Hommage an Caspar David Friedrich

Gedicht

von  Georg Maria Wilke

Du -
Schweigender –
Traumversunkener -
hast deine Einsamkeit in die Seele deiner Bilder gemalt:
  Häfen, Berge, Seen, Ufer, Strände,
Landschaften mit vergessenen Ruinen –
hast den Schmerz der Einsamkeit gelitten.
  Ferne Welten entstehen im Spiegel deiner Sehnsucht,
der Schleier fiel von Naturas Angesicht,
  durch den du Gott geschaut.
Dein Seelenschmerz, lautlos,
  gestrandet auf dem Sepiagrund
der Leinwand, mit eigener Hand gespannt.

Der Hafen von Greifswald,
  eine Silhouette, nebelnah
und der Mönch, der zum Meer
  der tausend Tränen betet,
Welle schmiegt sich, Berg und Tal,
  Fernweh zieht durch deine Seele,
die die Nähe einsam macht, zur Qual. –

Zeit pocht unermüdlich an dein Lebenstor,
  zarte Ahnung – doch kein Wissen –
hebt den Wunsch in dir empor:
  das Schweigen zu verwandeln.

Du hast die Stille aufgemalt,
  dem Schweigen Farbe und Kontur gegeben,
die Schöpfungsmelodie offenbart
  in der sprachlosen Natur,
du gabst ihr Leben,
  ein leises Sehnen, ein zartes Suchen,
es lodert dort der tiefe Schmerz,
  den dir dein Schicksal schlug,
die Wunde ist die Frage nach dem Gotte,
  die die Seele nicht ertrug,
  der die Natur von Anfang an beseelt,
zu dem der Mensch insbesondre zählt.

Die Worte für deine Einsamkeit
  hast du in Farbe verheißungsvoll gebannt
und Wellenspiel erstickt den leichten Odem,
  ein jeder Atemzug erfasst die Endlichkeit.
Es reiht sich kein Stern am müden Himmel,
  Sternbild wird Vergessenheit
und Galaxien unantastbare Weiten,
  die ausgebrannt an fremde Ufer fallen
du malst sie neu, die Ferne,
  die Nähe, die schon greifbar scheint,
sie flieht zurück in deine Seele.

Die Landschaft, ein schlafender Kranich,
  weit gestreckt das Flügelpaar,
von Horizont zu Horizont –
  die Endlosigkeit scheint so fassbar nah.

Dein Seelenschmerz versagt dem Du
  das Gegenübersein mit seiner Wärme,
verloren ist das Bild von zarter Nähe.
  Du bist dem Mond ergeben,
als wäre das fahle Licht das Leben
  Artemis Angesicht schenkt kühle Nacht
ihr fahles Licht fällt in Falten, schwer,
  wie Damast auf kalten Grund,
das dunkle Blau ist nur zu ahnen.
  Die einsame Ruine verblüht auf dem Berg
wie eine verdorrte, vertrocknete Rose
  in den untergehenden Tag.

Von Ferne ruft die Stille, zaghaft,
  aber fordernd, sie will die Einsamkeit
auf gebeugtem Rücken tragen.
  Fichten wurzeln auf kargem Grund,
braun die Erde, grau Geröll und Stein,
  als warten sie auf Erlösung, allein
der harte Grund bleibt hart,
  das Kreuz im Baum weist helle Wege,
heilige Wege der Natur,
  die im Innern heilsam leuchten.

Du malst die Seele der Natur,
  die früh verloren ging,
doch Bild um Bild schaffst du ein neues Antlitz nur,
  verwaist sind alle Wege Gottes,
als feine Seelentriebe sprossen sie in deiner Welt.

Die Seele sucht, wenn sich der Zweifel regt,
  nach dem Geheimnisvollen, dem Rätselhaften,
das sich erstreckt in der Natur,
  doch leider findet oft der Mensch
nur Gottes oberflächliche Spur,
  die eingraviert ins Leben.

Du hast den zarten Klang,
  den Namen der frühen Schöpfung,
auf deiner Leinwand mit Farbe und Firnis bewahrt
  doch du begehrtest nur Gottes Nähe
in der schweigenden Natur.

Wenn all die Sehnsucht zu dir spricht
  mit namenlosen Worten und nur
ein Bild die Wahrheit fassen kann,
  so hast du - (Caspar David Friedrich) -
nicht Wort gefunden,
  nur ein Bild geschaffen
in dem die Sprache schweigt
  und sich das Göttliche im Schweigen zeigt.


Anmerkung von Georg Maria Wilke:

für meine Tochter Ana Faye, die dieses Gedicht ausgewählt hat.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (42)
(13.06.11)
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Bluemchen (40)
(13.06.11)
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 Songline (13.06.11)
Wow. Wenn ein Text Caspar David Friedrichs Bilder zu erfassen vermag, dann ist es dieser.
Helix (39)
(13.06.11)
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SigrunAl-Badri (52)
(14.06.11)
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