Dein Sterben war durchsichtig bordeauxrot. Ich lächelte immer noch, als ich deine Hand hielt und dieser weiße Raum uns verschlang. Als das Kreuz an der Wand irgendwie sarkastisch zu uns hinunterblickte und ich das Gefühl hatte, Jesus würde jeden Moment anfangen hämisch zu lachen. Ich fragte mich, ob ihm das Ganze Spaß machte und imitierte seinen Ausdruck als kläglicher Versuch, Vorbild zu sein und keine Angst zu haben, denn du vergingst beinahe daran, bevor du es ohnehin tatest. Mein Gesicht stand unter Spannung, die ganze Zeit, und ich tat mich so schwer. Zwischen unseren Fingerspitzen floss Strom, kribbelnd und nervös, und als du kurzgeschlossen wurdest, zerbarst meine Glasmimik zwischen blauen Blitzen und undurchsichtigen Gewitterwolken. Die Fensterläden schlossen und die Balken brachen in sich zusammen. Zu lange hatten die Flammen an den Mauern geleckt.
Mein Haus stürzte nieder, mein Alles.
Ich hatte meine Heimat verloren. Als ich die Scherben aufkehrte und zwischen Asche schlafwandelte, sagten mir die Fragmente nichtmehr viel. Sie knirschten von Nadeln, hohen Geräuschen, blutunterlaufenen Augen. Dreckige Böden, abgewetzte Besucherstühle, viel zu viele zu kalte Hände und Kreissägen in unseren Hälsen verschwanden über die Jahre in meinem Seelenmülleimer. Nur entfernt hörte ich manchmal unser Lachen oder schmeckte unsere Tränen, doch es war zu weit, als dass wir es auf Zehenspitzen je erreichen könnten.
Danach wurde jeder Winter wurde zur Tortur. Jeder Schneekristall rang mich zu Boden und drückte meine Nase ins Eis, jeder Frühling mit seinen scheiß Blumen injizierte mir ätzende Farbe intravenös, jeder Sommer zerschmolz das Glas zu einer heißen Masse, die mir meine Zunge verbrannte. Jeder Herbst begrub mich unter seinem bunten Laub, das monochrom verwelkt in meinen Adern glühte.
Die Jahreszeiten wurden zu schwarzen Löchern, Straßen zu Rutschpartien über die Grenze und mittlerweile weiß ich, dass Tagebücher nur was für Masochisten sind. Erinnerungen an Kindheiten und der ganze Scheiß. Wenn wir drüber geredet haben, dann war das anders.
Seit wir zerschmolzen sind ist es das auch. Wie oft ich gesucht habe unter Brücken und hinter Straßenecken nach dem, was mir fehlte. Windstillen Armen und dieser angenehmen Taubheit, die meine Haut überzog, wenn du warst. Ich suchte in fremden Wärmen, Gläserböden, Plastikkanülen, kaltem Eisen, kompletter Stille und im Stillstand.
Ich merkte, dass wir weit zerstreut waren über Ozeane und – nachdem mein Herzschlag mich über Berlin, Paris und New York gebracht hatte – dass nicht einmal Flugzeuge oder Schiffe mich dahin bringen können, wo ich hinmusste. Das Pochen verlangsamte sich von Stadt zu Stadt, erklang im Halbzeittakt und ließ mich in London zusammenbrechen. Der Big Ben schlug und erschlug mich rechtzeitig zum Jahrestag, während ich Krankenhäuser verfluchte und Kreuze. Krokusse und kleine Lieben, die kleine Kratzer in noch kleineren Herzen verursachten. Ohnmacht, oberflächliche Gespräche mit Oberärzten und Offenheiten, die wir ohnehin als Omen deuteten. Mittelmäßige Menschen, Mitleidsbekundungen, mittelschwere Midlifecrisis und Märtyrer, die sich maßloser Mittel bedienten und schließlich Ahnungslosigkeit. Anfänge. Aufgeben apathischer Angewohnheiten wie zum Beispiel Atmen.
Es hätte nie so weit kommen sollen, weißt du.
Aber das, was ich besaß.
Das war kein.leben.
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