Nägel

Text

von  Oskar

Künstliche Nägel veredeln jede Frau, höre ich mich sagen, noch bevor der Piepton der Mailbox erklingt. Nur halt dich -Piep- nicht mehr. Roter Hörer. Hopfen und Malz. Wenn deine Zellulitis nicht schon anfinge deinen Bauch hochzukrabbeln, würde ich ja vielleicht noch so etwas wie amouröse Anziehung empfinden. Aber du bist in den letzten fünf Jahren schlicht fett geworden. Wenn ich dir nachts beim Schlafen zusehe, etwas, dass ich früher gerne tat, können sich meine Augen nicht entscheiden, welches der beiden Kinne das ist, in welches ich mich verliebte.

Nach unserer letzten Krise schriebst du mir eine Liste mit Dingen, die wir beide mögen. Unter anderem stand da, Fast Food. Das stimmt so aber nicht. Bin bloß zu faul zum Kochen, du hingegen liebst es wirklich. Den salzigen, in keine organische Kategorie einzuordnenden Geschmack. Der Duft ranzigen Fetts, der dich immer umwehte, kamst du grade von deiner Schicht. Hipster Frittenbude im Zentrum der Stadt. Wollte da nie reingehen. Schon der Gedanke, dass Veganer für ein bisschen Kleingeld ihre Seele verkaufen, Würstchen drehen und mit schmalen Lippen fragen, ob man noch ein Brötchen von der Biobäckerei von nebenan dazu wolle, verdarb mir den Appetit. Dinge die wir beiden mögen. Fragezeichen. Dann lange Zeit nichts. Binge Watching? Nur aus Langeweile. Verreisen? Irgendwas muss ja Instagram schmücken? Sex? Klar, wenn er so ausschaut wie Pornos, wäre eine Antwort gewesen. Ich stehe wirklich drauf. Meterlange, rotgrünschwarze Nägel, Strapse und Heels. Du, weil du Angst hast, wieder betrogen zu werden. Normaler Bettkettenbindungssex? Näh. Reicht schon, dass unser Küchentisch mit nur zwei Stühlen verziert ist. Fehlt nur noch das Wandtattoo.

Früher, als ich dir vorgaukelte, ich möge Scharade, damit dein Hirn mich als spaßigen Typen abspeicherte, mochte ich dein volles braunrotes Haar, das mittlerweile durch altersbedingte Kollateralschäden und selbst gewählten Pony versaut ist. Versautsein gaukeltest du mir vor, damit mein Hirn dich als etwas abspeichert, das ich seit meiner Pubertät nie bekam. Den vorübergehenden Glanz der Pornohefte, die ich im hiesigen Kiosk des Dorfes, indem ich aufwuchs, stahl. Doch jeder Firnis verliert seine Glorie irgendwann. Insbesondere jener der Kultur. Und was ist eine Beziehung anderes, als eine sich zwischen, was essen und was gucken wir, nahe der Implosion befindlichen Kultur. Dein Stöhnen wurde leiser. Deine Blicke, damals fickmich in Großbuchstaben, heute, nun mach schon, ich mache das immerhin für dich. Hab wenigstens du Spaß.

Zugegeben, am Ende waren die Pornoficks ein listiger Trick dank Stoff über deiner Haut, eben diese nicht sehen, nicht spüren zu müssen. Wieder Kultur. Mittels Stoff und anderem Firlefanz die Natur der Dinge nicht sehen müssen. Echtes Fleisch, echte Haut. Das ist was für Leute die gerne Metzger werden wollen. Gerne beobachtete ich dich, Schwanz in der Linken, Kamera in der Rechten, wie du dir einen, von mir bei Amazon bestellten, Riesendildo reinschobst. Nach und nach wurden sie immer kleiner und pinker. Handtaschengröße. Genau wie mein Ego. Jetzt nicht das zenmäßige illusorische Selbst. Sonders das handelsübliche kleine Ego das scheißt, fickt und netflixt. Klein. Ein Schoßhund der keine Leine braucht, da er es im Freiheitstaumel eh nicht weiter schaffen würde, als vor ein Auto zu rennen. Wuffwuff, tot. Manchmal eine verlockende Alternative.

