Schlafen konnt ich noch nie sehr gut.
Auch heut bin ich schon früh erwacht.
Im Kamin glimmt noch die Glut,
draußen ist es tiefste Nacht.
Doch morgen kommt das frische Korn,
drum bereit ich meine Mühle vor
und alles beginnt wieder von vorn.
Ein Schrei dringt plötzlich an mein Ohr.
Ans Fenster tret ich sorgenvoll
und seh des Schmiedes Lehrling rennen.
Er sieht aus, als wär er toll.
Ich dacht, ich würd ihn besser kennen.
Ein ruhiger, dennoch tücht'ger Junge,
im Geiste fest wie ein Gemäuer.
Doch jetzt schreit er aus voller Lunge
bis ein Blitz ihn trifft von grünem Feuer.
Zur Pfütze wird augenblicklich er.
Ein Anblick ist's, das einem graust.
Der Blitz kam aus der Richtung her
wo nur noch der Krämer haust.
Gestern waren wir bei ihm, sein Weib zu holen,
die bezichtigt ward, eine Hexe zu sein.
Aufgehäuft sind noch immer die Scheite und Kohlen
zu verbrennen die Hexe in hellem Schein.
Und genau das soll heut Nacht noch geschehen.
Doch dazu braucht es einen glaubhaften Zeugen,
der eine Hexerei hat mit angesehen.
Ich mache mich auf, des Krämers Haus zu beäugen.
Dieses liegt etwas abseits vom Ort,
das nächste Gebäude ist schon meine Mühle.
Nicht lang brauch ich und ich bin dort
wo ich mich sofort unbehaglich fühle.
Mit jedem Schritt wird es kälter, das spür ich.
Und Nebel zieht auf, beklemmend und dicht.
Diese Kälte ist höchst unnatürlich.
Aus den Fenstern strömt grünes Licht.
Es kommt von einer Kugel aus Glas
die der Krämer hält in seiner Hand.
Er starrt hinein und sieht all das,
was vorhin vor meinen Augen stattfand.
Dann lacht er wild und spricht verzückt: „Der einz'ge Zeuge ist nun hin.
Meine Rache ist geglückt.“
Nun versteh ich der Sache Sinn.
Er geht zu Bett, ich schleich mich fort
und schmiede bereits einen Plan
ihn zu locken aus seinem Hort
und zu beenden diesen Wahn.
Ich eil geschwind ins Dorf hinein
gleich zu des Bürgermeisters Haus
um ihn in alles einzuweihn.
Er sagt zu mir: „Macht ihm den Gar aus.
Euer Plan ist riskant, doch kann er gelingen.
Wir müssen nur sofort zur Tat schreiten,
dann können wir ihn auch in die Knie zwingen.
Ich werde hier alles vorbereiten.
Ihr sollt es tun und euer Freund, der Jäger.
Und zeigt ihm gegenüber ja keine Gefühle.
Ich schicke sofort los meinen Neger.
Ihr Müller, kehrt zurück zur Mühle.“
Dort hol ich mir einen festen Sack
und geh zu des Krämers Heim mit Hast.
Unterwegs brech ich mit leisem „Knack!“
von einem Baum ab einen Ast.
Angekommen seh ich schon den Jäger auf Posten.
Ich geb dem Neger den Sack. Er nickt.
Die Sonne geht bereits auf im Osten
als er zur Ecke des Hauses vorrückt.
Kaum ist er außer Sicht, schlägt meine Stunde.
Ich verberge den Knüppel und gehe zur Tür.
Klopfe laut und rufe: „Noch eine Sekunde
dann, oh Hexer, ist's aus mit dir!“
Der Krämer öffnet und tritt vor mich
die Kugel hält er in der Hand.
Der Jäger schießt, die Kugel bricht,
der Neger taucht auf hinter der Wand
und stülpt den Sack schnell über ihn.
Schon schlag ich zu, so fest ich kann.
Zu meinen Füßen fällt er hin
und in Ohnmacht auch sodann.
Gefesselt und geknebelt wird er,
auf dass er nicht entkommen kann.
Ich trage ihn auf meiner Schulter.
Der Jäger folgt, der Neger voran
ins Dorf zurück, wo alle schon warten
beim großen Platz am Scheiterhaufen
mit Fackeln, Mistgabeln und Barten.
Man bildet uns eine Gasse zum laufen,
bis wir beim Bürgermeister stehen.
Sogleich nimmt man mir den Krämer ab. „Wollt ihr den Bastard brennen sehen?
Bereitet ihm ein feurig Grab!“
Der Haufen wird nun angesteckt.
Ihn brennen zu sehen ist uns Trost und Segen.
Die Splitter der Kugel wurden nie entdeckt.
Wohl fortgewaschen von einsetzenden Regen.
Dass es nun nicht mehr weitergeht
sich ja wohl von selbst versteht.
Anmerkung von BLACKHEART:
Dieser Teil ist aus Sicht des Müllers geschrieben.
Da ist er in seiner Rache zu weit gegangen. Wie üblich, möchte ich sagen, denn irgendwie will keiner den Sinn von "Auge um Auge und Zahn um Zahn" verstehen.
Dieter Wal (58)
(18.12.13)
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