Das einmalige Rendezvous Teil XIII.
Erzählung zum Thema Zwiespalt
von pentz
Das Verhör
Der Kriminaler blickt großäugig über das Protokoll-Blatt und seine Lesebrille hinweg direkt in meine Augen.
„Als Sie geweckt wurden, haben Sie laut gerufen: „Brennt’s denn?“
„Habe ich das? Tatsächlich?“
„In der Tat. Dabei behaupten Sie, die Nachbarin nicht absichtlich dem Feuer ausgesetzt zu haben? Dieser Satz legt aber nahe, dass Sie nicht nur etwas geahnt haben, sondern… Jedenfalls haben Sie das Feuer nahe an den Garten der Nachbarin gelegt – vielleicht um einen Brand in Kauf zu nehmen?“
„Niemals!“
„Zumal Sie sich am Vorabend des Brandes vehement mit dem Opfer gestritten haben.“
„Wer streitet nicht hin und wieder mit seinem Nachbarn? Und Streiten, nun ja.“
„Ja, Streiten. Dies bezeugen mindestens vier Nachbarn.“
„Ach, die lieben Nachbarn. Vier, wirklich vier?“
„Ja!“
„Das sieht man mal wieder. Einer oder zwei, gut. Das ist normal, dass ein Mitmensch en passant Zwist zwischen seinen Nachbarn mitbekommt. Aber vier? Das riecht regelrecht nach Bespitzelung, finden Sie nicht auch?“
„Oder nach dem Ausmaß des Streites, dessen Lärm und Dammdamm so riesig war, dass alle umliegenden Anwohner sich aus ihrer Feierabendruhe herausgerissen und gestört fühlten.“
„Sie glauben das wohl selber nicht?“
„Ich maße mir kein Urteil an über Menschen, die ich nicht kenne. Jedenfalls, ob das gut oder schlecht ist, kommt drauf an, wie man’s nimmt!“
Ich stocke, bis ich endlich kapiere, wie er das meint: „Klar, für die Polizei ist das natürlich gut.“
„Sie haben es erfasst!“, lächelt er zufrieden. „Nun, in welchem Verhältnis, ähm, in welcher Beziehung sind Sie zur Nachbarin gestanden?“
„Beziehung? Albern!“
„Ich warne Sie! Nehmen Sie die Sache nicht auf die leichte Schulter. Ein schwerwiegender Verdacht lastet auf Ihnen und sie müssen glaubhaft beweisen, dass Sie nichts gegen die Nachbarin gehabt haben und ...“
Ich lache auf. „Gegen diese alte Schachtel? Ich etwas gehabt haben, wo denken Sie hin.“
„Ich bitte Sie!“
„Entschuldigung, ich meinte….“
„Und unterbrechen Sie mich nicht!“
Er fährt schnell wieder zurück - der Ton sanfter: „Also, Sie müssen glaubhaft darlegen, dass Sie, wenn nicht in einem einvernehmlichen, so doch neutralen Nachbarschaftsverhältnis zur Bibliothekarin gestanden haben. Worum ging der Streit? Handelt es sich um eine ernsthafte Sache oder eine Bagatelle? Verstehen Sie mich, ich muss das überprüfen.“
Der Pullover ist mir zu eng, mit der Hand erweitere ich den Kragen und schnappe nach Luft, japse sogar nach Sauerstoff bei dem Gedanken an die Konsequenzen und Folgen, schwant mir doch, was auf mich zukommen könnte: Hochnotpeinliche Befragungen ohne Ende.
Welche Umstände, die zu diesem tödlichen Brand geführt haben, weisen darauf hin, dass ich dies absichtlich, leichtsinniger- oder fahrlässigerweise getan habe? Die Strafzumessung wird sich danach richten.
Aber es ist nur ein makaberer Scherz, dass eine alte Frau umgekommen ist - mir wegen, aber bestimmt nicht gewollt. Bei der Kritikerin ist es etwas anderes. Vielleicht war deren Tod unvermeidlich, wer weiß? Aber um derentwegen werde ich hier nicht zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wegen einer banalen, saudummen, unglücklichen Geschichte - das ist mehr als lächerlich! Der Polizist redet wieder, ich kann nicht zuhören und mich konzentrieren.
Ich bin entnervt, zu sehr erbost über mein Schicksal. Ich soll wegen einer älteren Dame, einer pensionierten Lehrerin, oh Hohn und Spott, die wirklich keine besondere Rolle in meinem Leben gespielt hat, in den Knast, womöglich bis ans Ende meiner Tage. Da kann ich gleich den „Mord“ an der Kritikerin gestehen. Dann lohnte sich der ganze Aufwand wenigstens.
