Graubart

Lyrischer Prosatext zum Thema Alter

von  ViktorVanHynthersin

Grau ist mir der Bart geraten,
doch noch habe ich alle Zähne.
Das Revier ist mir gestohlen worden
und so lief das Rudel mir davon.

Schnee fällt von Jahr zu Jahr früher
Winter werden kälter, Nächte länger,
Gemüt und Gedanken färben dunkler,
und unsere Patrouillen werden kürzer.

Doch du bist bei mir treu geblieben,
immer noch bin ich dein Alpha.
Was du mich lehrtest hat Bestand
und wird es bis zum Ende haben.

Du bist mein mutiger Jagdkumpan,
mein ergebener Schatten, meine Spur,
Flankenschutz und Fährtenleser,
meine Rat- und Taktgeberin.

Der Blick der jungen Wölfinnen
ist ein wärmender Sonnenstrahl
auf meinem zerzaust lausiges Fell,
aber kämpfen werde nicht um sie.

Die jungen Dinger haben Angst
vor den dunklen kalten Wäldern,
den end- und mondlosen Nächten,
dem kärglichen Mahl des Alters.

Die jungen Rüden werden stärker
zollen uns immer weniger Respekt
Ihr Heulen ist heller, klarer,
aber nur meines erreicht den Mond.

Jungtiere ertrage ich nicht mehr,
ich würde sie sofort wegbeißen.
Zu gerade ist unser Weg geworden,
den ich mit dir zu Ende gehen will.

Wir haben keine Welpen gezeugt,
unsere Blutlinie wird aussterben.
Unser Rudel zog weiter, ohne uns.
Und das ist gut so.

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Kommentare zu diesem Text

Nicola (80)
(24.10.10)
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 sensibelchen13 meinte dazu am 24.10.10:
ich möchte mich da dem Kommentar von Nicola anschließen.
Wirklich beeindruckende Zeilen, lieber Viktor.
Lieben Gruß in den Sonntag
Helga
chichi† (80)
(24.10.10)
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seelenliebe (52)
(24.10.10)
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Gitana (41) antwortete darauf am 24.10.10:
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Herr_Beil (49)
(24.10.10)
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 irakulani (25.10.10)
Lieber Viktor,

mit dem „Graubart“ ist dir ein Werk gelungen, das für sich spricht. Wir alle müssen uns mit dem Thema Alter und den schwindende Kräften auseinandersetzten, Mensch wie Tier. Wie gut, dass der ergrauende Wolf die Gefährtin an seiner Seite weiß!

Immer wieder gern gelesen. Bitte mehr davon!

Liebe Grüße u. einen guten Start in die Woche,
Ira
Manu (56) schrieb daraufhin am 25.10.10:
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 FRP (26.10.10)
Gelungen und sehr beeindruckend, Viktor.
Einzig die Vierzeiler-Form würde
ich tauschen gegen eine reine prosaische,
aber das ist private Ansichts-Sache.

hier die Musik dazu, eine andere
Wolfs-Story:

http://www.youtube.com/watch?v=Q4SeEHSKZL8

Grüße von Akira
SigrunAl-Badri (52)
(28.10.10)
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jamalfarid (44)
(29.10.10)
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träumerle (55)
(02.11.10)
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Skandia (43)
(12.11.10)
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 Jorge (15.11.10)
Erst dachte ich - ein Rentnertext.
Mit allen Zähnen - da kam die Bewunderung.
Am Ende dann hat mich dein "Graubart" in der Tat berührt,
deshalb hab auch ich ihn favorisiert.
LG Jorge

 EkkehartMittelberg (18.11.10)
Ich habe schon vieleTexte über das Alter gelesen, aber noch niemals einen so bildstarken mit dem Metabild des Graubarts. Mit dem Gedicht ist dir inhaltlich eine Oxymoron gelungen; denn es ist melancholisch und tröstend zugleich. Chapeau, lieber Viktor
LG von Ekki

 moonlighting (29.12.10)
Lieber Viktor,
dein Graubart ist ein ausdrucksstarkes Gedicht....besser kann man es nicht schreiben.
Ich finde es Erstklassig.

LG
Moonlight
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