Klarsicht
Gedicht
von juttavon
Kommentare zu diesem Text
wa Bash (47)
(02.05.19)
(02.05.19)
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Das freut mich sehr, lieber wa Bash! Danke.
HG Jutta
HG Jutta
Ein wunderschönes Gedicht, liebe Jutta.
Das lyr. Ich wendet sich in deinem Gedicht an ein lyrisches Du, ein Begriff, den es als eigenständigen Terminus nicht gibt. Das Ich und das Du des Gedichtes sind eins und werden zum flüchtigen Wir. Das Du könnte ggf. auch eine reale Person darstellen.
Ich lese viel Sehnsucht bereits in der ersten Strophe. „Ankommen“ bedeutet ja die Überwindung einer räumlichen und zeitlichen Trennung, umgangssprachlich gar „zur Welt kommen“, will sagen, geboren werden.
Augen assoziiere ich mit dem Organ des Lichts, der Bewusstheit, aus der nach einem der ägyptischen Schöpfungsmythen die Welt entstanden ist. Stimmiger scheint mir aber in deinem Gedicht das Auge als Spiegel der Seele, als empfangendes Organ zu sein.
Womöglich wird in der ersten Strophe die Reise zum inneren Mann (Animus) bzw. zur inneren Frau (Anima) beschrieben. Es handelt sich hierbei um zwei der wichtigsten Archetypen, also im kollektiven Unbewussten angelegte, von individueller Erfahrung unabhängige Strukturen aus der analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung. Diese Reise wäre ein Teilaspekt der Individuation nach C. G. Jung.
An die „Chymische Hochzeit“ bzw. „Hieros-Gamos (heilige Hochzeit)“ könnte man in diesem Zusammenhang ebenfalls denken, die Vereinigung verschiedenster, komplementär wirkender Gegensatzpaare, die gemeinsam zu einer höheren Einheit werden.
Diese neu entdeckte innere Person, zu der eine Beziehung aufgebaut wurde, bringt dem Einzelnen bewusst und gezielt eine Fülle neuer Einsichten und Einstellungen, die ihm bis dahin unzugänglich waren und die die Persönlichkeit bereichern.
„Fragen nach dem Weg der Gangart des Zarten das Warten und Untergehen oder das Wehen auf der Haut verschenken“. Dass dieser Prozess sich auch in der Liebe, der Annäherung wiederfindet, wird in obigen Versen schön verbildlicht. „Warten und Untergehen“ weist evtl. auf die potenziell schwierigen Momente (Sehnsucht, Hoffnung, Zweifel, Angst, Geduld, Enttäuschung) hin.
„zeitgleich unsere Stimmen in Höhlengängen“ verdeutlicht die schon immer bestehende Verbindung dieser Persönlichkeitsanteile auf einer höheren Ebene des Unbewussten.
„im Bangen der Mut uns an das Drehen der Erde zu lehnen“ ist ein wunderbares Bild.
Der Rotation, der Eigendrehung entspräche psychologisch sinngemäß die Forderung zur Individuation, also dazu, ein einmaliges Wesen, ein Individium zu werden. Der Revolution, der Bewegung um die Sonne, entspräche die Forderung, sich einzuordnen in ein größeres, höheres Ganzes, in überpersönliche Zusammenhänge.
Damit einhergehend haben wir uns der Angst zu stellen, die ggf. droht, wenn wir aus dem Massenmensch-Modus ausbrechen, aus der Geborgenheit des Dazugehörens und der Gemeinsamkeit herausfallen, was Einsamkeit und Isolierung bedeuten kann.
„die Leere der Hände zu teilen“ ist wieder ein eindrucksvolles Bild. Dieses Paradoxon erinnert mich an Zen-Buddhismus. Erlösung bedeutet, sich der Leerheit und gleichzeitig der Zugehörigkeit zu allem bewusst zu werden. Vllt. will dieser Vers auf das spirituelle Eingebettetsein des ganzen Prozesses hinweisen.
Soweit zur Deutung. Einige Sätze zur sprachlichen Gestaltung.