Wegen eines Unfalls brumme ich nicht 20 Jahre ab, das steht fest. Nein, wegen so etwas lasse ich mir nicht mein Leben verpfuschen.
Aber, wenn schon, denn schon.
Oder wohl nicht?
Doch, es muss einfach sein!
So gestehe ich, an dem Tod der Kritikerin Schuld zu haben.
Aber der Kommissar versteht zunächst nur Bahnhof und bis beim ihm der Groschen fällt und der Kinnladen herunterfällt, vergehen gut zwei Minuten.
„Sie erzählen mir hier keine Weihnachtsgeschichte?“
„Ich bitte Sie. Wer würde sich schon selbst anklagen?“
„Haben Sie eine Ahnung, was für Leute es heutzutage gibt?“
Dann nimmt der Polizist das Telefon zur Hand und telefoniert erst einmal eine halbe Stunde lang. Ich höre gar nicht hin. Ich genieße die letzten Minuten der Freiheit sozusagen.
Als er aufgelegt hat, kommt er schnell zur Sache.
„Trotzdem. An der Sache ist irgendetwas faul. Dass Sie die Lehrerin in fahrlässiger Weise getötet haben oder nicht, entscheidet der Richter. Denn zu einer Anklage wird es kommen. – Aber, dass Sie diese Kritikerin, sagten Sie, ermordet haben, erscheint mir schon sehr weit hergeholt.“
„Wieso?“
„Das Problem besteht darin, dass Sie erst beweisen müssen, dass Sie es gewesen sind. Sie können alles frei erfunden haben. Sie haben in der Zeitung die kurze Notiz über den merkwürdigen Todesumstand der Kritikerin gelesen, und jetzt wollen Sie sich wichtig machen. Vielleicht, weil Sie denken: nur wegen der Lehrerin in den Bau zu gehen, nein, dann lieber gleich mit Pauken und Trompeten, nehm noch eine Tote mit, geb vor, sie ginge auch auf dein Kerbholz und Konto, dann lohnt sich die Sache wenigstens.“
Ich bin verdutzt. Das sind fast genau meine Gedanken. Polizisten können vielleicht Phantasie haben, mein lieber Scholli.
„Warum sollte ich das tun?“
„Na, das ist nicht schwer nachvollziehbar, so ein Motiv. Sie geben doch vor, Schriftsteller zu sein.“
Diese Formulierung, sehr verdächtig. Aber, na ja…
„Allerdings, das gebe ich vor.“
„Nun, Sie brauchen mir darauf nicht zu antworten. Ich kann verstehen, dass dies einem Einverständnis gleichkommt, das Ihnen schwer fällt. - Sie sind ein erfolgloser Autor. Da böte sich so ein knallharter Mord, wenn es denn schon sein muss, bestraft zu werden, der Publicity wegen an. Das würde die Reputation ungemein fördern.“
„Moment!“, unterbreche ich ihn.
Eigentlich eine Unverschämtheit, was mir da der Herr Kommissar unterstellt. Aber ich lasse es einmal jetzt darauf bewenden und mache ihm einen Vorschlag.
„Ich beschreibe Ihnen haarklein das Interieur der Wohnung dieser Kritikerin. Das wird Ihnen beweisen, dass ich der Mörder bin.“
Der Kommissar lehnt sich in seinen Sessel zurück und sagt: „Nur zu!“
Als ich geendet habe, seufzt er: „Nun gut, Sie kennen sich aus in der Wohnung dieser Kritikerin. Sie haben Sie schon einmal gesehen, zweifelsohne.“
Jetzt schnellt er mit seinem Sitz nach vorne und lässt seine beiden Händen auf den Schreibtisch plumpsen.
„Aber, dass beweist noch lange nicht, dass Sie auch der Mörder sind. Darauf kommt es schlussendlich an.“
Kuhmist, er hat Recht. Nach meinen Kenntnissen zu urteilen, habe ich zwar die Behausung der alleinstehenden Dame schon einmal gesehen, aber ihr den Garaus gemacht zu haben, besagt das noch lange nicht. Tja, jetzt stehe ich da wie der Ochs vorm Berg. Wie nur kannst Du die Schuld beweisen, du Hornochse!
Ich schlage mit der Hand auf die Sessellehne: wie konntest Du auch nur so blöd sein und einen perfekten Mord begehen? Jetzt erscheint es aussichtslos, den Beweis zu erbringen, dass Du es warst. Und Du hättest es doch so nötig.
Die Vorstellung, nur wegen eines Grillunfalls in den Knarzer einzufahren, ist mir unerträglich. Muss denn alles in meinem Leben schief laufen: vermurkste Schriftsteller- und ebenso vermurkste Mörderkarriere. Nichts gelingt mir im Leben, Kuhmist!
