Alfred.

Text zum Thema Schein und Sein

von  SunnySchwanbeck

Alfred steht vor dem zierlichen, marmornen Engel.
Seine knochigen Finger zittern.
Matilda… flüstert er.
Ich sagte dir doch, Muster entwerfen, das ist doch nicht alles.
Er schaute sich um.
Die schwarze Masse um ihn war lichter geworden.
Und der Regen viel auch nur noch im Hintergrund.
14 Fremde, Matilda. Er schluchzte. 14 Fremde Menschen, nicht mal Edgar hast du eingeladen.
Edgar, dein bester. Edgar, der junge, mit den Altersflecken. Die magere groß gewachsene Gestalt die dich das hungern lehrte.
Das verzichten auf leben.
Alfred schauderte. Hinter ihm stand ein Mann, kein außergewöhnlicher Mann, kein Arzt oder Anwalt, so Leute hätte Matilda nie beschenkt. Beschenkt, mit sich selbst, beschenkt mit weißen Rosen.
Der Mann hinter ihm lachte, als er die 15 weißen Rosen auf der nassen Erde liegen sah.
Sie war eine arme, alte Frau, sagte er bedrückt.
Nein, widersprach Alfred.
Sie kannten Matilda nicht, sie war einsam, gefangen in ihrer Welt, sie konnte die Liebe nicht noch einmal aushalten, sie schlief in fremden Wunden, warum denken sie, dass sie hier sind? Warum? Schwer atmend ließ sich Alfred auf den Boden sinken.
Ich denke nicht, dass es einen besonderen Grund für das hier gibt.
Haben sie ihr mal in die Augen geschaut? Ihre Augen sind Luft, so leicht und durchschaubar.
Einer der fremden meldete sich zu Wort.
Nein, ihre Augen waren Feuer, leidenschaftlich, interessiert, ehrgeizig, liebend.
Eine Frau lachte spötisch.
Matilda war vieles, aber nicht Feuer, und auch nicht Luft, Matilda war Erde.
Sie war Bodenständig, gütig, frisch und jung, sie konnte niemanden verletzen.
Nur sich selbst. Flüsterte eine hagere, groß gewachsene, tiefe Männerstimme.
Alfred keuchte, er drückte seine verschwitzen Hände auf die kühle Erde.
Wieso, gingst du auf Reise? Wieso kauftest du all diese Spiegel?
Du sagtest doch immer du wärest hässlich. Wieso diese Qual?
14 Spiegel.
Alfred stand krächzend auf.
Er küsste seine Unterarme, sie schmeckten rau.
Weiße Rosen, sie hasste alles was weiß war.
Weiß ist ehrlich, Weiß ist weder Wasser, noch Feuer, noch Erde oder Luft.
Weiß war ihr Haar, Weiß ihre Haut.
Ich hab es gespürt.
Als ich Geschichten las, spürte ich ihren Atem.
Der Mann der sich mit Ich-heiße-Benno vorstellte, legte Alfred eine Hand auf die Schulter.
Sie war alt, flüsterte Alfred.
Sie war doch erwachsen, erwachsen genug für mich, aber zu jung zum sterben.
Sie war Autorin… er keuchte, dicke Tränen rannen über sein faltiges Gesicht.
Sie war die beste, große Schwester die es gab.
Sie verstand mich, ich weiß nicht wie sie aussah.
Aber Matilda war Wasser, sie war rau und kantig, sie trug die schönsten Geschichten mit sich.
Sie war meine Matilda.
Sie war die Schönste für mich, obwohl ich sie nie sah.
Nur ihre Geschichten, gingen unter die Haut.

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Kommentare zu diesem Text

tausendschön (33)
(18.06.09)
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