2. Akt, Ein Dorf ohne Ältesten

Absurdes Theaterstück zum Thema Revolution

von  Dart

2. Akt, Ein Dorf ohne Dorfältesten
1. Szene:
[Die Bühne ist der Innenraum eines größeren Bauernhauses. In der Mitte hocken die fünf Dorfweisen Manwi, Kigo, Kirane, Bansche und Apfel auf dem Boden um einen kleinen, dampfenden Kessel.]

Kirane:
Nun denn, meine Freunde, der Trauer sollte ab heute genug sein. Zu lange ist das Dorf schon ohne Führung. Wir sollten endlich einen neuen Dorfältesten bestimmen. Vorschläge?

Apfel:
Kirane, stets hast du gute Ideen vorgebracht. Du weißt zu argumentieren und in Krisen sicher zu leiten und anzuführen. Schlage du daher jemanden vor.

Kirane:
Nein, nein, Bansche, an Menschenkenntnis bist du doch uns allen überlegen. Sag uns, wer deiner Meinung nach neuer Ältester sein sollte.

Bansche:
Menschenkenntnis? Das mag wohl sein, doch im Organisieren ist Manwi von uns doch am besten. Also, Manwi – wer soll unser neuer Ältester sein?

Manwi:
Ich? Nein, Kigo kennt jeden im Dorf schon seit Geburt an, hat jeden hier aufwachsen sehen. Deswegen – Kigo, sag uns deine Wahl!

Kigo:
[Pause]
Ihr elenden Scheißkerle! Ich habe es schon immer gesagt und ich sage es wieder: Es ist eine dumme Idee, dass man jeden vorschlagen darf, außer sich selbst. Ihr Mistkerle wollt doch alle selbst Dorfältester werden und reicht das Vorschlagsrecht einfach reihum.

Manwi:
Also so würde ich das jetzt nicht sagen.

Apfel:
Genau, wir wollen schließlich nur das Beste für das Dorf!

Kigo:
Von wegen, das Beste für euch wollt ihr!

Kirane:
Dann schlage du doch jemanden vor!

Kigo:
Gut, dann schlage ich Dimitri vor!
[Die anderen japsen entsetzt auf.]

Apfel:
Dimitri?

Kirane:
Aber Dimitri ist der Dorfidiot!

Kigo:
Ich weiß, genau deshalb schlage ich ihn ja vor.

Bansche:
Aber der Dorfälteste übernimmt praktisch die Führung des Dorfes, Dimitri aber ist nur ein Träumer! Was bringt dich denn aus so eine sinnlose Idee?

Kigo:
Der Kaiser!

Alle anderen:
Der Kaiser?

Bansche:
Warum sollte der Kaiser wollen, dass wir den Dorfidioten zum Ältesten wählen?

Apfel:
Außerdem ist Dimitri erst siebenundzwanzig, er ist noch viel zu jung für das Amt des Dorfältesten!

Kigo:
Dimitri ist Bauer, wenn der noch zehn Jahre lebt, dann hat er verdammtes Glück gehabt!

Kirane:
Aber wir leben keine fünf Jahre mehr! Also – was soll das Ganze mit dem Kaiser?

Kigo:
Wartet kurz.
[Er verschwindet kurz und kehrt dann mit einem dicken Papierstapel zurück.]
Das ist der neueste Erlass des Kaisers. Lest!
[Pause.]

Kirane:
Kigo, du weißt doch, das wir nicht lesen können.

Kigo:
Das hat der Kaiser unlängst sogar selbst mitbekommen. Daher wurde dieser Erlass auch in leicht verständlichen Piktogrammen veröffentlicht.

Manwi:
Na dann…
[Die anderen schauen Blatt für Blatt den Stapel durch, wobei sie immer so etwas wie „aha“ und „oh“ murmeln.]

Apfel:
Jetzt verstehe ich. Der Kaiser will die Kontrolle der Adligen über uns untergraben.

Kirane:
Er will die direkte Macht über uns.

Kigo:
Diese geben wir ihm aber nicht! Soll er doch Dimitri zu seiner Marionette machen, keiner wird auf ihn hören.

Manwi:
Du hast Recht. Ich stimme ebenfalls für Dimitri!

Bansche:
Dann gebe auch ich ihm meine Stimme.

