Ich treffe sie zufällig an einem Freitagnachmittag auf dem Weg zur U-Bahn. Die Woche, die mich Tag für Tag gejagt hat, liegt nun zum Ausweiden bereit hinter mir.
Ich erkenne sie schon von weitem. Ihr gewohnt naives Lächeln und die stets zu fröhlichen Augen. Wann haben diese Augen die letzte Träne gesehen, frage ich mich augenblicklich, und wäre gerne der Grund dafür. Meine, wie gewohnt hinter der großen Sonnenbrille verborgen, sind von der letzten Fließbandarbeit zwar noch leicht gerötet, aber das Tagewerk für niemanden sichtbar.
Im Nachhinein hätte ich es gern bei einem distanzierten Zunicken belassen. Man kennt sich, erkennt sich und geht gemütlich weiter. Mein Sozialbau hätte die Mindestausstattung der vermeintlich menschlichen Konvention erfüllt. Hartz IV des Miteinanders. Aber nichts da. Sie bleibt vor mir stehen, wickelt mich mit ihren Löckchen ein und zieht mich mit ihren Fangfragen an wie Straßengräben voller Unfallopfer Schaulustige. Innerlich zucke ich mit den Schultern und würge dennoch widerwillig Antworten aus Hirn und Lunge. Ihr luftig lockeres Getue reizt mich. Nicht auf die angenehm perverse Art, eher auf die normal unangenehme.
Binnen weniger Minuten hat sie ungenießbare Zutaten für ein Süppchen zerschnippelt, meinen inneren Herd angeschaltet und lässt das Ganze jetzt auf hoher Flamme kochen. Ihre positive Ausstrahlung brodelt bedrohlich in meinem Emotionskochtopf mit den Möhren um die Wette. Als sie dann nach ihm fragt, zucke ich durch. Der erste Tritt ist befreiend und gibt die weitere Richtung vor. Ich ziele immer nur auf ihre Beine. Niemals könnte ich ihrem schönen Gesicht etwas antun. In Dauerschleife agieren die meinen mit ihren. Es ist wie Tanzen. Und ich glaube, ich führe. Als ich ihre Knie bedrohlich knacken höre, wache ich aus meinem tranceartigen Zustand auf. Schmunzeln muss ich dennoch, als ich weitergehe.
Schließlich habe ich der Hoffnung gerade die Beine gebrochen.
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