...DANKE, liebes Universum oder: Es kann die Frömmste nicht in Frieden...usw...

Anekdote zum Thema Allzu Menschliches

von  Access

Liebes Universum,
ich danke dir. Meine Nachbarin ist ein prima Übungsfeld in puncto Konfliktbewältigung. Ja, dank ihres Wirkens brauche ich heute nicht mal Tropfen gegen niedrigen Blutdruck! Nein, stattdessen ist er in für mich ungeahnte Höhen geschnellt -- was für ein prickelndes, ungewohntes Gefühl. Gut, die Arrhythmien hätte ich nicht gebraucht, aber dann ist es doch auch wieder schön, wenn das Herz auf eine Normalschlagrate zurück pendelt. Herrlich. Dazu noch Sonnenschein, der mitten auf den von der Nachbarin bemängelten Holzstapel auf unserem Grundstück in der Nähe ihres Zaunes scheint. Ja, dorthin haben wir nämlich –vorübergehend – die Meterstücke ein paar kürzlich gefällter, noch junger Eschen gestapelt, etwa hüfthoch, in einem Abstand von gut 20 Zentimetern zu ihrem Zaun. Den Abstand haben wir liebevoll mitbedacht, damit die Stücke nur ja nicht auf den zwei Metern, wo das Holz lagert, ihren insgesamt zirka 200 Meter langen Zaun berühren. Huh, sonst vergammelt der wohlbehütete Zaunschatz womöglich, wir wissen ja, wieviel ihr an dem liegt.

Letzten Dienstag war sie deswegen extra schon mal da und teilte mir mit „das Holz muss weg“. Wenn mir aber jemand mit „muss“ kommt, der nicht der liebe Gott ist, welcher mir mitteilt, dass ich sterben muss (was ich als einzig sinnvolles „muss“ akzeptiere), so schenke ich der gerade Unsinn Redenden und dem Inhalt dessen, was sie sagt, wenig Gewicht. Die Wortkombination „du musst“ ist bei mir fast eine Garantie für aufsteigende Wut, Gegenargumente und zu guter Letzt, wenn nichts mehr hilft, für ein mehr oder weniger freundliches „Raus!“, das Personen aus meinem Haus komplimentiert. War auch so. Trotzdem teilte ich ja ihrem Mann mit, der am nächsten Tag mit seinem Rollator auf unserem Grundstück spazieren ging und mich ängstlich-hoffnungsvoll fragte, ob er das denn noch dürfe, dass wir das Holz ja ohnehin nicht ewig da lagern wollten. Der arme Kerl, ihm ist das alles sehr unangenehm und ein Spaziergang über unser Grundstück ist seine einzige Möglichkeit, ihr mal für fünf Minuten zu entrinnen.

Danke, Universum, auch aus diagnostischer Sicht kann ich wahnsinnig viel über die innerpsychischen Mechanismen erfahren, die meiner Nachbarin extremes Leid bereiten und mit denen sie sich selbst das Leben schwer macht. Wow, Wahnsinn, danke, dass du mir so ein unglaublich wertvolles Lernfeld zuteilwerden lässt. Ich ahnte schon gestern, dass sie sehr bald wieder bei uns stehen und etwas bemängeln würde, nachdem sie diese schöne alte Eiche bei sich auf dem Grundstück fällen und direkt schreddern ließ. Ein solches Vergnügen befriedigt sie nämlich nur sehr kurzzeitig, bis ihr die so erzielte Kontrolle über ihr Umfeld und ihren Garten nicht mehr reicht (selbst wenn jetzt kein Laub mehr durch jene getötete Eiche auf ihre Einfahrt fallen kann). Nein, die Spannung und die Unzufriedenheit steigen sehr rasch wieder an bei ihr und suchen eine Möglichkeit zur Abfuhr. Was wäre da einfacher, was liegt da näher, als bei mir zu klopfen und im gleichen Atemzug die Türklinke runter zu drücken, um erneut im Flur zu stehen und jener Spannung Erleichterung zu verschaffen?

