Schöne Welt zu kaufen

Glosse zum Thema Werbung

von  Graeculus

Wir können diese schöne Welt, bevor wir sie kaufen, in der Werbung sehen. Es ist überwältigend. Kaum zu glauben, aber wahr.

In ihr werden Pralinen von Konditoren in Handarbeit hergestellt.
Milchkühe als unerläßliche Basis für ein Käse- oder Joghurtprodukt grasen, vom Klang ihrer Glocken begleitet, auf grüner Weide.
Autos fahren auf leeren Straßen durch idyllische Landschaften.

Bei überaus peinlichen Darmproblemen (Sie wissen schon: Blähungen, Durchfall und keine Toilette, aber der Chef in der Nähe) findet man leicht Hilfe, sofern man auf seinen Arzt, seinen Apotheker oder den Schauspieler in der Werbung hört. Schon sind die Darmprobleme ... nein, nicht weg, aber wie weg (was immer da der Unterschied sein mag)
.
Ein Vergleichsportal verschenkt als Dank für einen Vertrag einen 500-Euro-Hotelgutschein, wobei allerdings – ein peinlicher, aber gesetzlich vorgeschriebener Riß in der schönen Welt – für 0,5 Sekunden die Bedingungen zur Einlösung dieses Gutscheins zu lesen sind, sofern man über eine ausreichend starke Lupe verfügt.

Wenn nur nicht die Menschen so blöd wären! Der Mann mit der Matratze, die ihn ein Vermögen gekostet hat, weil Qualität halt ihren Preis hat, der hat es bei der 3519. Wiederholung dieses Spots immer noch nicht kapiert: Deutschlands beste jemals getestete Matratze kostet nur 199 Euro!

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Mondscheinsonate und AndreasGüntherThieme.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (03.12.19)
Mit einem Antibrechmittel würden die bei mir glatt offene Türen einrennen.

 Graeculus meinte dazu am 03.12.19:
Seltsam. Das kommt in der Werbung nicht vor.

 TassoTuwas (03.12.19)
Bloß nicht kaufen!
Stell dir vor, sie gefällt dir nicht mehr. Für eine dritte Welt aus zweiter Hand will doch keiner Geld ausgeben.
"Lease heißt die Devise", bei Nichtgefallen gibst du sie nach drei Jahren zurück und die Leasingkosten drückst du dem Finanzamt aufs Auge. Als Schriftsteller brauchst du die Welt schließlich als Betriebsmittel
TT

Kommentar geändert am 03.12.2019 um 14:10 Uhr

 Graeculus antwortete darauf am 03.12.19:
Das sind marktökonomische Hinweise, die ich mir zu Herzen nehmen werde. Man sollte überhaupt mehr leasen: Pralinen, Joghurt und Matratzen.

 LottaManguetti (03.12.19)
Und bist du nicht kaufwillig, so (ge)brauch ich Gewalt!

Die meistverkaufte Matratze in Deutschland kostet "nur" 199 Euro - die beste allerdings nicht. Und den Unterschied kapiert kaum ein Werbegucker.
So wird suggeriert, manipuliert, verkauft - eine ganze Welt, unsere Welt.

Ein Mitmachforum der Gelüste.

Gut geschriebener Text, Graec, dessen Aufbau und Logik mich überzeugt.

Lotta

 Graeculus schrieb daraufhin am 03.12.19:
Die Matratzenwerbung wechsel ab zwischen "beste jemals getestete" und "meistverkaufte". Ich fürchte, die suggerieren uns, das sei dasselbe.
Aber die beiden Jungs, die da Abend für Abend, Spot für Spot auf ihren getrennten Betten liegen und dialogmäßig (und auch sonst) überhaupt nicht vorankommen, die sind un-er-trägl-lich.

 loslosch (03.12.19)
beim hausbau ist vorauszahlung die regel. bei ....zahlen sie ihr haus erst, wenn es steht. (ich höre heraus: wenn er steht.)

 Graeculus äußerte darauf am 03.12.19:
Ach, diese Werbung ist ebenfalls interessant. Da stehen immer kurz, gegen Ende, drei Auszeichnungen der Stiftung Warentest darunter, bei denen es - wenn man genauer hinschaut - heißt: "7 weitere Angebote erhielten das Prädikat sehr gut". Das verweist auf Konkurrenz und darf man natürlich nicht so genau zeigen - nur "Prädikat sehr gut von der Stiftung Warentest" soll hängenbleiben.
Stelzie (55)
(03.12.19)
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 Graeculus ergänzte dazu am 03.12.19:
Kann man wohl sagen. "Glück - schnell und preiswert!" ist die Botschaft.

Wenn man die Werbung mal 'gegen den Strich' schaut, dann merkt man immerhin, welche Probleme (für deren Lösung geworben wird) die Menschen haben.

Bei ARD und ZDF (= ältere Zielgruppe) sind es Schmerzen, Demenz, Einsamkeit, Armut.

