Erkennungssoftware

Satire zum Thema Internet

von  tueichler

Seit einigen Jahren, also seit das Internet in unserer Gesellschaft angekommen ist - früher, in den frühen 90ern kannte man noch textbasierte eMail, wenn überhaupt, da hat man sich damit zufrieden gegeben, Inhalte mit selbst bestimmten Themen und Kategorien irgendwo abzuspeichern, meist lokal - denken wir überhaupt erst über die Inhalte elektronischer Medien nach.

Naja, eigentlich ist das nur Wunschdenken und eigentlich tun wir nur so, als dächten wir darüber nach. Wenn ich früher einen Text gesucht habe, dann musste ich in eine Bibliothek gehen und mich über Kataloge, Autorenwissen und Zeitrahmen annähern, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. Damit verbunden war aber auch, dass mir nichts anderes übrig blieb, als mir über das Thema ausführlich Gedanken zu machen. Ich brauchte eine Suchstrategie, benötigte Zeit zur Suche.

Heute sind wir da ganz anders aufgestellt. 'Type ahead' erkennt noch während ich tippe, welcher der Adressat meiner eMail ist. 'T9' vervollständigt mir Worte auf dem Smartphone, Shazan erkennt anhand einiger Takte, wes Musik ich höre und Google findet Zitate und Wikieinträge zu fast jedem möglichem Thema. Selbst Bilder taugen zur Suche - hochladen und Sekunden später weiß ich, dass der Kopf auf dem Schnappschuss die doofe Gabi aus der Grundschule ist.

Jedenfalls macht mich das Netz in seiner Vielfalt an -erkennungssoftware und -erkennungsapps glauben, alles sei echt und unfehlbar und wahr. Weder kann noch will ich anzweifeln, was das Netz mir liefert. Ich bin endlich süchtig nach Manipulation geworden und habe das Gefühl, jeder andere sei daran schuld, wenn Netzinformation nicht den Kern der Sache trifft, oder schlimmer noch, schlicht unwahr ist. Bildung brauche ich vermeintlich nicht mehr. Jedoch der viel zitierte Satz 'Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht' gilt nur sehr eingeschränkt in Bezug auf den Wahrheitsgehalt und die Relevanz der Netzinformationen.

Da ich irgendwann vielleicht doch noch erkennen sollte, dass ein Grundniveau an Bildung notwendig ist, um ein Mindestmaß an Skepsis gegenüber der Informationsflut an den Tag zu legen,  dies aber nicht kann, weil ich in dem oben beschriebenen Dilemma festhänge, warte ich einfach darauf, dass irgendwann mal einer eine Bildungserkennungssoftware schreibt. Derer werde ich mich dann bedienen.

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Kommentare zu diesem Text

B-Site (30)
(19.08.14)
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Graeculus (69)
(19.08.14)
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 tueichler meinte dazu am 19.08.14:
Einspruch E.E.! Begeisterung JA, Unreflektiertheit NEIN. Fortschritt ist eine Frage des Standpunktes. Wo wären wir, hätte nicht einer mal den Hopfen ins Bier geworfen - wir würden heute noch gärigen Gerstenbrei saufen, der am nächsten Tag vergammelt ist ;)
(Antwort korrigiert am 19.08.2014)
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