Die richtige Art zu leben und die richtige Art zu sterben

Text zum Thema Freundschaft

von  larala

Gestern Abend hast du angerufen und wolltest dich mit mir über die richtige Art zu sterben unterhalten. Ich wollte lieber über die richtige Art zu leben sprechen, womit du auch einverstanden warst, weil das schnell ginge und weil es da für dich nur eine Art gäbe. Aber was nun mal nicht sei, sei nicht und du wolltest nicht leben, weil du niemanden hättest, für den du das Wichtigste wärst.

Ich sagte 'Mhhhh', weil ich mir bisher über die richtige Art zu leben und zu sterben noch nicht so viele Gedanken gemacht hatte und weil ich mir nicht mal sicher war, ob es für mich nur eine richtige Art zu leben gibt. Ich hatte schon ein paar ausprobiert und wollte auch gern noch ein paar versuchen und bisher hatten sich alle Arten irgendwie richtig angefühlt oder ziemlich nahe dran.

Dann haben wir doch über das Sterben gesprochen, weil ich damit prinzipiell kein Problem habe und oft mit Leuten darüber rede und schon viele Menschen gestorben sind, während ich ihre Hand hielt. Trotzdem gewöhnt man sich nie daran und es macht auch noch einmal einen Unterschied, so etwas mit der Freundin zu diskutieren.

Jedenfalls schieden schon ein paar Arten definitiv aus, erklärtest du, weil sie nicht sicher genug wären oder weil es so eine Sauerei gäbe. Schmerzen sollte es auch nicht noch zusätzlich machen, von denen hättest du die Nase voll. Am schlimmsten wäre jedoch, wenn es nicht klappen würde, beim ersten Versuch, weil du Dilettantismus hasst und weil du dann den Spott hättest und alle würden sagen, dass es nur ein Hilfeschrei gewesen wäre und dich mitleidig anschauen, was du nicht ertragen könntest. Du möchtest auch nicht irgendwo liegen, mit nur noch einer Gehirnzelle und Schläuchen und gebrochenem Genick, das könnte man keinem zumuten, vom Pflegepersonal.

Und ich hab dir zugehört und wieder 'Mhhhh' gesagt und dich gebeten, mir bitte rechtzeitig Bescheid zu geben, drei Tage vorher mindestens. Und du hast gelacht und gesagt, bei meiner nüchternen Art würde einem ja sogar das Sterben vergehen.

Dabei wollte ich dich doch gar nicht zum Lachen bringen, sondern hab das ganz ernst gemeint, mit den drei Tagen.

Dann hätten wir noch Zeit zusammen, zum Spazieren gehen und im Straßencafè sitzen und auch zum Wandern und Küchenschellen und Leberblümchen anschauen von mir aus. Wir könnten noch mal Sekt schlürfen, mittags um elf und auf dem Boden sitzen und in Zeitungen wühlen und uns Sachen vorlesen, gegenseitig. Abends würde ich mitgehen in den Jazzkeller, und vorher könntest du mir wieder Kleider vorführen, aus deinem unerschöpflichen Vorrat. Vielleicht kochst du für mich auch ein Vier-Gänge-Menü, für das du gerade 25 Minuten brauchst und welches ich so lecker noch nie irgendwo gegessen habe. Wir würden gemeinsam über Männer schimpfen und über den Winter und über genmanipulierte Lebensmittel. Ja, in drei Tagen kann man schon so einiges anfangen, und deshalb möchte ich gerne, dass du mir Bescheid gibst, rechtzeitig.

Dann ist es schon wieder halb zwölf und du willst in dein Bett und ich sage: 'Hey Süße, ich hab dich verdammt lieb!' Und du antwortest nichts, wie immer, aber ich kann dein Lächeln hören, am anderen Ende und das reicht mir.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (10.07.13)
Ich finde es wichtig, sich über die richtige Art zu leben und die richtige Art zu sterben zu unterhalten. Aber noch wichtiger finde ich die richtige Art, sich darüber zu unterhalten. Die beiden hier im Text kennen sich ganz schön gut aus. Mit all den Eigen- und AndersArten.

Liebe Grüße, princess

 larala meinte dazu am 10.07.13:
Was für ein schöner Kommentar!
Vielen Dank und liebe Grüße zurück!

 Kontrastspiegelung (28.07.13)
Hm und wenn die Idee nun mindestens drei Tage vorher ausgesprochen würde, so könnte man doch am dritten Tag auch sagen, dass die drei Tage nicht gelangt haben und um weitere drei Tage raus zögern. Das immer und immer wieder? :-P

So wäre ich jedenfalls drauf. Zumindestens jetzt, wie es später wäre, ist eine andere Zeitgeschichte.

Lieben Gruß, Konti
Ps.: dein Text löst in mir einen gedanklichen Déjà-vu aus ;)

 larala antwortete darauf am 28.07.13:
:) Ja, man könnte das auf jeden Fall versuchen. Andererseits sind drei Tage besser als nichts.
LancealostDream (49)
(06.08.13)
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 larala schrieb daraufhin am 06.08.13:
:)

 Ganna (12.02.14)
...dass das Sterbenwollen respektiert wird sowie die Reaktion darauf...empfinde ich als erleichternd...

LG Ganna
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