Perdudum

Text

von  Akzidenz

Über das Göttliche Tropaion aus einer Hemerose vice versa[/b]

oder

Über Wort und Begriff (in nuce)[/b]


[..] Friedrichs Friedhofseingang macht mich weinen.

Philomela hat die Griechische Tragödie zum Ausschwitzen gebracht! Ich tropfe Blut und tropfe Öl und aller dieser göttlichen Weis! Die Griechische Mythologie trägt den Stamm der Psyche in die Welt! Die Schönheit der Bäume und der rächenden Hetäre! Kein häreneres Übel als das des Tereus über seinen Sohne hätte mich je neugieriger lernen gemacht, was die Menschenheit vertragen könnt! was sie ja ausgesprochen hat! Und hätte sie's vertragen, wer könnte heute mit Aisance darüber lachen: »Überwunden haben wir das nun!«

Und überwunden hätten wir Dädalus, der die göttliche Natur nachmachte! Und Menoitios, der er viel frevelte und dann von Zeus zurechtgewiesen. Der er viel frevelte und kein Maß halten konnte, sich nachgerad selbstentleeret hatte! Und allen voran den Tantalus, der die Götter düpierte, von großer Neidschaft geschoben - er verdarb! Nicht weniger den Marsyas, der sich im Agon mit Apoll gemessen und zum Schluße dafür ihm sein Menschenkleid vom Leibe gezogen wurde: »Sieh, vergänglich bist Du und so faulig! - Aber Dein Blut soll die Menschen warnen! es gäret länger in der Erde, als Deine Seel die Menschheit müde macht - und lebensmüde macht's sie freilich!«
Dieses sein Verhängnis, das dem Silen aus Selbstwillen und Maenis widerfahren, aus der Halbmenschlichkeit ausgeboren, so ihm das Agnom Der Überhebliche zueigen werde, der er viel Sühne darauf tat und starb, entfachet unsere schnellsten Menschen! Wiewohl wollte Ich jene Schicksalhaftigkeit dieses Satyrn gegen jene Art Ananke setzen, die dem Kyparissos das Leiden der Seele und dem allen, wovon der Mensch sich nicht erholen- weniger denn davor wegsehen kann, beibrachte, welch Gewächs aus allem Trocknen treibet! - Ein Hirsche war dem Jüngling Kyparissos - welcher selbst ein Liebling des Apollon war - Freund und Gefährte gewesen. Als er dem Geschöpfe dann im Unterholz, zwischen Halbdunkel und Geäst, im Versehen einen Speer in dessen Leib gerammt, verstarb das Tier und mit ihm die Freud. So wollt der Knabe also nicht mehr sein und sich das Leben darum nehmen, um ius talionis sein Vergehen vor Gott und diesem Tier zu tilgen. Da wurde er - die Quellen sind reizbar - aus Sänfte oder Abbitte vom schönen Apoll in die Zypresse verwandelt, um den Menschen hinkünft'g Zeichen zu sein für dieses alles schnelle Sterben. Und so ward die Zypresse traurig. Und hätte man meiner auf den Höfen geraten: »Gräme Dich nicht allzu lang- und bestens gar nicht, weil die Dinge gehen und Du so lebest, als ob Du gar nicht sterben könnt'st!« So hätte Milde Ich getan vor allen schleim'gen Sonnen, die nach dem fremden Tod gekommen sein sollen, und geschaffen hätte Ich roter Hand: Unsterbbares und neue Gräber, Synthema und Holzskulptur, freie Betten für die Seelen und Kurrentschrift für die guten Geister, ehedem das Maleficium, der Tod des Ebers mich gereihert, in der Küchediel die Fensterschwell, und Vaters blondes Aug mich tröstend.

So Ich jenen Momente Philomelas rächender Justiz, als der Tereus sein eigen Fleisch und Blut in seinem Bauche gewahrte - nicht unnahe seiner griechischen Konsistenz und denn als huldvolles Elogĭum an alles jene, was sein und solchem Schicksal unterkam - P h i l o m ē l a s i s  taufen will! Denn diesjenige Simulacrum, aus dem der Brei der Hochmut seine Schuld bekennt, aus dem das Sinken der Manie ergrellt, aus dem des Knaben junges Tier geschossen, weil auf dem Hofe es geregnet und der Bub dabei ihm auf die Pfot gefallen, und im Morast viel Geheul entstanden, der Vater es zum Stall gebracht . . und nicht zuletzt aus der zerstörten Stärke solcher rosigen- und Mädchenkleider, solcher fröhlichen und grünen Masken, es all sein saturnines Unglück lacht!

Möge da, wo sich die Reue zeigt, auch der Begriff von diesen Dingen wachen!


(...) And then I confess that I tortured the dress
that you wore for the world to look through.

(One of us cannot be wrong, Leonard Cohen)

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Kommentare zu diesem Text


 Georg Maria Wilke (23.04.12)
" Then I took the dust of a long sleepless night
And I put it in your little shoe...."
Lieber Akzidenz - ich spüre schon den ganzen Reiz dieses Textes - doch mit bedacht werde ich die Worte lesen, deshalb nur die Empfehlung.
Liebe Grüße, Georg
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