Apfel:
Wir sind das Dorf! Ich wähle Dimitri!

Kirane:
So machen wir es denn einstimmig!

Kigo:
Dann ist Dimitri ab sofort unser neuer Dorfältester. Manwi, stell den Kessel in den Kamin, damit weißer Rauch aufsteigen kann. Ich gehe und hole Dimitri.
[Ab. Manwi nimmt den Kessel und stellt ihn in einen Kaminschacht.]

Szene II:
Manwi:
Kigo benimmt sich merkwürdig.

Bansche:
Wie meinst du?

Manwi:
Ist es euch etwa noch nie aufgefallen? Ich meine, er ist seit mehr als zwanzig Jahren Dorfweiser, aber nie hat er versucht, selbst Ältester zu werden. Findet ihr das etwa nicht komisch?

Kirane:
Jetzt wo du es sagst…Du hast Recht, er schlägt immer einen anderen vor.

Bansche:
Vielleicht liegt ihm ja der Stress nicht.

Apfel:
Was für ein Stress? Er hätte doch nur den Vorstand bei den Dorfversammlungen inne und ansonsten jede Menge Freizeit und viel Prestige.

Manwi:
Und würde er jemals in die Stadt fahren, dann könnte er dieses Prestige und seinen Ruf nutzen, um Weibsvolk aufzureißen!

Apfel:
Hach ja, einmal in die Stadt fahren…

Bansche:
Eine Stadt voller williger, wollüstiger Weiber…
[Alle seufzen.]

Kirane:
Seid still, Kigo kehrt mit Dimitri zurück!

Szene III:
Kigo:
[Er und Dimitri treten ein. Die anderen stehen auf.]
Dimitri, wir haben dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen.

Dimitri:
Soll ich euch eine Tasse Tee machen?

Kigo:
Nein, nein, mein Lieber, wir haben nun endlich den neuen Dorfältesten gewählt.

Dimitri:
Soll ich dem dann eine Tasse Tee machen?

Bansche:
Dimitri, wir haben dich gewählt. Du bist ab jetzt unser Dorfältester.
[Alle außer Dimitri klatschen kurz.]

Dimitri:
Oh Gott, warum das denn? Kann ich einen Tee haben?

Kigo:
Ach, Dimitri, wir haben ganz einfach deine Qualitäten erkannt. Freu dich doch.

Dimitri:
Aber ich will gar nicht Dorfältester sein. Ich bin sehr glücklich als einfacher Teebauer.

Kirane:
Eben – du machst den besten Tee der Welt!

Kigo:
Und weißt du noch was, Dimitri? Du darfst in die Stadt fahren!
[Die anderen Weisen starren ihn entsetzt an.]

Manwi:
Was? Warum darf der in die Stadt? Nie hatte ein Ältester Gelegenheit in die Stadt zu fahren!

Bansche:
Genau, die Stadt ist furchtbar!

Kirane:
Und voller Übel!

Apfel:
Nur Gesindel und Pack lebt dort! Die Stadt ist ein Moloch. Dimitri, fahr nicht!

Manwi:
Genau, lassen wir lieber einen der Ältesten fahren. Warum eigentlich?

Kigo:
[Er holt ein zerknittertes Stück Papier aus seinem Mantel und reicht es den anderen.]
Scheib, der Innenminister wünscht den neuen Dorfältesten persönlich zu sprechen und lädt ihn in die Hauptstadt ein.

Manwi:
[Er überfliegt den Zettel.]
Inklusive Audienz beim Kaiser?
[Er reicht Dimitri den Zettel.]

Dimitri:
Das kann ich nicht lesen. Es ist in Piktogrammen geschrieben!

Kirane:
Er ist halt doch ein Idiot. Nicht einmal lesen kann er! Und so einer darf in die Stadt.

Dimitri:
Ich kann lesen. Geschrieben Wörter, so wie in Büchern. Aber keine Piktogramme!

Bansche:
Pah, du glaubst nur, dass du Bücher lesen kannst!

Dimitri:
Ich glaube es nicht nur, ich weiß es!

Bansche:
Ha – das weiß ich sicher zu widerlegen! Du kannst sie gar nicht lesen können, weil da gar keine Piktogramme drin vorkommen tun.