Für mich ein sehr sprachmusikalisches Gedicht mit Rhythmus und ausgeprägter Bildhaftigkeit. Die Klangfiguren „Assonanz, Alliteration und Konsonanz“ sind auffällig. Exemplarisch einige Beispiele:
1. Vers: Alliteration bei a in „angekommen/Augen“, Assonanzen bei e, i in „angekommen/in/deinen/Augen/spiegeln, Konsonanz bei n
2. Vers: Assonanz bei a, e, Konsonanz bei g, n
3. Vers: Reime bei Zarten/Warten, Gehen/Wehen, Assonanz/Alliteration bei und/Untergehen,
4. Vers: Assonanzen bei a, e, Konsonanzen bei h, n
5. Vers: Assonanzen bei e, i, ö und e in „Höhlen“ bzw. ä und e in „gängen“ werden assonantisch als ähnlich klingend anerkannt.
Im letzten Vers sei das Stilmittel Paradoxon/Oxymoron hervorgehoben.
Insgesamt betrachtet ein prima Gedicht mit Wiedererkennungs-Charakter. Typisch JvO.
HG
H.
Das lyr. Ich wendet sich in deinem Gedicht an ein lyrisches Du, ein Begriff, den es als eigenständigen Terminus nicht gibt. Das Ich und das Du des Gedichtes sind eins und werden zum flüchtigen Wir. Das Du könnte ggf. auch eine reale Person darstellen.
Ich lese viel Sehnsucht bereits in der ersten Strophe. „Ankommen“ bedeutet ja die Überwindung einer räumlichen und zeitlichen Trennung, umgangssprachlich gar „zur Welt kommen“, will sagen, geboren werden.
Augen assoziiere ich mit dem Organ des Lichts, der Bewusstheit, aus der nach einem der ägyptischen Schöpfungsmythen die Welt entstanden ist. Stimmiger scheint mir aber in deinem Gedicht das Auge als Spiegel der Seele, als empfangendes Organ zu sein.
Womöglich wird in der ersten Strophe die Reise zum inneren Mann (Animus) bzw. zur inneren Frau (Anima) beschrieben. Es handelt sich hierbei um zwei der wichtigsten Archetypen, also im kollektiven Unbewussten angelegte, von individueller Erfahrung unabhängige Strukturen aus der analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung. Diese Reise wäre ein Teilaspekt der Individuation nach C. G. Jung.
An die „Chymische Hochzeit“ bzw. „Hieros-Gamos (heilige Hochzeit)“ könnte man in diesem Zusammenhang ebenfalls denken, die Vereinigung verschiedenster, komplementär wirkender Gegensatzpaare, die gemeinsam zu einer höheren Einheit werden.
Diese neu entdeckte innere Person, zu der eine Beziehung aufgebaut wurde, bringt dem Einzelnen bewusst und gezielt eine Fülle neuer Einsichten und Einstellungen, die ihm bis dahin unzugänglich waren und die die Persönlichkeit bereichern.
„Fragen nach dem Weg der Gangart des Zarten das Warten und Untergehen oder das Wehen auf der Haut verschenken“. Dass dieser Prozess sich auch in der Liebe, der Annäherung wiederfindet, wird in obigen Versen schön verbildlicht. „Warten und Untergehen“ weist evtl. auf die potenziell schwierigen Momente (Sehnsucht, Hoffnung, Zweifel, Angst, Geduld, Enttäuschung) hin.
„zeitgleich unsere Stimmen in Höhlengängen“ verdeutlicht die schon immer bestehende Verbindung dieser Persönlichkeitsanteile auf einer höheren Ebene des Unbewussten.
„im Bangen der Mut uns an das Drehen der Erde zu lehnen“ ist ein wunderbares Bild.
Der Rotation, der Eigendrehung entspräche psychologisch sinngemäß die Forderung zur Individuation, also dazu, ein einmaliges Wesen, ein Individium zu werden. Der Revolution, der Bewegung um die Sonne, entspräche die Forderung, sich einzuordnen in ein größeres, höheres Ganzes, in überpersönliche Zusammenhänge.
