Rotweinlippen auf meiner Stirn, Goldfische tanzen nicht.

Erzählung zum Thema Erinnerung

von SunnySchwanbeck

Erinnerst du dich noch an den kleinen, grünlichen Teich hinter Großmutters Haus? Mit den schillernden Goldfischen. Ich glaube ich hab dich dort einmal geküsst. Auf die Stirn.
Ich glaube es war ein Abschiedskuss, damals. Hinter Großmutters Haus, beim kleinen, grünen Teich mit den Goldfischen.

Wir saßen dort früher schon, als goldener Dunst von Sonnenuntergängen uns umhüllte und wir stibitzen Wein tranken. Wir tranken uns das Herz puterrot und lachten laut. Ich glaube wir lachten so laut dass die Goldfische tanzten.
Du hattest nie besonders schönes Haar. Es war matt und strubbelig, aber für mich war es ein Stück Zuhause. Ich vergrub mein Gesicht darin, suchte nach Schätzen glaube ich. Ich erwartete Wunder auf deiner Haut. Ich dachte sie würden sich auf meine Zunge legen und ich könnte mich an den Geschmack erinnern. Doch ich vergaß.

Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich an so vieles Bedeutungsloses. An die Trauerweide, in die du unsere Namen kümmerlich klein hineingeritzt hast, an die rote Bank, von der die Farbe abblätterte, die an der Backsteinmauer.
Die quietschende Schaukel, auf der du mit geschlossenen Augen standest und dir das Haar aus dem Gesicht wehen ließt.
Und doch erinnere ich mich an keinen Sonnenaufgang, den wir teilten. An keinen Vollmond, den wir zusammen bewunderten.
Denn wir kannten den Schmerz der Welt nicht, dort oben auf unserer Wolke, wo es nicht einmal Regen gab. Für uns gab es keinen Mond. Nur die Sonne vor’m Untergehen.

Ich glaube du hast den kleinen, grünlichen Teich hinter Großmutters Haus vergessen.
Sogar die schillernden Goldfische kennst du nicht mehr.
Ich glaube der Abschied damals war für immer.
Wir wussten es nur nicht.