Recep Tayyip Erdogan - Autokrat

Bericht zum Thema Zerrissenheit

von  modernwoman

Erdogan ist der typische Bilderbuch-Autokrat. Wenn er auch nur die kleinste Chance sieht, seine Macht ins Unendliche zu vergrössern, dann wird er es tun.

Es wird im Ausland immer von den bildungsfernen Schichten gesprochen, was einen etwas komischen Beigeschmack hat. Tatsache ist aber, dass gerade die Landbevölkerung, deren Schulwissen ausgesprochen gering ist, hinter Erdogan steht, weil der seine Person sehr geschickt mit dem Islam verknüpft hat. Die streng religiösen Muslime auf dem Land finden das gut und auch, dass er der Türkei wieder den Glanz verleihen will, den sie einst hatte. Deutsche Muslime sind oft für ihn, weil der Glaube ihnen oft Kraft gibt und Erdogan es versteht, mit ihren Gefühlen zu spielen.

Hinzu kommt, dass Migranten meist ein verklärtes Bild ihrer ursprünglichen Heimat haben, was zuletzt auch daran liegt, dass sie häufig in Deutschland angefeindet und als lästige Ausländer betrachtet werden. Entsprechende Stellen, jugendliche Migranten zu fördern und ihnen zu helfen, sind entweder nicht oder nur in Einzelfällen vorhanden.

Ein weiterer Pluspunkt für Erdogan ist die Tatsache, dass er die Türkei tatsächlich wirtschaftlich gestärkt hat. Da nehmen die religiösen Eiferer auch gern die Korruptionsvorwürfe gegen ihn in Kauf. Sie übersehen dabei auch gern, dass Erdogan gezielt alle Menschen ausschaltet, die ihm oder seiner Macht gefährlich werden könnten. Denken wir hierbei nur daran, wie er Staatsanwälte, Richter und hohe Polizeibeamte, die gegen ihn ermittelten, verhaften liess mit der hanebüchenen Erklärung, es handele sich um eine Verschwörung gegen ihn.

Erdogans Macht ist bereits zu diesem Zeitpunkt überproportional gross. Wir Europäer können also getrost davon ausgehen, dass Erdogan seinen Machtapparat noch weiter ausbauen und in alle wichtigen Ämter seine Marionetten installieren wird.

Kemal Atatürk war ein weitschauender Politiker, der sehr wohl erkannt hatte, dass nur die Trennung von Kirche und Staat ein friedliches Nebeneinander der verschiedensten Ethnien und Glaubensrichtungen, gewährleisten würde. Wenn Erdogan die Islamisierung der Türkei voran treibt, kann es durchaus passieren, dass wir in einigen Jahren bürgerkriegsähnliche Zustände in der Türkei erleben werden.

Einen Vorgeschmack gab es ja bereits mit den Unruhen im Gezi-Park und landesweit in allen Grossstädten. Nun wird ihn niemand mehr aufhalten können, wenn er zum Beispiel Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke einfach blockiert, weil er nicht will, dass zum Beispiel brutale Polizeiaktionen (wie sie übrigens auch in Deutschland vorkommen) die ganze Welt sehen kann.

Auch wenn es noch nicht so ausschaut, die grossen Verlierer dieser Wahl, die Erdogan 53% der Stimmen und damit die Mehrheit eingebracht hat, sind die Frauen. In einem islamistischen Staat haben die Männer das Sagen und die Frauen haben zu gehorchen. Das Drama daran ist, dass viele Frauen - gerade die weniger Gebildeten - das gar nicht begreifen. Ihre Konditionierung vom Kleinkind an ist so gross, dass persönliche Freiheit für sie mit Schrecken verbunden ist. Das wiederum erinnert an die Zeiten, als es in Amerika noch die Sklaverei gab. Aus alten Schriften geht hervor, dass nach Lincolns Emanzipationsproklamation am 22. September 1862, betreffend die Freilassung aller Sklaven, diese Angst vor der Freiheit hatten. Auch das beruht auf einer Konditionierung. Wie Konditionierung bei Mensch und Tier funktioniert, konnte der russische Forscher Iwan Petrowitsch Pawlow eindrucksvoll mit seinen Experimenten - Pawlowscher Hund - beweisen.

Cornelia Warnke

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (12.08.14)
Eine ausgezeichnete Analyse, die auch stilistisch anspricht.

 modernwoman meinte dazu am 13.08.14:
Hallo Ekkehart,
es freut mich, dass Dir mein kleiner analytischer Bericht gefällt und bedanke mich recht herzlich fürs Kommentieren und die Empfehlung. lg conny
Graeculus (69)
(12.08.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 modernwoman antwortete darauf am 13.08.14:
Hallo Graeculus,
Ich gebe Dir völlig recht, was die Minderheit angeht, die sich über solche Dinge Gedanken macht - leider. Ich schätze, in Deutschland sieht es nicht viel anders aus. Vielleicht sind wir Menschen ja wirklich sehr viel näher an den Tieren, die wir sadistisch quälen und töten, als es uns allen lieb ist. Es gibt dort ja auch diese Hierarchie - eben ein Leittier, dem die anderen Tiere bedingungslos folgen. Das würde erklären, warum viele einen starken Führer wollen, zu dem sie aufsehen können. Natürlich hat das auch etwas damit zu tun, dass man dann Dinge machen kann, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen.

Danke fürs Kommentieren und die Empfehlung. lg conny

 kilroy (12.08.14)
Stimme dir von A bis Z zu!

lg

k.

 modernwoman schrieb daraufhin am 13.08.14:
Hallo Kilroy,

danke für Deinen Kommentar und Empfehlung. lg conny

 Rudolf (12.08.14)
Wie viele kopftuchtragende Frauen kennst Du?

 modernwoman äußerte darauf am 13.08.14:
Hallo Rudolf,

tja, wie viele kopftuchtragende Frauen kenne oder kannte ich. Als ich eine Zeitlang in Erdemli lebte - das ist 35 Kilometer von Mersin entfernt - gab es dort nur Türken, einen Kurden mit einem Obst- und Gemüsekarren und mich ;) Ich war mit vielen Familien befreundet und fast alle Frauen dort trugen Kopftücher. Ich hatte mich oft und lange mit den Frauen unterhalten. Dabei sprach ich auch das Kopftuch an. Es würde zu weit führen, wenn ich jetzt anfange, Geschichten aus dem türkischen Alltag zu erzählen. Fakt ist, dass die meisten meinten, es sei Allahs Wille, dass Frauen ihren Kopf verhüllen.

Ich telefoniere noch heute mit einigen von ihnen. Hier in Berlin dagegen sind die meisten türkischen Familien gutsituierte Geschäftsleute, deren Kinder studieren bzw. studiert haben. Da gibt es ganz wenige Frauen mit Kopftuch, obwohl auch diese Frauen gläubig (moderat) sind.

Ich danke Dir für Deinen Kommentar und hoffe, Deine Frage zur Zufriedenhait beantwortet zu haben. lg conny

 modernwoman ergänzte dazu am 13.08.14:
Hallo Erdenreiter,
vielen Dank für Deine Empfehlung. lg conny

 Rudolf meinte dazu am 13.08.14:
Oh, vielen Dank für die Antwort. Ich bin überrascht, dass Du trotz der engen Kontakte den kopftuchtragenden Frauen kritiklos das westliche Weltbild überstülpst.

 modernwoman meinte dazu am 13.08.14:
Lieber Rudolf,
ein Kopftuch hat zuerst einmal weder etwas mit westlicher oder östlicher Prägung zu tun. Es ist einfach nur eine Kopfbedeckung. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Denn bis in die späten 50er Jahre war auch in Deutschland das Tragen von Kopftüchern üblich.

Kriminell wird es aber, wenn Menschen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, auch wenn sie es nicht wollen.

Nun muss ich wohl doch eine kleine Geschichte erzählen:
Ich bin in Berlin gut mit einer türkischen Familie befreundet, die sehr modern eigestellt ist, was sich auch im Tragen ihrer Kleidung zeigt. Ihre damals 14jährige Tochter - ein hübscher Teenager - liebte es ebenfalls, sich der jeweiligen Mode angepasst, zu kleiden. Noch Mitte der Neunziger hatten sie Extrakoffer für ihren Urlaub in der Türkei. Ihre Eltern wohnten in einem kleinen Dorf nahe Bolu.

In dem Koffer befanden sich ausschliesslich Kleidungsstücke, die in dieser Gegend getragen wurden und natürlich auch Kopftücher. Wir redeten darüber und diese Frau mit ihrer Tochter sagten mir, man würde sie im Dorf steinigen, wenn sie dort in der Kleidung auftauchen würden, die sie in Deutschland tragen. Ist das nicht pervers?

Auch in der Türkei habe ich mit jungen Frauen gesprochen, die nicht aus der Grossstadt waren. Eine Reihe von ihnen sah es nicht so, dass es Allahs Wille sei, ein Kopftuch zu tragen. Aber hätten sie es nicht getan, dann wären sie gebrandmarkt worden. Es ist also eine Fessel, die unfrei macht, egal, was andere Menschen dazu sagen. Wenn diese Frauen Glück hätten, würde man sie lediglich als Orospu (Nutte) beschimpfen. Wahrscheinlicher ist es, dass in den abgelegenen Dörfern diesen Frauen Gewalt angetan würde.

Ich war ehrlich gesagt erschrocken, wie mittelalterlich es noch in bestimmten Gegenden zugeht. War ich doch von Istanbul und Ankara etwas völlig anderes gewohnt.

 Rudolf meinte dazu am 13.08.14:
Die Frage nach den Kopftüchern führte von Deinem Text fort, entschuldige. Mein Respekt vor dem Islam verleitete mich dazu. Dass Menschen konditioniert sind, ist nichts Besonderes. Ich bin konditioniert. Du bist konditioniert, daher unterstellte ich Dir das "Überstülpen".
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