Damit einhergehend haben wir uns der Angst zu stellen, die ggf. droht, wenn wir aus dem Massenmensch-Modus ausbrechen, aus der Geborgenheit des Dazugehörens und der Gemeinsamkeit herausfallen, was Einsamkeit und Isolierung bedeuten kann.
„die Leere der Hände zu teilen“ ist wieder ein eindrucksvolles Bild. Dieses Paradoxon erinnert mich an Zen-Buddhismus. Erlösung bedeutet, sich der Leerheit und gleichzeitig der Zugehörigkeit zu allem bewusst zu werden. Vllt. will dieser Vers auf das spirituelle Eingebettetsein des ganzen Prozesses hinweisen.
Soweit zur Deutung. Einige Sätze zur sprachlichen Gestaltung.
Für mich ein sehr sprachmusikalisches Gedicht mit Rhythmus und ausgeprägter Bildhaftigkeit. Die Klangfiguren „Assonanz, Alliteration und Konsonanz“ sind auffällig. Exemplarisch einige Beispiele:
1. Vers: Alliteration bei a in „angekommen/Augen“, Assonanzen bei e, i in „angekommen/in/deinen/Augen/spiegeln, Konsonanz bei n
2. Vers: Assonanz bei a, e, Konsonanz bei g, n
3. Vers: Reime bei Zarten/Warten, Gehen/Wehen, Assonanz/Alliteration bei und/Untergehen,
4. Vers: Assonanzen bei a, e, Konsonanzen bei h, n
5. Vers: Assonanzen bei e, i, ö und e in „Höhlen“ bzw. ä und e in „gängen“ werden assonantisch als ähnlich klingend anerkannt.
Im letzten Vers sei das Stilmittel Paradoxon/Oxymoron hervorgehoben.
Insgesamt betrachtet ein prima Gedicht mit Wiedererkennungs-Charakter. Typisch JvO.
HG
H.
Lieber H., herzlichen Dank für Deinen schönen Kommentar, der ganz viel trifft von meinen inneren Bildern.
Auch hast Du Motive angesprochen, die mir in dem Text zentral sind: Die Spannung von Flüchtigem und Beständigem und diejenige von Alleinsein und Verbundensein, das manchmal schmerzhafte Loslassen im inneren Wachsen - auch Zueinanderwachsen - u.a.m.
Zum Schluss spielt Zen-Buddhistisches mit rein. Und auch die Frage: Was können wir uns wirklich geben? Manchmal zählt ja schon die einfache Geste des Teilens, ohne weiteren konkreten Inhalt.
HG Jutta
Auch hast Du Motive angesprochen, die mir in dem Text zentral sind: Die Spannung von Flüchtigem und Beständigem und diejenige von Alleinsein und Verbundensein, das manchmal schmerzhafte Loslassen im inneren Wachsen - auch Zueinanderwachsen - u.a.m.
Zum Schluss spielt Zen-Buddhistisches mit rein. Und auch die Frage: Was können wir uns wirklich geben? Manchmal zählt ja schon die einfache Geste des Teilens, ohne weiteren konkreten Inhalt.
HG Jutta
Hallo Jutta,
wenn zwei Menschen angekommen sind in ihrer Liebe, stellt sich früher und später die Frage wie soll oder wird es weitergehen?
Sich "an das Drehen der Erde zu lehnen" ist ein wunderbares Bild, sich nicht zuviele Gedanken zu machen, sondern "im Bangen mit Mut" das anzunehmen, was das Schicksal vorsieht.
Gern Gelesen und LG
Manfred
wenn zwei Menschen angekommen sind in ihrer Liebe, stellt sich früher und später die Frage wie soll oder wird es weitergehen?
Sich "an das Drehen der Erde zu lehnen" ist ein wunderbares Bild, sich nicht zuviele Gedanken zu machen, sondern "im Bangen mit Mut" das anzunehmen, was das Schicksal vorsieht.
Gern Gelesen und LG
Manfred
Kommentar geändert am 09.05.2019 um 21:20 Uhr
Vielen Dank, lieber Manfred!
HG Jutta
HG Jutta