Mit zwölf Jahren war ich stumm wie ein Fisch, deshalb ist es ein Rätsel, wie überhaupt ich die Papierfrau kennenlernte. Sie war eine elegante alte Dame; vom Balkon ihrer 1-Zimmer-Wohnung hatte man einen großartigen Blick auf die Lindenallee. Ich rutschte auf dem weichen Sofa hin und her, sagte wie immer kein Wort, schwitzte, trank Kakao und sah mir ihre Dinge aus Papier an. Die Papierfrau schnitt, und sie tat es an diesem Nachmittag direkt vor meinen Augen, buntes Papier von einer alten Zeitschrift in Formen, bestrich diese mit Klebstoff und wickelte das Ganze eng um ein Hölzchen, um nach kurzer Zeit so etwas wie eine Papierperle zu erhalten. Die Papierperlen überzog sie mit einer dünnen Schicht durchsichtigen Lacks, fädelte sie dann zu sehr langen Ketten; eine davon trug sie an diesem Tag in mehreren Bahnen um ihren Hals, mit Stolz. Dann hört die Geschichte auf. Ich stand im Lärm der abendlichen Lindenallee, Kinder aßen Eis, Menschen auf Fahrrädern fuhren vorbei und ich ging nach Hause. Eine Papierkette, keine lange, trug ich in einem kleinen Knäuel in der linken Hand. Sie fühlte sich leicht an und schön. Einmal noch versuchte ich die Papierfrau zu besuchen. Es machte keiner auf. Vielleicht war es die falsche Wohnung, oder das falsche Haus.
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Kommentare zu diesem Text
wa Bash (47)
(29.11.15)
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