Major Depression

Kommentar zum Thema Feigheit

von  theatralisch

Ich nehme in meiner Rohfassung viele Gestalten an, um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren: Beispielsweise bin ich der junge Ville oder mein Geliebter oder gar mein Vater, wie er dort steht, mit seiner Hochwasserhose, mit dem Schirm neben ihm auf dem durchnässten Boden als Stütze, ein Fuß schräg vor den anderen gestellt, Blick nach oben gerichtet; manchmal auch die Finger im Rücken eingehakt oder eine Hand die Jacke um den Bauch herum zurückhaltend - an den Körper drückend.

Vielleicht will ich damit sagen: Ich weiß, was Fantasie ist. Zum Beispiel jemand zu sein, der man gar nie sein kann. Denn diese Personen sind allesamt existent. Fantasie ist Kopfsache und mancher kann so gut mit ihr umgehen, dass sie zur Paranoia wird und richtige, wie man glaubt, Gestalten annimmt. Die Paranoia wiederum wird dann zur Major Depression, also zur ganz großen Depression, weil man sich nur unterbewusst Glauben machen kann oder darüber im Klaren ist, dass die Gestalten, die der Fantasie und gleichermaßen der Vergangenheit entspringen, nur Hirngespinste sind.

Das wäre die Begrifflichkeit „Fantasie“. Man hat es hier mit einer Erfindung zu tun, die verschiedene Rückschlüsse zulässt - eben zumeist auf die nostalgische Einstellung des Bittstellers: Jemand lässt zu, vom Pfad der Realität abzukommen. Zwischenzeitlich lernt dieser Jemand Menschen kennen, die er zu schätzen weiß, aber in seiner Vorstellung nicht zu schätzen wissen darf. Also greift der Bittsteller zur imaginären Waffe, richtet diese gegen sich selbst und ergreift somit erneut nicht das wütende Wort - was nützlich gewesen wäre, um sich selbst einzugestehen, dass man nicht zur Kategorie der Feiglinge gehört. Denn Kategorien gibt es höchstens zwei: Feigheit und Courage.

Erstere sind beinahe überall anzutreffen, doch deshalb quasi unsichtbar bei der verdeckten Ermittlung. Etwas, das wir alle teilen, ist nichts Abtrünniges mehr, sondern eine Bereicherung, eine Zurschaustellung der eigenen Rasse - nein, etwas Ordinäres.

Was ich noch sagen kann, geht unter im Geschrei der Vögel hier im Hintergrund. Sie rufen gen Süden, weil sie nicht dumm sind und tun, was sie tun können, um der eisigen Kälte zu entfliehen. Wo auch immer du bist: In dir.


Anmerkung von theatralisch:

Was für ein Sonntag, falls heute Sonntag ist. Wenn nicht, dann nicht.

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Kommentare zu diesem Text

EliasRafael (50)
(04.01.11)
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 theatralisch meinte dazu am 04.01.11:
Wie man sie einzusetzen weiß: In meinem Fall glatter Totschlag; aber ich weiß um deren vernichtende Wirkung. Bei anderen eben etwas wie Zuflucht - ein Ort des Vergessens, kompensieren beinahe ausschließlich deshalb, ein Abwehrmechanismus, um ungeschehen zu machen, eine deprimierende Haltung eines Menschen, die er bis zum Tode beibehalten wird, weil die Regeln altbewährt sind - man ist Feind und Freund in einem: Auf der einen Seite macht man sich nieder, weil man nicht einschlafen kann; andererseits macht man andere nieder, weil man glaubt, dann einschlafen zu können.

Henry Miller scheibt gerne mal etwas wie: "Was immer man tut..." Eben was immer man tut, ist wertlos. Deshalb kann ich nur schreiben, aber nicht handeln. Mein wirkliches Ich findet Zuflucht in den Texten, doch was macht das schon. Alles ein Widerspruch in sich, denn Tote fluchen nicht und so weiter.

Man könnte vieles hinzufügen, zum Beispiel: "Feigheit und Courage als einzige Kategorien in ebendieser Bewertung."

Ich kann nicht mehr denken und auch sonst kaum etwas. Muss davon abkommen, mich zu vergleichen, meine Mutter wichtig zu nehmen und so weiter. Das macht mich nämlich total fertig und sowas von müde. Diese beschissene Abhängigkeit für den Freiheitskämpfer...

Der Text ist ein Gedankengang, wie sooft. Ich denke ja so viel und doch geht alles unter, ehe es überhaupt von Bedeutung, Relevanz war.

Mein Kopf ist so ein verfluchter Menschenfeind. Das kann sich niemand vorstellen. Da sitze ich und denke im gleichen Atemzug an Freiheit, meine Mutter, Liebe, Courage und so weiter. Was macht es? Es macht ein uferloses Nichts aus mir. Also nicht gut, also doch etwas tun? Also vielleicht.

Mich bringt nichts mehr aus der Fassung, auch das ist nicht gut. Da mache ich mir nicht einmal ernsthafte Gedanken darüber.
(Antwort korrigiert am 04.01.2011)
EliasRafael (50) antwortete darauf am 04.01.11:
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 theatralisch schrieb daraufhin am 04.01.11:
Ich bin 22 Jahre alt und verpenne Silvester, also Mitternacht eben.
Gerade jetzt bin ich auch recht müde - sowie die zurückliegenden und darauffolgenden Stunden. Hiermit kompensiere ich: nichts tun zu müssen.

Schlafende Kinder weckt man nicht. Oder so ähnlich.

Naja, damit sind ja nicht nur die Vögel gemeint. Auch die Menschen flüchten ins Warme.

Tja, auf nem Selbstfindungstrip wie n Fünfzigjähriger. Das wiederum finde ich geradezu ekelerregend. Beruhigend, das abschließend sagen zu können, denn das ist immerhin ein Gefühl! Ernsthaft: Sehr beruhigend.
(Antwort korrigiert am 04.01.2011)
EliasRafael (50) äußerte darauf am 04.01.11:
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 Fuchsiberlin (04.01.11)
Gedanken können sich verirren, Lösungen suchen und/oder finden, selbständig ihre Wege gehen oder amputiert in Zwängen enden, Ampeln der Entscheidungen auf Grün stellen, in gefühlten Kreuzbahnen umherirren, fantasievoll schweben oder belasten und und und... Die Fantasie als Produkt der Gedankenfabrik. Schützend oder schwächend? Oder Beides?

"Major Depression", wer ist der "General"? Gedankenbahnen der Endlosigkeit, auf denen die Fantasie als Baumeister fungiert?

Ganz liebe Grüße
Jörg

 theatralisch ergänzte dazu am 04.01.11:
Die Fantasie ist hier im Grunde genommen wie ein Irrtum zu betrachten, denn Fantasie ist ja etwas nie Dagewesenes: Kobolde zum Beispiel.

Alles, was schon einmal war, ist nur Verdrängung. Verdrängung pur im Glas.


Sgd.
I.
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