Du hast gelogen, Alice. Zeit rinnt nicht aus aufgeschnittenen Armen.

Text zum Thema Sterben

von  SunnySchwanbeck

Meine Wohnung ist voller Uhren. Kleine, große, alte, neue. Sie singen mich mit ihrem rhytmischen Ticken in den Schlaf und begleiten mich in meiner Angst zu wenig Zeit zu haben.

Doch wenn du im Bad liegst, dein Kopf gefriert und dir das Leben langsam aus den Armen strömt lachen dich die Uhren hämisch aus, sie verspotten dich. Dafür dass du all das zurück lassen willst, dafür dass du da so liegst und nicht recht weißt ob du Angst haben sollst. Sie quälen dich mit ihrem endlosen Lachen und zwingen dein Herz im selben Rhythmus zu schlagen. Und es funktioniert.
Du liegst da, kraftlos. Und dein Herz tickt, du weißt nicht ob es eine Bombe in deiner Brust ist die dir gleich den Brustkorb sprengt, oder ob es einfach eine weitere Uhr ist die mit dem Zeiger auf dich zeigt und dir sagt „Das war’s, Liebes.“ Denn du bist nicht das weiße Kaninchen, so sehr du dir auch ein Loch wünscht in dass du dich verkriechen kannst, entfliehen willst in eine andere Welt, das einzige Loch was sich auftut ist das in deiner Brust. Und du bist hier nicht im Wunderland wo du isst und kleiner wirst, nein du isst und wirst größer, größer und größer. Du nimmst zu viel Platz ein und wirst zum Planeten. Ein einsamer Planet ohne Monde und ohne Sonne. Du bist kalt und rund und einsam und es gibt keine „Trink-mich“-Flasche die das ändern könnte.
Also wird es eine Bombe sein, sie wird dir die Rippe wegsprengen, sie werden verstreut im Bad liegen und irgendwo wird dein Herz landen, neben dem Spülbecken oder in der Badewanne. Vielleicht fliegt es geradeaus in die Toilette. Man muss es nur noch runterspülen und es wäre als hätte es nie geschlagen. Als hätte es nie gekämpft für nur ein bisschen mehr Zeit.

Du fragst dich also was als nächstes passiert. Ob du gleich einen endlosen Gang hinunter fällst oder ob dir die Brust explodiert.
Während du langsam die brennenden Arme in den Eimer wuchtest, damit sie nicht das ganze Bad fluten, wird dir klar wie kalt du geworden bist. Du bist erfroren. Du liegst auf deiner Fußbodenheizung und dir friert dein Körper weg. Du bist gar nicht da. Ein Eisklumpen, mehr nicht. Und in deinem Kopf ist alles eingefroren was dich zum schreien bringen könnte, es ist alles unter schön glitzerndem Eis gefangen. Deine Gedanken fahren Schlittschuh, drehen sich und springen, tanzen förmlich in eisiger Kälte bis sie einbrechen, ins schneidende Wasser. In die Realität. Ihre schönen glitzernden Kostüme werden nass, sie verschwinden mit gurgelnden, erdrückten Schreien in deinem See und du kannst nichts tun, du konntest nie etwas tun, denn ihre Zeit war gekommen.
Und wenn du keine Gedanken mehr im Kopf hast, nichts was dir zeigen könnte dass es da draußen Wärme gibt und Uhrenfreie Wiesen, dann schließt du die Augen. Zählst die Sekunden und das einzig warme ist der brennende Schmerz auf deinen Unterarmen, doch er ist versiegt ehe die Uhr zur vollen Stunde schlägt.

Bevor du gingst hatte ich digitale Uhren, die mir zeigten wie viel Grad es draußen warm war, welcher Tag heute war und die mich weckten damit ich pünktlich in die bunte Welt eintauchen konnte. Meine Gedanken schwammen in einem warmen Meer voller Fragen die gar nicht alle beantwortet werden mussten, sie sprangen von Türmen und machten Köpper. Sie ließen sich umspülen und genossen das Salz auf ihrer Haut.

Als du fort warst wurde mir klar dass es nicht die Einsamkeit war, die ich nicht ertrug, sondern das Ticken.
Der Schrei der Zeit der sagte „Du musst noch durchhalten, Herzchen.“


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

hachiko, was waren seine worte an dich als du versuchtest dir zeit aus den rippen zu schneiden?
was sagte er, hachi?

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Revolvermann (24)
(01.02.11)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram