Narrāta refĕro oder Über die Physiokratie der Seele

Text

von  Akzidenz

[..] Eine jede Verneigung ist das Heiligwerden einer Welt.


Über das seelisch Unerreichte (Apeiron)[/b]

Über die Quellgeister ist zu sagen, Ich möchte sie, anders als Descartes, auch im Tiere angesiedelt wissen. Denn der tierische Sensualismus muss ein solch göttliches Gespann umfassen, dass, wie wenn wir nach den Blitzen sehen oder auch nach den Zyklonen, wir sie nur augenscheinlich in Betracht nehmen- jedoch b e i  L e i b e schwer vertragen können. So ist das Naturgesetz der Tier- und auch der Pflanzenseele einem gänzlich anderen Fidential entsprungen, als das unsere; denn wie schon der Körper dieser Kreaturen zeigt, dass er ohne weiteren Behülf zu gänzlich viel anderem imstande ist, als wofür menschliches Geschick nicht herdiene und die Erfindungsgabe einfordert, so missverstehen wir die Bewegung einer tierischen Seele gleichwie die Beherrschung ihrer Körper. Drum schließlich fehlet es dem Tiere auch an Kunst, an Artefakt, und größeren Schönheiten von Sprache bis Buch. Und also muss die Seele des Zôon, die Seele der Schlange, der Herpetonen, die Seele des Hundes - den Ich, da er freilich den Besseren Menschen insich hat, im Übrigen für sehr weise halte - selbst die Seel der Cölenteraten, die der Mollusken zu einer ebenso unterschiedlichen aber unverkennbaren Bewegung fähig sein, die ihnen die Kunst ersetze, da gleichso doch ihr Körper, was unsere Hybris nicht zu leugnen vermag, wennschon nicht wie der menschliche, eine doch ebenso realistische Bewegung vollzieht.

Deshalb ist jene tierische Kínesis, über die der Mensch, weil er woanders ausgeboren und anderen Sporen emanierte, gar nicht mächtig ist, vollkommen so unabdingbar, wie die Annahme einer ganz anderen, aber damit nicht abgeschlossenen Afferenz, über die zu urteilen unser Sinn weder ihren Geist noch ihren Leib empfindet.

[..] . . und spiegelverkehrt verwalte Ich das Ganze mit den Göttern.


Über die triploide Geometrie von Geist, Seele und Leib[/b]

– Auch sind in der menschlichen Seele nicht bloß so viele Abgründe wie feste Böden angesiedelt, die sie uns schmecken machen: die Zier der Morgenammer, die laue Furchbarkeit der Nacht, sondern im gleichen Ausmaß sie beherbergt: Grade der Helligkeit, die Farben von Blut, von Essig, von Umwegen, Säure, die Barythmie, lohe Fensterläden gleichviel wie vorsichtige Spuren von Dingen und Gemütern. Also was drohet der Seele aber nur immer eine andere, seelenähnliche Behauptung von Dingen, in der wir Größe und auch Kleinheit wahren! Weshalb barmet sie doch immerwie aus einer vielmehr schlechten Sicht heraus, nur die galligsten und schönsten, festen und weichesten Teile von Seelen zu finden, aber niemals die erdlosesten, sogleich wir den Seelen gegenüber? - dies beruhet eben auf dem Wissen, dass die Physiologie der Seele, weil sie zwischen Körper und Geiste gelegen, aus der Enantiodromie (Gegenlauf) der körperlichen und der geistigen Konstituentien erwachsen ist, und so sich ihr Wirkungsfelde einer ebenso körperlichen Vorschau von noetischen wie leibhaftigen Erscheinungen zu beugen hat, die gerade von ebenso viel Mucus und Blut, dem durch den Körper durchsengten Dinge bewegt sind, wie sie vom Gegengewichte der geistig, göttlichen Berührung behaucht.
Darum ist die Seele die psychophysische Natur der Dinge und concursus dei: denn sehen tut sie, wie im Traume, ganz organ, aber atmen vom Geistigen, das sehen in Gott.

(Über die Trichotomie)
Weshalb sie also den Konnex zwischen Geist und Körper bildet, ihre Quidditas ineins vom Organe enthäutet und vom Aither des Geistes gefüllet, sie also das Zwischending von allen jenen Kräften vereinet, ihre Geometrie aus diesem Grunde nur vom Weichen in das Feste und vom Schönen wieder zum Derben und also vom Körper zum Geiste oder umgekehrt nur neigen kann, da sie in der Mitte ebenjener Extremitäten verweilet: wie wir die Beine im Meere und den Kopf in der Luft haben, so wir doch - coincidentia oppositorum - die Wassermarke nicht zur Stelle zählen.

Gleichwie der Körper etwa, wenn er in nächster Nähe mit dem Geiste unbewegt ist, dem Schlafe verfällt, so findet doch die Dependenz der Seele zwischen jenen ihren Platz im Traume, indem sie die Funktionen des Körpers als in denen des Geistes entspiegelt und flüster und sie weiterzulaufen veranlasst; weil hier aus Kräften von zweierlei Teilen (Körper und Geiste) der menschlichen Trinität in das Einfache (Seele) gebogen wird, vollziehet auf die ähnliche Weise die Kraft der Seele ihre Koaleszenz mit der des Geistes und der des Leibes, deren Perzepte sie verbindet. Da zwischen letztgenannten Gegenkräften die Homologie (oder auch Harmonie) in der Seel angestammt ist, besitzt die Seele selbst den herkünftlichen Hang zum Gegenteile: und so sie unterscheidet, die sie im Jenseits beider Erzieher, in der Wassermarke lieget, zwischen den Tiefen und Höhen, dem Wohl und dem Übel und schlussendlich zum Unterschiede. Da aber die edleren Gegenstände der Seele unter Kuratel des Geistes- die organischen dagegen unter der des Körpers stehen, ist sie schmeichlerischer und schönfärberischer Natur.
Sodann wir also den schwierigen Verbrauch von Seelendingen und katathymen Gewässern auf die handfesten Grenzen und Gesetze des Körpers zu übersiedeln versuchen oder sie uns den kraftvollen Gedankendingen des Geistes anzutrauen belieben, wird ihre Mischung T h y m o s, und alsdann Unvereinbarkeit von Menschenlieb und Traume sein.


Über die Traumgegend von Seele und Moral[/b]

Die Moral ist der leiseste Verdacht der Seele. Es zeiget uns das Phänomen des Nachtschaden, des Albdruckes, des pavor nocturnus, wie viele Kräfte aus der Endlichkeit aber noch die Unendlichkeit zu untergraben vermögen: denn sowie wir in den Träumen sind, dringet die Seele mit all ihrem Sinne in die Beschauung der Äternität. Gleichso es der Geist in den mundus archetypus treibet, um sich vom Schwergewicht der Mundanitäten zu erholen. Die Unendlichkeit ist, wider ihren Anschein, nunmehr aber Inbegriff alles Guttuenden und Unvermögenden des Sterblichen, denn sie waltet ohne Zeit und Zunft und ohne Tod - so sie gemahnet nicht die überlebenden, dem Tod entgegenstrebenden Kräfte des Menschen und damit des Lebens, sondern die unmittelbaren und unsterblichen Kräfte jener ausgeborenen Seele ein. Und schrecken wir bei Nacht herauf, dass die Ergebnisse des Traumes und also die der Ewigkeit, nicht in die Wirklichkeit gefunden haben, um uns des Leibes heilsgewiss zu sein, uns die stellungsmäßige Natur seines Schlafes, ja unseres Umstandes herbeizuführen, die alte Moral zu elizitieren, so nur aus Sorge um die alte Welt und ihrer Realien, die sie in den Träumen weder Gültigkeit noch Ziel besitzen, wohl aber es vermögen, uns wieder in unsere Welt gescheuchet zu haben.

Dieses also ist die Äußerung unserer Moral im Traume, sowie er, der er selbst weder Zweifel noch Sorge zu hegen benötigt, nur vom Dämmern der Vernunft aufhöret. Und daselbst ist die Gegend der Seele, die sie die beiden dichotomischen Naturen von Körper und Geiste vereinbaret und sogar mit dem Körper aufsteht, aber nicht mit ihm stirbt.
Und eben hierfür nenne Ich die Lösung der Verstrittenheit von Erde und Himmel, von Körper und Geist und Menschen und Göttern, zwischen deren denn die Seele waltet, deren Ursprung zur Ontogenie gehöre, und so sie den Geistesgaben deshalb mehr zufällt als allem übrigen, die Melancholie - denn sie ist die Logik unser aller Erden-Gegenwart.


[..] Mörder- und Versucherisches denkt der Mensch immerzu auf die Moral; freilich Rächendes, Gerichtliches, Schlimmeres zieht er aus dem Sinne, mithin aus den Warnungen des Guten in sich zurück. Die lautlosen Mächte der Moral sind dieselben der Asketen: dass sie nicht g i e r e n!


Anmerkung von Akzidenz:

Wofern ein Mensch hier widerstreiten- und mit dem Duktus nicht zurechtkommen möchte, da er auf Schwellen und Lexeme des Altertums geschwulstet sei und auf dasselbe anzumuten vorgebe, dem will gleichwohl auch nicht das Fluidum entgangen sein, auf Grund dessen Ich denjenigen Vorwurf zumindest schon anticipierte, dass solcher Eindruck unverkennbar und deshalb schon seiner Auszeichnung wert, seiner Lesart gerecht werde. Denn hätte Ich, was mir nicht liegt, die Gleichgültigkeit besessen, den Argot der Untoten mit solcher Intension zu mischen, wäre uns gewiss das Unternehmen bei Leibe nicht so schwergegangen, wie wenn Ich, was mir naheliegt, weil es der- und mithin meiner eigenen Natur am nächsten ist, die Urkundlichkeit der Seele in einer zeitgemäßen und ursächlichen Sprach bespreche; wohl zwar nicht die, welche wir regredieren, wiefern sie vom Früheren her abstamme und somit die Paragogen und Apokopen rechtzufertigen vermag, sondern sie schlussendlich doch die Welt entwirft, wie sie im Auswurf der Diktion des Geistes mit dem Herzen reinliegt.

Wieder einmal muss Ich hier also mit vollem Recht auf eine instinktartige Notwendigkeit verweisen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram