe an meine Mutter als Beweismaterial einpacken, fragt mich einer der Beamten, ob er mir Handschellen anlegen müsse.

Ich steige in den Streifenwagen und sie bringen mich aufs Revier. Türen öffnen und schließen sich hinter mir. Der Flur erstreckt sich vor mir kalt und grau, wie der Morgenhimmel. Ich beginne zu glauben, es würde ein Plan hinter all dem stecken... hinter allem, was in den letzten Monaten passierte. Es ist, als würde jemand oder etwas versuchen, mich fertig zu machen... mir das letzte Bisschen Lebenswillen zu nehmen. Wieder kehren diese Gedanken zurück in meinen Kopf... Gedanken, die meine Realität Traum werden lassen. Ein Albtraum, der vorrüberzieht, als würde das alles gar nicht passieren. Wieder tauche ich die Welt in tiefes Schwarz... und ertrinke in den Lügen, die ich lebe.

9:30 Uhr... seit zwei Stunden verlange ich, telefonieren zu dürfen. Ich kann nicht mehr... dieses Versteckspiel macht mich krank. Unter Tränen sage ich ihnen alles, was sie wissen wollen. Alles, wonach sie sich seit Jahren die Finger lecken. Ich bekenne mich schuldig, einer der meist gesuchten Writer der Stadt zu sein. Schuldig, für jedes Graffiti, jede Schablone und jedes Tag verantwortlich zu sein, das sie mir zeigen. Schuldig, einen Sachschaden von mehr als 25000 Euro verursacht zu haben. Ich gebe ihnen alles, was sie wollen... und wieder sterbe ich in diesem Gefängnis meiner Realität. Wieder nehmen sie mir alles, wofür ich gehandelt, geatmet... wofür ich gelebt habe.

9:56 Uhr... einer der Beamten bringt mich in einen kleinen hellen Raum. Eine Frau, sie muss um die 40 Jahre alt sein, sitzt an einem Schreibtisch und begrüßt mich. Ich soll meinen Oberkörper frei machen und fotografiert werden. Als sie mein Tattoo sieht, bringt sie nicht mehr als ein mitleidiges "Ach Herr Rivera..." raus. Der Beamte fragt mich nach einer Bedeutung. Ich sage den beiden, dass sie das ohnehin nicht verstehen würden... und drehe mich, wie sie mich haben wollen. Nun beginnt, was sich alle so sehnlichst gewünscht haben. Mit einer Liste meiner ca. 25 Gläubiger verabschieden mich die Polizisten und ich mache mich auf den Heimweg.

10:13 Uhr... sie konnten mich in diesen Albtraum einsperren, mir all diese Geständnisse nehmen. Doch trotz all dem Schmerz und dem Verlust wird niemand jemals meine Überzeugungen töten können.


Anmerkung von MrDurden:

Dies ist die Fortsetzung zu meinem Text "Veränderung".

Beides so erlebt.

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Kommentare zu diesem Text

plastique (25)
(23.05.09)
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 MrDurden meinte dazu am 23.05.09:
Das war mein Writer-Name, Kürzel für Donut. Als ich mir nen Namen ausdenken wollte stand vor mir so ein Becher von Dunkin Donuts. So bin ich drauf gekommen.
Schurkenherz (33)
(23.05.09)
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 MrDurden antwortete darauf am 23.05.09:
Dankeschön für Kommentar und Empfehlung! Wünsch dir noch nen schönen Abend, David.
Eve.sei.so.gut. (28)
(14.06.09)
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 MrDurden schrieb daraufhin am 14.06.09:
Ja du hast Recht, ich und das werd ich immer sein. Dank dir vielmals, auch für deine Empfehlung. Eine gute Woche wünscht David.
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