Kigo:
Seid still! Dimitri, morgen wirst du abreisen und in die Hauptstadt fahren. Dort triffst du den Innenminister; und sobald er Zeit hat, den Kaiser.

Dimitri:
Und was will der Kaiser von mir?

Kigo:
Das geht aus dem Brief nicht hervor. Doch höre, Dimitri, sei wachsam! Sage nie ja zu seinen Vorschlägen, sondern versuche stets gekonnt auszuweichen!

Kirane:
Ach, das bringt doch nichts, schließlich ist er ein Idiot! Lass lieber einen von uns in die Stadt gehen.

Bansche:
Genau, einer von uns sollte gehen. Ich stelle mir freiwillig zur Verfügung.

Dimitri:
Okay.

Kigo:
Nichts ist okay! Dimitri, nur du allein wirst gehen!

Dimitri:
Aber ich denke, die Stadt soll so grausam sein, ich bin doch gar nicht darauf vorbereitet. Und was wird aus meinen Teefeldern?

Kigo:
Das erledigen wir dann schon. Bleibe du nur stets höflich und am besten so kurz wie möglich. Und komme ja nicht mit dem Gesetz in Konflikt! Andernfalls erwartet dich…die Bastion!
[Ein dramatischer Ton ertönt und Dimitri schaut irritiert durch den Raum. Die anderen Weisen verbergen vor Schreck ihre Gesichter in den Händen.]

Dimitri:
Die Bastion? Was ist das?

Manwi:
Die Bastion ist die Hölle auf Erden, das Gefängnis des Kaisers. Hier kommen alle politischen Häftlinge an und das einzige, was ihnen noch bleibt, ist das langsame Dahinsiechen in den Tod. Jahr über Jahr!

Dimitri:
Oh Gott, da will ich nicht hin!

Kigo:
Hört endlich auf damit! Dimitri, pack jetzt dein Zeug, morgen fährst du mit dem Postwagen zum Bahnhof und ihr vier seid endlich still! Komm, Dimitri, ich bringe dich noch kurz raus.
[Er geht mit Dimitri ab.]

Szene IV:
Manwi:
So ein Mist! Wieso darf der Dorftrottel in die Stadt fahren und wir nicht?

Kirane:
Jetzt ist er Dorfältester und wird mit seinem Ruf ein Weib nach dem anderen kriegen.

Bansche:
Und wenn wir dann mal in die Stadt fahren, sind nur noch Reste übrig.

Apfel:
Ich will aber keine Reste!
[Pause.]
Ihr wisst, was das heißt.

Kirane:
Dimitri muss sterben! Dann wird sein Platz auch wieder für uns frei und einer von uns darf dann in die Stadt.

Apfel:
Und dann gibt es Weiber!

Alle:
[Sie seufzen.]
Weiber.

Szene V:
Kigo:
[Er kommt zurück und schaut die anderen misstrauisch an.]
So, lasst ihr wenigstens ihn in Frieden?

Kirane:
Was meinst du?

Kigo:
Ach kommt schon. Sicher plant ihr bereits wie man ihn am schnellsten Abmurksen kann.

Apfel:
Wie kommst du nur darauf?

Kigo:
Weil ihr selbst am liebsten Dorfälteste sein wollt und automatisch jeden umbringt, der euch diesen Amt wegnimmt. Gäbe es nicht die Regel, dass wir nach dem Tod des Ältesten einen Monat trauern, wäre das das Dorf wahrscheinlich binnen eines Jahres leergefegt!

Kirane:
Das kannst du nicht beweisen!

Kigo:
Ich war dabei, als du den letzten Ältesten ermordet hast!

Kirane:
Das war Notwehr und du weißt das ganz genau! Er ging mit einem Messer auf mich los.

Kigo:
Notwehr? Der Mann was Schleifer und hat dir dein Brotmesser zurückgebracht.

Kirane:
Aber das tat er in einer sehr gefährlichen Pose!

Kigo:
Er hat die das Messer mit dem Griff voran hingestreckt. Was war daran denn gefährlich?

Kirane:
Er hätte mich ja mit dem Holzgriff hauen und mir so eine böse Beule zufügen können.

Kigo:
Du hast ihn erschossen!

Kirane:
Ich sagte doch, dass ich ihn Notwehr gehandelt habe!

