Barça? Barça! Basta!

Satire zum Thema Eigene Welt

von  JoBo72

Ich lebe seit einiger Zeit in der Nähe von Barcelona, einer schönen Stadt in Katalonien. Hier hat vor allem eines Bedeutung: Fußball. Fußball ist hier mehr als ein Sport. Es ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und Fußball heißt auf katalanisch „Barça“.

Zwischen den Fußballmetropolen Madrid und Barcelona liegt ein tiefer Graben. Madrid steht für Monarchie, Barcelona für Moderne. Madrid heißt Franco, Barcelona heißt Freiheit. Ein Sieg im Liga-Duell mit Real wiegt für die Barça-Fans schwerer als drei spanische WM-Titel in Folge. Als die „Galaktischen“ gestern im Champions League-Achtelfinale gegen Olympique Lyon ausschieden, sparte der Kommentator des katalanischen Fernsehens nicht mit Spott und Häme. Die Familie über uns feierte ausgelassen. Ich meine, von fern ein Feuerwerk gehört zu haben. Heute sind die Marktfrauen besonders gut gelaunt und halbieren die Preise.

Man muss diese Fußball-Geschichte nehmen, wie sie den Menschen ist – ernst. Sehr ernst. Der Taxifahrer, der die dreiviertel Stunde vom Flughafen zur Wohnung in 20 Minuten zurücklegte, gab mir nach ein paar Belanglosigkeiten zu Protokoll, er sei gar kein Barça-Fan, sondern „eher“ für Real. Er sagte es, als gestehe er mir einen Doppelmord. Er schien hinterher erleichtert, zugleich jedoch verängstigt, ich, der nichts ahnende Ausländer, könne ihn verraten. Er sicherte sich mein Schweigen durch einen großzügigen Preisnachlass. Zudem überschrieb er mir die Hälfte des Umsatzes bis einschließend 2014. In und um Barcelona mit den Königlichen aus der Hauptstadt zu halten, steht dem sozialen Tod gleich. Wenn Kollegen und Freunde davon Wind bekommen, dann ist das in etwa so, als stelle sich heraus, der Bauer des jüngsten Dreigestirns sei gar nicht der obligatorische „Kölsche Jong“, sondern ein millionenschwerer Unternehmensberater aus Düsseldorf.

Dass der katalanische Wunderclub am Wochenende die Tabellenführung in der Primera División an den Dauerrivalen Real abgeben musste, füllt die Titelseiten sämtlicher Zeitungen, auch wenn sie sich sonst schwerpunktmäßig mit Gartenbau, Technologieaktien oder Zahnheilkunde befassen. Das wäre wohl auch der Fall, wenn zeitgleich Außerirdische zwei Drittel der Eroberfläche mit einem stinkenden, grünen Schleim überzogen hätten. Ein eingerissener Fingernagel bei Lionel Messi oder einer seiner Cousinen erfährt hier regelmäßig mehr mediale Beachtung als Klimagipfel, Olympische Winterspiele und Oscarverleihung zusammen. „Barça-TV“ läuft erbarmungslose 24 Stunden und bringt es fertig, zwanzig Minuten lang zu zeigen, wie die Spieler nach dem Training den Platz verlassen. Live. Um dann weitere zwanzig Minuten lang zu zeigen, wie sie in den Bus einsteigen, der sie ins Hotel bringt. Nach achtzehn Minuten setzen Spekulationen darüber ein, warum Messi mit Duschen, Abtrocknen und Anziehen noch nicht fertig ist. Ein nervöser Reporter fragt Trainer und Mitspieler, wie genau Messi mit Duschen, Abtrocknen und Anziehen noch nicht fertig ist. Dazwischen gibt es eine Werbepause, in der Puyol, Iniesta und Xavi als Zeichentrickfiguren in kind- und fangerechter Weise die Bedeutung konsequenter Mülltrennung hervorheben. Im Anschluss folgt die Sendung „Was zählt, ist auf dem Herd“, in der die Spielerfrauen ihre Lieblingsrezepte kochen. Heute: Frau Ibrahimović (Kartoffelsalat mit Würstchen).

Man kann darüber lächeln, man kann sich darüber erregen, ändern kann man es nicht. Warum auch? Fußball ist Fußball und Barça ist Barça. Basta!


Anmerkung von JoBo72:

Nachtrag (12.3.2010):

Eine katalanische Sportzeitung heute:

Auf der Titelseite oben jubelnde Barça-Spieler mit dem Europapokal, unten ein verzweifelt dreinblickender Christiano Ronaldo. Dazwischen in Lettern, die man vom Weltraum aus erkennt: „2 zu 6“. Will heißen: In der Zeit, in der Real sechsmal in Folge vorzeitig aus der Champions League flog, hat Barça sie zweimal gewonnen...

Sehr böse! Wirklich!

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