Buch erhältlich unter e-mail-adresse siehe:
http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.html
Der Kriminaler blickt großäugig über das Protokoll-Blatt und seine Lesebrille hinweg direkt in meine Augen.
„Als Sie geweckt wurden, haben Sie laut gerufen: „Brennt’s denn?“
„Habe ich das? Tatsächlich?“
„In der Tat. Dabei behaupten Sie, die Nachbarin nicht absichtlich dem Feuer ausgesetzt zu haben? Dieser Satz legt aber nahe, dass Sie nicht nur etwas geahnt haben, sondern… Jedenfalls haben Sie das Feuer nahe an den Garten der Nachbarin gelegt – vielleicht um einen Brand in Kauf zu nehmen?“
„Niemals!“
„Zumal Sie sich am Vorabend des Brandes vehement mit dem Opfer gestritten haben.“
„Wer streitet nicht hin und wieder mit seinem Nachbarn? Und Streiten, nun ja.“
„Ja, Streiten. Dies bezeugen mindestens vier Nachbarn.“
„Ach, die lieben Nachbarn. Vier, wirklich vier?“
„Ja!“
„Das sieht man mal wieder. Einer oder zwei, gut. Das ist normal, dass ein Mitmensch en passant Zwist zwischen seinen Nachbarn mitbekommt. Aber vier? Das riecht regelrecht nach Bespitzelung, finden Sie nicht auch?“
„Oder nach dem Ausmaß des Streites, dessen Lärm und Dammdamm so riesig war, dass alle umliegenden Anwohner sich aus ihrer Feierabendruhe herausgerissen und gestört fühlten.“
„Sie glauben das wohl selber nicht?“
„Ich maße mir kein Urteil an über Menschen, die ich nicht kenne. Jedenfalls, ob das gut oder schlecht ist, kommt drauf an, wie man’s nimmt!“
Ich stocke, bis ich endlich kapiere, wie er das meint: „Klar, für die Polizei ist das natürlich gut.“
„Sie haben es erfasst!“, lächelt er zufrieden. „Nun, in welchem Verhältnis, ähm, in welcher Beziehung sind Sie zur Nachbarin gestanden?“
„Beziehung? Albern!“
„Ich warne Sie! Nehmen Sie die Sache nicht auf die leichte Schulter. Ein schwerwiegender Verdacht lastet auf Ihnen und sie müssen glaubhaft beweisen, dass Sie nichts gegen die Nachbarin gehabt haben und ...“
Ich lache auf. „Gegen diese alte Schachtel? Ich etwas gehabt haben, wo denken Sie hin.“
„Ich bitte Sie!“
„Entschuldigung, ich meinte….“
„Und unterbrechen Sie mich nicht!“
Er fährt schnell wieder zurück - der Ton sanfter: „Also, Sie müssen glaubhaft darlegen, dass Sie, wenn nicht in einem einvernehmlichen, so doch neutralen Nachbarschaftsverhältnis zur Bibliothekarin gestanden haben. Worum ging der Streit? Handelt es sich um eine ernsthafte Sache oder eine Bagatelle? Verstehen Sie mich, ich muss das überprüfen.“
Der Pullover ist mir zu eng, mit der Hand erweitere ich den Kragen und schnappe nach Luft, japse sogar nach Sauerstoff bei dem Gedanken an die Konsequenzen und Folgen, schwant mir doch, was auf mich zukommen könnte: Hochnotpeinliche Befragungen ohne Ende.
Welche Umstände, die zu diesem tödlichen Brand geführt haben, weisen darauf hin, dass ich dies absichtlich, leichtsinniger- oder fahrlässigerweise getan habe? Die Strafzumessung wird sich danach richten.
Aber es ist nur ein makaberer Scherz, dass eine alte Frau umgekommen ist - mir wegen, aber bestimmt nicht gewollt. Bei der Kritikerin ist es etwas anderes. Vielleicht war deren Tod unvermeidlich, wer weiß? Aber um derentwegen werde ich hier nicht zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wegen einer banalen, saudummen, unglücklichen Geschichte - das ist mehr als lächerlich! Der Polizist redet wieder, ich kann nicht zuhören und mich konzentrieren.
Ich bin entnervt, zu sehr erbost über mein Schicksal. Ich soll wegen einer älteren Dame, einer pensionierten Lehrerin, oh Hohn und Spott, die wirklich keine besondere Rolle in meinem Leben gespielt hat, in den Knast, womöglich bis ans Ende meiner Tage. Da kann ich gleich den „Mord“ an der Kritikerin gestehen. Dann lohnte sich der ganze Aufwand wenigstens.
Wegen eines Unfalls brumme ich nicht 20 Jahre ab, das steht fest. Nein, wegen so etwas lasse ich mir nicht mein Leben verpfuschen.
