(5) - Manuka

Lyrischer Prosatext

von  autoralexanderschwarz

I
Zum Geburtstag wünschen wir uns Manuka-Honig,
weil wir so klein und zäh sein wollen wie die Maori,
aber auf dem Schwesternzimmer
gibt es nur Kamillentee
und gute Ratschläge.
Wir bedanken uns artig,
machen gute Miene zum bösen Spiel,
trinken unseren Tee und basteln Strohsterne,
versuchen uns an Laubsägearbeiten
und Kuhgedichten:
wir mögen nun das dünne Holz,
sägen so seltsam-lustige Figuren daraus
und können so herrlich-debil dabei lächeln;
tagsüber.

Nachts aber fühlen wir uns noch immer so gefährlich frei,
stürzen in Parabelflügen durch die Zeit
und sammeln Blitze in der oberen Stratosphäre;

nachts kratzen Gedanken die alten Wunden auf
und schlagen dabei wie Kometen in Strohdächer,
bis alles nur noch brennt, blutet und verdampft;
nachts fühlen wir uns noch immer so gefährlich frei,
nachts.

Wir verbringen einige sehr unruhige Nächte.


II
Irgendwo dazwischen finden wir unseren letzten Elfenbeinsplitter
und heften ihn wie einen Stern in die Dunkelheit über das Bett.
Obwohl er nicht mehr leuchtet, können wir ihn sehen:
Wir wissen, dass er noch da ist.

Sofort wird es in uns ganz ruhig und
wir können durch die Mauern hindurch in das Universum blicken.
Wie der kleine Häwelmann wollen wir nicht mehr schlafen
und bitten den Mond uns bei der Flucht zu helfen.

„Junge“, sagt der Mond, „hast du noch nicht genug?“

Wir insistieren und schließlich schickt er uns einen bleichen Strahl,
auf dem wir durch das Schlüsselloch bis nach draußen in die Stadtmitte rollen.
Dort stellen wir uns zur Schau:
Jeder soll uns so vergeistert-bleich auf unserem Rollbett fahren sehen.

III
Mit expressionistischen Schreien rollen wir durch die nächtliche Stadt,
wir schreien wie Tiere, die in ihrem Schmerz zu Menschen werden,
wir schreien vorwärts, umgekehrt und zurück,
schreien in jedes Ohr, das wir finden können,
schreien uns die Kehle wund,
doch es fällt niemandem mehr auf.

Die Stadt ist so groß, dass ständig irgendwo irgendjemand schreit;
manche lassen dabei sogar kleine Körbchen für ihre Mühe herumgehen.

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