Wenn der Call-Center-Agent dreimal klingelt

Satire zum Thema Werbung

von  JoBo72

Die Deutschen sind genervt vom Telemarketing. Dabei ist der Umgang mit unerwünschten Werbeanrufen leicht. Und macht Spaß.

Das Telefon klingelt. Jemand, der sich als „Deutsche Telekom“ vorstellt, will wissen, was ich für meinen Telefonanschluss bezahle. Im Monat. „Bald gar nichts mehr, wenn es so weiter geht…“ Ich lege auf. Eine halbe Stunde später klingelt das Telefon wieder. Ich, „Glückspilz“, habe gewonnen. Irgendein Auto der Mittelklassenkategorie, ich müsse nur noch… Ich lege auf, bin mäßig genervt. Wieder klingelt’s. Soll ich? Und wenn’s was Wichtiges ist? Ich gehe ran. Es sei was wichtiges: Es gehe immerhin um meine Altersvorsorge. Ich schreie den armen Call-Center-Agenten an, dass ich, geht es so weiter, so alt gar nicht werde! Den Rest des Tages bin ich verärgert und ziehe mich, mit Gehörschutzstöpseln, ins Bett zurück. Morgen geht’s weiter. In jeder Beziehung.

Nach jüngsten Umfragen sind über 90 Prozent der Bundesbürger genervt von Werbeanrufen. Dabei könnte man doch so viel Spaß haben mit dem Telemarketing. Wie? Ganz einfach. Drehen Sie den Spieß einfach um! Nehmen Sie’s als Spiel mit verschiedenen Varianten. Da sollte für jede und jeden was dabei sein.

Typ PISA

Frage: „Kennen Sie die Berliner Zeitung?“ – Antwort: „Nein!“ – Frage: „Kennen Sie die Zeitung XY?“ – Antwort: „Nein!“ – Frage: „Was lesen Sie denn für eine Zeitung?“ – Gegenfrage: „Lesen?“ – Aufgelegt.

Typ Missionar

Drehen Sie den Spieß einfach um! Beginnen Sie, ebenso ungefragt wie der Anrufer, Ihre Mission zu verbreiten, frei nach dem Motto: „Schön, dass ich Sie gerade dran habe!“ Ob eigenartige esoterische Vorstellungen, eine Mitgliedschaft im „Verein der Biathlon-Gucker, die zwischen Liegend- und Stehendschießen Aldi-Prospekte ins Aramäische übertragen“ („Die ersten zwei Monate sind gratis!“) oder Produkte wie „Kytalan-Veredeler“ oder „Prosperin“ – lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf! Es soll Leute geben, die machen damit fünfstellige Euro-Summen. Im Monat.

Typ Hinhaltetaktiker

Der Hinhaltetaktiker zeigt sich interessiert, rückt aber mit konkreten Informationen oder gar verbindlichen Zusagen nicht raus. Da die Telefonist/inn/en auf’s Tempo drücken müssen, um möglichst viele Anrufe durchzuziehen, sind sie daran interessiert, schnell zum Punkt, also zum Vertragsabschluss, zu kommen. Deshalb zeigt sich auch der Hinhaltetaktiker grundsätzlich interessiert an den feilgebotenen Produkten, schweift aber kurz vor dem entscheidenden „Ja.“ ab, stellt abwegige Fragen oder will komplizierte (oder sich zumindest kompliziert klingende) Sachverhalte aufgeschlüsselt haben. Auf Aramäisch. Häufig sind die Damen (einige wenige Herren sind auch darunter) damit überfordert und legen freiwillig auf. Nicht ohne vorher noch eine kurze Beschimpfungsarie auf den (potentiellen!) Kunden abgelassen zu haben.

Typ Jurist

Der Jurist fragt zielsicher, ob man selbst um einen Anruf gebeten habe, weist, nach erfolgter Verneinung, auf die geltende Rechtslage hin (unerwünschte Werbeanrufe sind rechtswidrig) und darauf, dass das Gespräch aufgezeichnet wurde, die Aufzeichnung an die Kanzlei „Petermann&Rosenthal, Chicago“ gehe und die bußgeldbewehrte Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung in den nächsten drei Werktagen beim Anrufer oder dessen Auftraggeber eingehe. Nach Anruf verreist.

Typ Dopingsünder (Radsport)

Bestreiten Sie, dass der Anrufer von Versicherung V ein Anrufer von Versicherung V ist. Leugnen Sie die Existenz eines Telefons und eines Call-Centers. Fragt man Sie nach Ihrem Namen, kennen Sie diesen nicht genau (Grund: Der letzte Blick auf die Geburtsurkunde liegt zu lange zurück!). Drohen Sie nach jedem Hauptsatz mit ihrem Anwalt, nach jedem Nebensatz brechen Sie in Tränen aus. Das vertriebene Produkt kennen Sie nicht. Alles andere auch nicht. Bestehen Sie aber rechtzeitig vor Gesprächsende drauf, mindest einmal täglich angerufen zu werden. Alles andere sei diskriminierend und ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Richtig: Tränen!

Sag niemals ja

Noch ein Tipp zum Schluss: Sagen Sie niemals „Ja.“, auch nicht, wenn man Sie fragt, ob Hannover die Hauptstadt von Niedersachsen ist. Sagen Sie „möglicherweise“, „vielleicht“, „Da muss ich erst meine Frau fragen“. Denn: Das Gespräch wird aufgezeichnet und ein „Ja.“ oder eine andere eindeutige Erklärung kann später, an die richtige Stelle geschoben, wie eine rechtverbindliche Willenserklärung ausgelegt werden und…

Entschuldigung – das Telefon klingelt.

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Kommentare zu diesem Text

unicum (58)
(19.02.10)
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janna (60)
(19.02.10)
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 Owald (20.02.10)
Den Spieß rumdrehen - daß ich da noch nicht selbst draufgekommen bin:
"Guten Tag. Ich möchte ihnen heute ein tolles Angebot machen!"
"Kein Interesse, danke. Aber gut, daß sie anrufen, denn ich sehe gerade, sie haben die Chance auf ein lebenslanges Kreuzfahrten-Abo..."

Amüsant zu lesen, Dein Text.

Grüßli,
O.
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