Aber, wenn schon, denn schon.
Oder wohl nicht?
Doch, es muss einfach sein!
So gestehe ich, an dem Tod der Kritikerin Schuld zu haben.
Aber der Kommissar versteht zunächst nur Bahnhof und bis beim ihm der Groschen fällt und der Kinnladen herunterfällt, vergehen gut zwei Minuten.
„Sie erzählen mir hier keine Weihnachtsgeschichte?“
„Ich bitte Sie. Wer würde sich schon selbst anklagen?“
„Haben Sie eine Ahnung, was für Leute es heutzutage gibt?“
Dann nimmt der Polizist das Telefon zur Hand und telefoniert erst einmal eine halbe Stunde lang. Ich höre gar nicht hin. Ich genieße die letzten Minuten der Freiheit sozusagen.
Als er aufgelegt hat, kommt er schnell zur Sache.
„Trotzdem. An der Sache ist irgendetwas faul. Dass Sie die Lehrerin in fahrlässiger Weise getötet haben oder nicht, entscheidet der Richter. Denn zu einer Anklage wird es kommen. – Aber, dass Sie diese Kritikerin, sagten Sie, ermordet haben, erscheint mir schon sehr weit hergeholt.“
„Wieso?“
„Das Problem besteht darin, dass Sie erst beweisen müssen, dass Sie es gewesen sind. Sie können alles frei erfunden haben. Sie haben in der Zeitung die kurze Notiz über den merkwürdigen Todesumstand der Kritikerin gelesen, und jetzt wollen Sie sich wichtig machen. Vielleicht, weil Sie denken: nur wegen der Lehrerin in den Bau zu gehen, nein, dann lieber gleich mit Pauken und Trompeten, nehm noch eine Tote mit, geb vor, sie ginge auch auf dein Kerbholz und Konto, dann lohnt sich die Sache wenigstens.“
Ich bin verdutzt. Das sind fast genau meine Gedanken. Polizisten können vielleicht Phantasie haben, mein lieber Scholli.
„Warum sollte ich das tun?“
„Na, das ist nicht schwer nachvollziehbar, so ein Motiv. Sie geben doch vor, Schriftsteller zu sein.“
Diese Formulierung, sehr verdächtig. Aber, na ja…
„Allerdings, das gebe ich vor.“
„Nun, Sie brauchen mir darauf nicht zu antworten. Ich kann verstehen, dass dies einem Einverständnis gleichkommt, das Ihnen schwer fällt. - Sie sind ein erfolgloser Autor. Da böte sich so ein knallharter Mord, wenn es denn schon sein muss, bestraft zu werden, der Publicity wegen an. Das würde die Reputation ungemein fördern.“
„Moment!“, unterbreche ich ihn.
Eigentlich eine Unverschämtheit, was mir da der Herr Kommissar unterstellt. Aber ich lasse es einmal jetzt darauf bewenden und mache ihm einen Vorschlag.
„Ich beschreibe Ihnen haarklein das Interieur der Wohnung dieser Kritikerin. Das wird Ihnen beweisen, dass ich der Mörder bin.“
Der Kommissar lehnt sich in seinen Sessel zurück und sagt: „Nur zu!“
Als ich geendet habe, seufzt er: „Nun gut, Sie kennen sich aus in der Wohnung dieser Kritikerin. Sie haben Sie schon einmal gesehen, zweifelsohne.“
Jetzt schnellt er mit seinem Sitz nach vorne und lässt seine beiden Händen auf den Schreibtisch plumpsen.
„Aber, dass beweist noch lange nicht, dass Sie auch der Mörder sind. Darauf kommt es schlussendlich an.“
Kuhmist, er hat Recht. Nach meinen Kenntnissen zu urteilen, habe ich zwar die Behausung der alleinstehenden Dame schon einmal gesehen, aber ihr den Garaus gemacht zu haben, besagt das noch lange nicht. Tja, jetzt stehe ich da wie der Ochs vorm Berg. Wie nur kannst Du die Schuld beweisen, du Hornochse!
Ich schlage mit der Hand auf die Sessellehne: wie konntest Du auch nur so blöd sein und einen perfekten Mord begehen? Jetzt erscheint es aussichtslos, den Beweis zu erbringen, dass Du es warst. Und Du hättest es doch so nötig.
Die Vorstellung, nur wegen eines Grillunfalls in den Knarzer einzufahren, ist mir unerträglich. Muss denn alles in meinem Leben schief laufen: vermurkste Schriftsteller- und ebenso vermurkste Mörderkarriere. Nichts gelingt mir im Leben, Kuhmist!
Buch erhältlich unter e-mail-adresse siehe:
http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.html