Dort, wo du sein solltest, ist nichts. Eigentlich sollte ich mich sehen, wenn ich in den Spiegel sehe, doch da ist noch jemand anderes. Sie nennt sich "Lu". Nein, eigentlich nenne nur ich sie so, denn niemand anderes kennt Lu. Nein, das ist eigentlich auch nicht wahr. Jeder, der mich lange genug kennt, kennt auch Lu. Denn Lu ist die Person, die sich zeigt, wenn ich selbst nicht mehr Ich bin. Wer ich bin? Ich weiß es nicht... Wirklich nicht! Es gibt Menschen, die mich besser kennen als ich mich selbst. Er zum Beispiel. Er kennt mich noch gar nicht so lange Cheriè... "Kennst du ihn denn?" kam es hinter mir und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, das Lu hinter mir ist. "Ich lerne ihn gerade kennen. Reicht das nicht?" Ich drehe meinen Kopf nun doch so zur Seite, das ich über meine Schulter hinweg zu ihr blicken kann. Sie sitzt auf dem Fenstersims und lässt die Beine baumeln. Sie ist Jünger als ich. Wesentlich jünger. Doch bei weitem reifer und sadistischer. Lu kennt meine Dunkelheit... Besser als Ich. Himmel. Ich versuche sie zu ignorieren. Doch ich spüre ihren Blick auf meinem Rücken und merke, wie sie Seelig lächelte und wissend nickte. "Kannst du nicht einfach gehen? Reicht doch schon, das alle denken ich habe einen Dachschaden..." brummte ich leise und versuche mich zu konzentrieren. "Du bist Krank." kam es dann und es ist ein Stich. "Sagte er dir doch auch schon, oder irre ich mich da etwa?" kam es dann und ich starrte in das Buch. Hat sie recht? Ich blinzle und merke, wie sich eine Träne aus meinem Auge stahl. "Mh. Wunder Punkt?" fragte sie, "Kann sein." erwiderte ich. Eigentlich muss ich ihr nicht antworten. Immerhin kennt sie jede Antwort doch schon im vorraus. Genau wie er. Seltsam. Ich kenne mich nicht. Ich weiß nicht, wer ich bin. Selbst mein Name kommt mir so fremd und falsch vor. Doch wenn man meinen Namen nennt, bekomme ich wenigstens das Gefühl, jemand zu sein. Doch... WER bin ich wirklich?! "Ich rate dir, hör auf mich oder auf deine Freunde. Alleine wirst du es nicht hinbekommen." Ich haue mir der flachen Hand auf den Tisch und drehe mich um. Doch sie ist nicht da. Der Platz am Fenstersims ist Leer. Unberührt. Langsam lass ich mich auf den Stuhl fallen und blicke weiter zum Fenster. Lu hat recht. Doch gleichzeitig legt sie mir Steine auf den Weg. Ich stolpere immer wieder drüber und scheuer mir die Knie auf. Ein Seufzen löste sich aus meiner Kehle und ich senke den Blick.
Cheriè, ich sollte mal dran denken, Lu einen Maulkorb zu geben.