Traurige Grüße
Wolfgang

 EkkehartMittelberg (03.12.19)
Ich habe als Lehrer noch eine Unterrichtseinheit zur Aufklärung gegen die Geheimen Verführer (The hidden persuaders) verfasst. Ich weiß nicht, ob ich dieser Aufklärung heute noch eine Chance geben soll.
Servus
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 03.12.19:
Ekkehart, ich glaube an den Wert von Aufklärung. Beweisen kann ich ihn freilich nicht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.12.19:
Ich möchte nicht missverstanden werden. Den Wert von Aufklärung bezweifle ich nicht. Mir scheint es nur immer schwieriger zu werden, Werbung in Frage zu stellen, weil sie nicht einmal mehr den Anschein erweckt, argumentieren zu wollen.

 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Das völlige Fehlen einer Begründung bei gleichzeitig freigebigem Gebrauch von Behauptungen ist deprimierend.
Wenigstens gibt es schon seit alten Tagen ein Symbol für unseren Kampf gegen solche Sitten: Sisyphos.
(Gelernt habe ich kürzlich, daß man sowas Eponomasie nennt.)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.12.19:
Ja, aus vollem Herzen.
una (56)
(03.12.19)
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 Graeculus meinte dazu am 03.12.19:
Und: kein Auto! Bitte.
una (56) meinte dazu am 03.12.19:
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 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Ja. Keine Cola, keine Hamburger, kein Auto.

In den letzten 50 Jahren sind allein in Deutschland ca. 500000 Menschen durch Verkehrsunfälle mit Autos gestorben - Verletzte und Sekundäropfer durch Bewegungsmangel nicht gerechnet.

Und weltweit? Mehr Tote als im Zweiten Weltkrieg, schätze ich.

Das hätten sich die Kernkraftwerke mal erlauben sollen!
una (56) meinte dazu am 04.12.19:
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 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Autos machen etwa 20 % der Werbung aus, und sie werden deshalb auch in meiner Glosse erwähnt.
Daß sie nicht weniger schädlich sind als die Cola, die Du im Zusammenhang mit Diabetes erwähnst, wollte ich hervorheben.

Das Fliegen kommt noch hinzu.
Der jährliche Energieverbrauch der Internet-Server soll übrigens dem der Fliegerei gleichkommen.
una (56) meinte dazu am 04.12.19:
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 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Es steht nicht in meiner Macht, sowas zu vergleichen; aber Zahlen gibt es dazu schon.
Eigentlich verbraucht alles,was wir tun Energie, und vieles, was wir tun, müßten wir nicht tun.

Mein eigenes Laster ist das Internet (u.a. kV). Auch noch viele Filme dort zu gucken, wäre m.E. zuviel.

 Judas meinte dazu am 07.12.19:
@Graec nicht nur gleich gekommen - mittlerweile haben Datenserver den Weltflugverkehr überholt.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.19:
Danke, das wußte ich nicht.

 Momo (03.12.19)
Sie kostet viel Geld, die schöne Welt der Werbung. Darum kann man davon ausgehen, dass sie äußerst wirksam ist.
Wenn sich die kleinen grünen Männchen von fernen Galaxien nur einmal unsere Werbespots anschauten, müssten sie zu dem Schluss kommen, dass diese seltsamen Wesen hier in der Tat völlig verblödet sind.

LG Momo

 Graeculus meinte dazu am 03.12.19:
Wie schön wäre es, die kleinen grünen Männchen würden uns via Beethoven kennenlernen!
Interessant war ja, was 'die Menschheit' in ihrer Voyager-Sonde etwaigen Außerirdischen über uns mitgeteilt hat. Keine Matratzen, keine Pralinen. Soweit ich weiß, überhaupt keine Werbung.

 GastIltis (03.12.19)
Wer immer die Kohle, die Windräder, die Kernkraft, die Rüstung sowieso, die Parteien, Spenden, Banken, Autos, Flugzeuge, die Werbung abschaffen will, sollte bedenken, es geht um Arbeitsplätze. Hauptargument bei Antiabschaffungskampagnen. Ich bin überall dafür, bloß nicht für die Rüstung, die AfD und … die Antiabschaffungskampagnen. Oder gerade da doch?
Jedenfalls grüße ich dich herzlich, weil du es besser weißt. Gil.

 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Arbeitsplätze sind ein Totschlagargument zur Verteidigung von allem und jedem - außer der Rüstungsindustrie.

Aus der Luft gegriffen ist es ja nicht. Wieviele Menschen leben von der Werbung? Und wenn wir selber für uns werben, tun wir's dann nicht in gleicher Weise?

Herzlichen Gruß von
Wolfgang

 FrankReich (04.12.19)
Dürfte das Thema nicht eher Betrug lauten? :D

 Graeculus meinte dazu am 04.12.19:
Man kann es so nennen. Aber ich kann mich gut an eine sehr lebhafte Diskussion erinnern, in der mir jemand einen viel zu weit gefaßten Begriff von Betrug vorgehalten hat. Schließlich sei das alles legal und Werbung auch zum Vorteil des Verbrauchers.

Doch wenn da dick & fett steht "500 Euro Hotelgutschein" und man in den ganz kurz & ganz winzig eingeblendeten Konditionen liest, daß man für 500 Euro ein Hotel für mindestens 5000 Euro buchen muß, das Ganze also nicht mehr als 10 % bedeutet und nichts weiter ist als eine Rabatt-Aktion zum Promoten von Hotels, dann ... ich weiß nicht.
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