rolling ... also, aufrollen, abrollen, einrollen, aber nicht einwickeln lassen

Skizze zum Thema Alltag

von  DanceWith1Life

Illustration zum Text
Arbeitstitel: Leiderschrankware
(von Jakob Stegemann)
Illustration zum Text
Alltagsnatter
(von Jakob Stegemann)
Stoisch kroch die Alltagsnatter das Asphaltnetz entlang, graue Tarnfarben musterten vorbeizüngelndes Menschengeflecht.
Pixelige Neugier witterte an Schaufensterauslagen, tastete sich zum Sonderpreisbeutetisch und schlängelte weiter in die Kosmetikabteilung.
Nagellackentferner suchend blieb sie plötzlich vor einem Spiegel stehen, drehte sich überrascht um und hastete nach draussen.

Krah, von weit oben, in der Stadt gibt es keinen Himmel, nur das Blau über den Dächern.
Dazwischen laufen drunten wir und droben die Wolkenfelder,  ab und an pflügen Vogelschwingen den Raum dazwischen und wir,
haben schon länger keine federnden Schritte mehr getan.

Wie an Fäden tänzelt die Welt zwischen den Menschen hindurch, als wäre sie unsichtbar, ein schweigendes Gesicht.

Er wollte zur Demo, auf dem Weg griff dieser Vogel wie aus dem Nichts in ein Bilderbuch, das ihm durch die Strassen blätterte.

Die optische Wahrnehmung dieser Krähe zu beschreiben entzieht sich so sehr dem üblichen Sprachgebrauch, dass ich zuerst nicht weiter weiss.
Sie landet zunächst auf der Strassenbahnstromversorgung, ruckelt ein wenig mit dem Kopf, wetzt den Schnabel an den unsichtbaren Ästen eines anderen Vormittags und schwebt so zielstrebig und sanft ins Hier und jetzt, dass ich wie gebannt stehen bleibe.
Sie scheint die Alltagsnatter zu ignorieren und zwar so gekonnt, dass diese ins Gerüst des Bildes entschwindet.

Tage später,
wenn es nicht jeden Morgen das gleiche wäre, dann wäre nur noch die Tatsache eine Erwähnung wert, dass es morgens meist eh keine Rolle spielt, wenn man mal davon absieht,
dass die Aussentemperatur variiert,
das Transportmittel zwar von der gleichen Bauart, aber ein anderes als das gestrige,
der Fahrer zwar von derselben Firma aber eine andere Person,
die Fahrgäste zwar alle in denselben Tag, aber nicht vollständig dieselben Personen sind,
weder innerlich, noch äusserlich, sowohl die Darsteller als auch die zu spielenden Emotionen verändern sich, nur die verhaltene Gegenwart der Müdigkeit, die jeden Morgen die gleiche ist,

...
und dass es nicht so bleibt.

- hier noch eine Auswahl an Verben, die sie den Nebensätzen angedeihen lassen könnten, falls ihnen danach ist:

das Transportmittel ist, der Fahrer ist, die Personen sind, Fahrgast im selben Tag.
der Bus hält wie gewohnt und eine Art "Leser" steigt ein, erkennbar am aus der Tasche blinzelnden Buchrücken, sucht nach einem Fensterplatz, wahrscheinlich wegen der besseren Lichtverhältnisse und fischt dasselbe heraus, öffnet am Merker, der abgegriffen zwischen  den gewohnten Abstellseiten parkt und findet flugs den Satz, mit dem die letzte Lesepause endete.

Der Film zeigt wie der Bus langsam losfährt, eröffnet kurz mehrere Kameraperspektiven, die des Fahrers mit Sicht auf die Strecke, die eines Kindes am Fenster ganz Hinten, und die einer Mutter, die noch vieles zu bedenken hat und nur ab und an aus dem Fenster schaut.
Gleichzeitig an diesem Morgen wird eine Erinnerung wach.
Die Perspektive dieser Erinnerung stellt unseren Kameramann vor ein echtes Problem, denn sie ist von keinem geographischen Ort zugänglich.

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