Glücklicherweise (und noch mal danke, Universum) hatte ich abgeschlossen, ging langsam die Treppe runter, öffnete und ihren Frust entladend schallte es mir entgegen „ich gebe dir noch eine Woche, das Holz da weg zu räumen. Dann ist das Ordnungsamt da“. „Ja“, rief ich der Enteilenden freudig hinterher, „wunderbar, die sollen mal ruhig kommen, dann kann ich sie gleich fragen, ob es in Ordnung ist, eine Eiche zu fällen, die 1,20 Meter über dem Boden einen Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern hat!“ Noch jenes traurig-irritierte Eichhörnchen vor Augen, das panisch über den von der Nachbarin so geliebten Holzzaun sprang, seine es beheimatende Eiche vermissend, in der es vermutlich seine Kinder im Neste gelagert hatte. Nun ja. Gerade wieder oben, klopfte es erneut (nicht das Eichhörnchen) und fasste an die Tür. Geistesgegenwärtig hatte ich wieder abgeschlossen, ging nochmals runter und stand ihrem armen, alten Mann gegenüber, der mir bedrückt mitteilte, die Fällung der Eiche sei mit dem Ordnungsamt abgesprochen. Ich grinste und sagte „habe ich mir gedacht“. Macht, nichts, das Ordnungsamt soll ruhig trotzdem kommen und wenn unser zaungefährdendes Holz  tatsächlich, wie seine werte Gattin es mir als“ das-muss-da-weg“ weismachen wollte, auf einen Sicherheitsabstand von zwei Metern Entfernung verbannt werden sollte,  dann habe ich wirklich kein Problem damit, es anderweitig zu lagern. Was für eins schöner, sonniger Tag. Schade, dass Sie ihn nicht genießen kann. Habe ich eigentlich Tropfen gegen hohen Blutdruck im Haus?


Anmerkung von Access:

...die Tücken der Nachbarschaft....

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (26.02.19)
Mein Lieblingssatz (als Ohrzeuge): "Sie haben eh keine Chance. Wir sind hier Anlieger." Ob da Kloppe oder "Wir-lügen-bis-sich-die-Balken-biegen" angekündigt wurde, weiß ich nicht. Aber die bösen Nichtanlieger haben bestimmt beides verdient...

Aber um ein bekanntes Wort zu paraphrasieren: "Ein Nachbar ist nur eine Popofidel , die du noch nicht kennengelernt hast."

Kommentar geändert am 26.02.2019 um 21:34 Uhr

 Access meinte dazu am 26.02.19:
huaa...ich wünschte, ich hätte jene außerordentliche Popofidel nicht kennengelernt. Das zehrt so. WO ist mein verdammter Therapeut.... (nee, im Ernst, es übt in Konfliktbewältigung. Die Frau ist einfach krank und das tut mir auch leid (ebenso wie ihr Mann), aber es beeinträchtigt dummerweise so langsam mein Wohlbefinden, es zermürbt einen, wie sie nach Misständen sucht und garantiert welche findet....Liebe Welt...gibt es denn nichts Schönes, worauf es sich für sie lohnen würde, ihr Augenmerk zu richten? Hilfe. Ich. kann. nihct. mehr. Sie offenbar schon.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 26.02.19:
Es gibt halt viele Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, nur dann "glücklich sind, wenn sie ihren Mitmenschen Vorschriften machen können. Die haben mittlerweile ja sogar eine Partei als Alternative. Aber Nachbarn sind für diese natürlich die naheliegendsten Ziele.

 Sanchina (27.02.19)
Seltsam finde ich, dass die jungen Eschen "gefällt" wurden, die Eiche hingegen "getötet".
Gruß, Barbara

 Access schrieb daraufhin am 27.02.19:
...ja...auch jene Eschen wurden getötet...noch seltsamer fand ich, dass jene gottgesandte Nachbarin mich am Tag nach der Fällung jener Eschen meckernd fragte "Warum habt ihr denn die Bäume gefällt? wie sieht das denn jetzt aus.." und ich ihr erklärte, dass der Baumkletterer, der eigentlich nur Totholz aus unseren beiden Eichen schneiden sollte, festgestellt hatte, dass die wild wachsenden Eschen (ich glaube zumindest, dass es welche waren....) mittlerweile in die Krone der Eiche einwuchsen und die Eiche beschädigte und er daraufhin eine Ausdünnung des Bestandes empfahl.... Ich mag es im Übrigen generell nicht, Bäume zu fällen. Für mich haben die alle eine Seele.
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