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Kommentare zu diesem Text

Schroedinger (34)
(25.01.19)
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 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
"Na also, geht doch."

Wie meinen?
Schroedinger (34) antwortete darauf am 25.01.19:
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 Oskar schrieb daraufhin am 25.01.19:
Na dann.

 Oreste (25.01.19)
Empfindest du deinen Erzähler eigentlich auch als kolossal armes Würstchen, Oskar? Ich frage aus aufrichtigem Interesse.

O.

 Oskar äußerte darauf am 25.01.19:
Nein, könnte aber daran liegen, dass ich mit kolossal armes Würstchen nichts anfangen kann. Aber mich dünkt, du wolltest eigentlich was anderes wissen.

 Oreste ergänzte dazu am 25.01.19:
Bemitleidenswerter Mensch männlichen Geschlechts - kannst du damit mehr anfangen?

 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
Unsympathischer Mann mit Fetisch. Bemitleidenswert, nein.

Warum fragst du?
Schroedinger (34) meinte dazu am 25.01.19:
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 Oreste meinte dazu am 25.01.19:
Ich würde gern von dir erfahren, was es dir als Autor gibt, die immer selben Unsympathen regelmäßig ihren Rotz ausplaudern zu lassen.

 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
Fetisch - Nägel. Wurde absichtlich gewählt.

Kann ich dir nicht beantworten, Oreste. Nichts? Ich glaube aber, du willst eher wissen wieviel Biographisches drin ist.

Antwort geändert am 25.01.2019 um 15:28 Uhr

 Oreste meinte dazu am 25.01.19:
Macht es für die Persönlichkeitseinschätzung des Autors einen entscheidenden Unterschied, ob seine schriftlichen Schilderungen in seinem Leben oder seinem Kopf stattfinden?

 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
"Persönlichkeitseinschätzung des Autors" versuche ich als Leser zu vermeiden. Aber ja, wenn man sie betreibt. Sicherlich.

 Oreste meinte dazu am 25.01.19:
Ich switche. Ich sehe mich hier als Leser, Autor und - wer will - Mensch.

Danke.
Paulila (55)
(25.01.19)
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 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
"Dass der Text vom Fetisch deines Protagonisten handeln soll..." Habe ich nicht behauptet. Den Rest kann man so stehen lassen.

Danke für die Korrekturen.

 LotharAtzert (25.01.19)
Du weißt sicher, daß der Nagel die Kralle aus der Raubtierzeit ist. Beim roten Nagellack ist es offensichtlich, bei schwarzem auch: Blut, dh. erfolgreiche Jagd, was wiederum Sicherung der Brut vorgaukeln soll und für das Männchen, daß es weiter in Ruhe fressen, ficken und verdauen kann.
Was mir Steppenwolf alles erspart blieb, (2 Ehen überlebt) wurde mir durch Dein Horrorwerk wieder mal klar vor Augen geführt.

 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
Bin auf der anderen Seite des Steppenwolfs geboren. Der Verweis auf die Raubtierzeit ist gut. Obwohl sie ja nie endet, die Raubtierzeit.

 Irma (25.01.19)
Ich stelle mir gerade das Pendent zum LyrDu vor. Ich sehe da jemanden, der so phlegmatisch ist, dass er nichts tut - nicht einmal gehen. Stattdessen lässt er sich vermutlich gehen, sitzt unrasiert in Jogginghose mit Bierbauch vor dem Fernseher und schaut Fußball. Und wartet auf prompte Bedienung durch eine aufgestrapste sexgeile Schönheit. Stimmt 's oder habe ich Recht? LG Irma

 Oskar meinte dazu am 25.01.19:
Wenn du es gerne so hättest, why not. 90er Al Bundy ist das Ganze aber nicht.
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