Die Straßenkinder

Erzählung zum Thema Außenseiter

von  Sanchina

Hanne, die "zu Hause" bleiben durfte, wenn die  Jungen zum Stehlen gingen, fühlte sich unnütz. Sorgfältig hielt sie die Wohnhöhle in Ordnung, schüttelte die Decken aus und wusch Becher und Plastikdosen im Abwasser.

Doch eines Tages schlich sie den Jungen nach und gelangte - nach Wochen zum ersten Mal wieder  - ins Freie. Das grelle Tageslicht blendete. Hanne  rieb sich  die Augen und schaute sich dann um. Sie befand sich in einer Straße, die sie nicht kannte. Zwar parkten unzählige Autos an beiden Straßenseiten, aber insgesamt war es erstaunlich ruhig.

Hanne trottete ein Weilchen die Straße auf und ab und fasste einen Plan. Als sich von fern ein Mann näherte, hockte sie sich über einen Gullydeckel und versuchte, diesen anzuheben. Sie rüttelte und zerrte daran herum, aber der Deckel blieb fest sitzen. Der fremde Mann kam näher und sprach das erbärmlich aussehende Mädchen an: "na, Kleine, was machst du denn da?" Mit ihren rot geriebenen Augen sah Hanne auf und rief weinerlich: "mein Euro ist da hinein gefallen!"

"Dein Euro?" wiederholte der Mann, fasste in die Tasche und zog eine Münze daraus hervor. "Hier hast du einen neuen Euro, aber halte ihn gut fest!"

Jauchzend kehrte Hannchen in das unterirdische Versteck zurück. Als die Jungen abends ihre Tagesbeute zählten, warf Hannchen den Euro dazu. "Woher hast du den Euro?" wollte Antonio sofort wissen. Stockend erzählte Hannchen, wie es gelungen war, den Euro zu erbeuten. Es entging Hannchen, dass Manuel dabei sehr zornig wurde.

Als Hannchen lächelnd endete, stand Manuel auf und ging zu ihr hin. "Das ist unser Job! Wir sind die Männer!" sprach er mit ungewöhnlich rauer Stimme.

Hannchen wimmerte bereits, bevor Manuel sie verprügelte. Das Geschrei konnte, außer Antonio und den Zwillingen, niemand hören.

Damit hatte sich Manuel endgültig zum Anführer der Truppe aufgeschwungen.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (28.03.14)
Und die ganze kriminelle Meute respektiert ihn. Die Hanne ist auch eine interessante Figur, weil sie ja eigentlich lügt. Trotzdem kriegt sie den Euro geschenkt. Super, der Text.

 AZU20 (28.03.14)
Lese nach wie vor gerne. LG
Zweifler (62)
(29.03.14)
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 Ganna (29.03.14)
...ja, so ist es leider, die gesellschaftlichen Verhältnisse spiegeln sich auch bei denen, die ihnen entrinnen wollen...gut wiedergegeben,

LG Ganna
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