Happy End.

Text zum Thema Ansichtssache

von  Erdbeerkeks

Mein Herz schlägt so laut. Aber das ist gelogen, denn jeder, dem das Herz mal bis zum Hals schlug oder der vor Liebeskummer nicht einschlafen konnte, kann mir bestätigen, dass es meist nicht die Lautstärke ist, die uns auffällt, sondern das rhythmische Vibrieren unseres Körpers, wenn unser Herz seine Töne hindurchschickt.
Es ist das Gefühl, dass ich hätte, wenn du dort ständest. Es war, als träfe ich dich wieder. Ich bilde es mir ein.
Ich sehe jemanden, der auf mich zu rennt. Wären seine Haare anders, wäre die Illusion wohl besser.
Als er vor mir stehen bleibt, seine Augen sich mit dieser glänzenden Unfassbarkeit füllen und er mich fest in die Arme schließt, seine Nase in mein Haar drückt, verspüre ich nicht mehr als tiefstes Mitleid, Bedauern und seine Liebe, die ich wie eine kaputte Radiostation empfange, aber nicht fähig bin, sie zurückzusenden oder bloß eine Antwort zu geben.
Hilflos kralle ich mich in seinen Rücken, drücke meine Wange an seine Brust und bemerke dieses Gefühl der Bekanntheit, die es mir die Sache nicht einfacher macht. Es war schon einmal so.
Tränen brennen, weil sie salzig sind.
Es war, als würde jemand ein geschriebenes, jedoch unfertiges Buch zur Hand nehmen, all seinen Inhalt ausradieren, löschen und ein neues hineinschreiben. Über das Grab des alten.
Der Verlust der Geschichte brachte mich fast um.
Er streichelt über meine Wangen, küsst die Tränen weg. Ich erhänge das Gefühl des Widerstrebens.
„Was ist denn? Was hast du?“, fragt er noch besorgt und platziert einen weiteren Kuss auf meiner Stirn. Ich lache schluchzend über die Absurdität dieser Frage und dieses Momentes. Wie geplant baue ich meinen kleinen Schwächeanfall geschickt in meine Antwort ein.
„Ich bin so glücklich!“, griene ich und gerührt streicht er mir durch die Haare.
„Ich auch.“, wispert er zurück und schiebt eine Hand hinter meinen Nacken, streift mit seinen Fingern daran entlang, neigt seinen Kopf, zieht mich heran, kommt näher, atmet leise, streift mit seinem Atem meine Lippen. Alles prasselt auf mich ein und ich kann mich nicht wehren.
Er drückt seine Lippen auf meine, tut das, worauf er schon so lang gewartet hat.
Die Berührung, die Wärme, das Schreien, das Kreischen, das Kratzen, die Liebe; ich blende alles aus, halte mich fest und küsse ihn.
Du weißt genau, was ich tat, um mir nicht schreiend weinend den Kopf an der Bahnhofswand blutig zu schlagen.
Ich löse mich mit geschlossenen Augen, behalte sie einfach zu und lehne meine Stirn an seine Schulter, klammere mich fest und bringe heraus: „Ich liebe dich.“
Es drückt meinen Kopf zusammen, hämisch lachend quetscht es mir die Luftröhre zu.
Ein Luftschnappen.
„Ich liebe dich“, trotze ich. „Ich liebe dich, ich liebe – “
Für einen Moment der Dunkelheit ist das noch nicht einmal eine Lüge, sondern die tiefste Wahrheit.
Mein tropfendes Gesicht wird festgehalten, so vorsichtig wie man mit einer durch Stickstoff gefrorenen Rose umgeht und als ich die Augen öffne, zerberstet die gefrorene Schönheit in tausend Splitter, obwohl ich nur verschwommen sehe.
Aber genug, um zu wissen, dass das die Realität ist.
„Ich dich noch mehr.“, floskelt er, aber ich weiß, dass es wahr ist.
Besorgt nimmt er mich noch einmal in den Arm, schlaff hänge ich über seiner Schulter.
Nach Luft ringend, leise, so leise strecke ich einen Finger aus und er sieht es nicht, weil ich es hinter seinem Rücken tue.
Leer zeige ich auf den Zug, der hinter ihm und direkt vor mir steht, so zum Greifen nah. Das rot-weiße Ungetüm.
Verbittert fließen Tränen nach.
Ich kann den ersten Schritt nicht machen.

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