Kigo:
Okay…selbst wenn es denn Notwehr gewesen wäre – warum habt ihr drei dann auch auf ihn geschossen? Apfel, du hattest sogar eine Motorsäge dabei.

Apfel:
Man weiß nie, wozu man mal eine Säge brauchen könnte.

Kigo:
Ach, und wo ist sie dann jetzt?

Apfel:
In meinem Schuppen. Sie ist stumpf geworden, weil wir plötzlich keinen Schleifer mehr hatten.

Manwi:
Unerhört von ihm, einfach so das Dorf zu verlassen! Hätte er wenigstens ein hübsches Weib hinterlassen.

Kigo:
Dorf verlassen? Dorf verlassen? Vier Kugeln von euch haben sich in sein Gehirn eingebrannt. Aus dem Leben ist er geschieden. Das hat er verlassen!

Kirane:
Ich denke, und da bin ich hier wohl nicht der Einzige, dass du da gerade aus einer Mücke einen Elefanten machst.

Bansche:
Genau, du überreagierst einfach, Kigo. Unfälle passieren, Menschen sterben. Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Versuche nicht, dagegen anzukämpfen, denn es bringt nichts.

Kigo:
[Pause.]
Gut, was soll ich mich unnötig aufregen? Ich werde also in Ruhe nach Hause gehen und noch etwas Holz für den Ofen hacken. Ach ja, und sollte Dimitri das Zeitliche segnen – was ja einfach nur natürlich ist – dann werde ich bei der nächsten Wahl zum Dorfältesten wohl für dich stimmen, Kirane. Tschüß.
[Ab.]

Szene VI:
Kirane:
[Er lächelt selig, während ihn die anderen mit starrem Blick fixieren.]
Er…will mich vorschlagen? Oh Gott, das muss gerade der schönste Moment in meinem Leben sein. Was schaut ihr denn so?

Bansche:
Du – als Nachfolger von Dimitri?

Kirane:
[Er schaut erkenntnishaft auf.]
Oh…deshalb wollte Kigo also nie Ältester werden. Leute, wie wäre es denn, wenn wir Dimitri möglichst lange am Leben lassen? Das wäre doch mal etwas Neues.

Manwi:
Du bist alt, Kirane. Lange wirst du wohl nicht mehr leben, da wäre es doch quasi ein letzter Höhepunkt, wenn du unser Dorfältester wirst.

Apfel:
Und sei es auch nur für einen Tag oder so…

Bansche:
Glaub uns ruhig, wenn wir sagen, dass wir dir das von Herzen gönnen.

Kirane:
Ha – ich werde euch zuvorkommen! Nächstes Mal schlage ich dich zuerst vor, Apfel!

Apfel:
Moment Mal, das behagt mir jetzt aber gar nicht. Dann bin ich schneller und schlage Bansche vor!

Bansche:
Von wegen! Ich werde zuerst für Manwi stimmen!

Manwi:
[Er zieht eine Pistole und zielt auf Bansche.]
Das wagst du nicht!

Bansche:
[Er zieht ebenfalls eine Pistole und zielt auf Manwi.]
Wollen wir wetten?
[Alle anderen ziehen auch ein Pistole und zielen nun wahllos aufeinander.]

Apfel:
Irgendwie läuft das gerade ganz komisch.

Manwi:
Wir sind wohl mal wieder an einem toten Punkt angelangt.

Kirane:
Freunde, denkt doch mal an den wahren Übeltäter! Kigo hetzt uns gegeneinander auf. Er ist das wahre Übel zwischen uns.

Manwi:
Du hast Recht. Es wird Zeit, dass er das Zeitliche segnet.

Apfel:
Genau, seine Zeit ist abgelaufen!

Bansche:
Zeit wird es ja.

Kirane:
Dann lasst uns überlegen, wie wir das beizeiten klären können!

[2. Akt Ende.]


Anmerkung von Dart:

Wieder einmal bitte ich um ausführliches Kritisieren ;)

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (29.06.10)
Viel zu verplappert. Dann wird es plötzlich doch noch spannend ("wolllüstige Weiber"), aber dann durch Teemachen gleich wieder abgewürgt.

 Dart meinte dazu am 29.06.10:
Hm, danke :)
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