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Novelle zum Thema Weihnachten

von  Skala

„Ach?“ Der Schaffner zog interessiert die Augenbrauen hoch. „Da bin ich aber gespannt.“
„Ich auch“, gestand Kowalski. Dann fiel ihm etwas ein. „Werden Sie erfahren, was ... ich meine ...“
„Ob ich erfahren werde, was aus Ihnen wird?“ Der Schaffner grinste. „Ich hoffe, dass ich nichts mehr von Ihnen hören werde.“
„Wie bitte?“, fragte Kowalski beleidigt. Der Schaffner hob beschwichtigend die Hände.
„Wenn ich nichts mehr von Ihnen höre, dann kann ich davon ausgehen, dass es Ihnen gut geht. Im schlimmeren Fall sitzen Sie irgendwann wieder bei den Kollegen. Und im allerschlimmsten Fall ... sagen wir so: Auch das würde ich in Erfahrung bringen. Nein, nein, besser ist’s, Sie steigen gleich aus diesem Zug und lassen nie wieder etwas von sich hören.“

„Hmm.“ Kowalski war sich nicht sicher, was er von dieser Aussage halten sollte. Der schrullige Alte war ihm in den letzten Stunden, Tagen, Wochen, Kowalski hatte keine Ahnung, auf eine Art und Weise ans Herz gewachsen, wie einem nur jemand ans Herz wachsen kann, mit dem man gezwungenerweise über einen längeren Zeitraum in einem geschlossenen Raum eingesperrt verbringen muss. Er schlug die Augen nieder und schaute auf die fleckigen Polster in der Sitzreihe vor ihm. „Wie lange fahren wir noch?“, fragte er leise. Der Schaffner griff in eine Innentasche seiner Uniform und zog eine altmodische Taschenuhr heraus. „Eine halbe Minute“, antwortete er und deutete zur Datumsanzeige, auf der Kowalski tatsächlich das Datum lesen konnte, an dem er nach der Arbeit in den Zug gestiegen war.
Kowalski stand auf und streckte sich. „Ich ... ich danke Ihnen, Herr ...“
„Schaffner.“
„Herr ... Schaffner?“
„Nichts zu danken. Ich mache hier nur meinen Job.“

Der Zug verlangsamte seine Fahrt und kam schließlich zum Stehen. Kowalski schaute aus dem Fenster. „Aber ... das hier ist ja meine Heimatstadt, und gar nicht der Bahnhof, an dem ich eingestiegen bin.“
Der Schaffner zuckte die Schultern. „Da wollten Sie doch auch hin, oder nicht?“ Mit sanfter Gewalt drängte er Kowalski zur Tür. „Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest, Herr Kowalski.“

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