Regentrude, der "eigene" Text und die Misere der Literatur in Internetliteraturforen

Kommentar

von  toltec-head

Regentrude hat mir kürzlich folgendes geschrieben:

"Befremdlichkeit macht sich in mir breit, wenn ich lesen muss, wie sich jemand über die Aussagen anderer definiert.
Vor allem, wenn ich den Standpunkt´eines Verfassers von Texten zwischen Bekenntnissen verblichener Denker erahnen muss.
Immerhin bescheinigt es wohl die Belesenheit eines Autors.
Allerdings genügt mir ein solches Identifiziergehabe nicht, weil es den Verfasser selbst vermissen lässt.
Da ich annehmen muss, dass du weder der eine, noch der andere sein kannst, bleibt das schale Gefühl, dass du dich hinter den Worten anderer versteckst. (Ich glaube, da sind noch etliche Türen verschlossen.)
Es würde mich freuen, mal etwas von (nur) dir zu lesen."

Liebe Regentrude,

alle wollen originell sein. Indes: Born originals, how come that we all die copies? Nun, ein Grund hierfür ist, dass wir uns gar nicht dessen bewusst sind, in welchem Ausmaß wir bloße Kopien sind. Die Leute tun, als könnten sie voraussetzungslos über den Herbst und die Liebe schreiben. Das ist nicht der Fall. Die Liebe und auch die Schönheit der Jahreszeiten sind literarische Erfindungen, die im Laufe der Zeit zum Kleingeld couranter Empfindungen heruntergebrochen wurden. Die Misere der Literatur in Internetliteraturforen (aber auch: der Literatur überhaupt) ist genau diese: Jeder will seinen "eigenen" Text fabrizieren, ohne Reflexion darüber inwieweit nicht nur diese von ihm produzierten Texte sondern sogar sein Leben lediglich Nachahmungen Texte anderer darstellen.

Statt sich als "Verfasser eigener Texte" zu gerieren wäre es sehr viel ehrlicher zu sagen: Ich bin bloßer Kommentator eines Kommentators eines Kommentators. Aber das ist natürlich genau das, woran die ganz überwiegende Mehrzahl kein Interesse hat. Sie reitet stattdessen auf dem überkommenen Vorurteil herum, ein "originelles Ich" zu haben und dieses, wohlmöglich lyrisch, in Texten zum Ausdruck bringen zu können. Und das obwohl doch immer wenn man online geht, einem überdeutlich vor Augen geführt wird, dass es zehntausend ähnliche Klone gibt, die dem gleichen Voruteil aufsitzen.

Der "eigene Text" hat eine ähnliche magische Anziehungskraft auf die Leute wie das Eigenheim, der feste Lebenspartner und die letzte Ruhestätte. Erst mit der Reflexion über diese Dinge beginnt die richtige Literatur.

Herzliche Grüße

Dein Toltec

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Kommentare zu diesem Text

Regentrude (53)
(12.11.12)
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Regentrude (53) meinte dazu am 12.11.12:
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 Peer antwortete darauf am 12.11.12:
Ohne Partei ergreifen zu wollen, zeugt es für mich auch von keinem guten Stil, eine private Mitteilung öffentlich zu machen.
LG Peer

 BrigitteG schrieb daraufhin am 12.11.12:
Da kann ich mich Peer nur anschließen!

 toltec-head äußerte darauf am 12.11.12:
Nein, private Emotionen mag ich genauso wenig wie private Mitteilungen. Das ist doch genau was ich meine: Privat-Text = Privat-Grabstein. Leute, werdet mal ein bischen öffentlich. This world is a all holes open party. Und spricht alle Sprachen.
Regentrude (53) ergänzte dazu am 12.11.12:
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parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 12.11.12:
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 toltec-head meinte dazu am 12.11.12:
Frühling ist, wenn frohgemut
Man Schnittlauch sich aufs Rührei tut.
Regentrude (53) meinte dazu am 13.11.12:
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 loslosch meinte dazu am 23.06.13:
die einen schreiben mark, die anderen marc, das ist ja schlimm. mein älterer sohn heißt marc. schlimm.

 toltec-head meinte dazu am 23.06.13:
Marc ist für einen deutschen Namen vollkommen unakzeptabel. Wie prätentiös. Der Arme!
KoKa (44)
(14.12.12)
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 toltec-head meinte dazu am 23.06.13:
Les das gerade eben zum ersten Mal. Ja, damals waren wir noch frisch verliebt.
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