Zucht
Fabel zum Thema Bewusstsein
von RainerMScholz
Ständig stoßen wir mit unseren Hüften aneinander, mit den Köpfen und mit den Ärschen. Meine Schnauze ist ganz blutig und ich habe schon zwei Schneidezähne verloren. Es riecht ätzend nach Ammoniak und groben Fäkalien, nach Schweiß und Eiter. Jeder macht einfach unter sich, und es ist so sehr eng und bedrängt, dass ich meine nächsten Nachbarn wegbeißen muss, und sie mich. Der Geräuschteppich ist ohrenbetäubend, weil alle schreien und weinen und pfeifen und singen, schnarchen, rülpsen, furzen und speien. Manchmal wird mir schummrig davon, wie irre im Kopf.
Frau Sau kommt mit einer Schubkarre und begutachtet den neuen Wurf im Pferch nebenan. Drei sind tot, der Rest hängt rosa, warm und gierig an der Zitze. Die Mutter starrt gläsern an die Gitter; wenn sie sich umzudrehen versucht, stößt sie an das schmierige Gestänge. Die Nachgeburt liegt zu ihren Füßen. Ein paar von uns versuchen da heranzukommen, aber Frau Sau haut mit dem Besenstiel auf die Arme.
Herr Eber hat die grüne Latzhose an. Also gibt es heute Kraftfutter, kleine, gepresste, tablettenartige Stöpsel. Danach fühlt man sich gesättigt und irgendwie auch benommen. Anderentags gibt es helle Stöpsel. Manche sind danach so geil, dass sie sich gegenseitig bespringen im Gedränge. Dann kommt Herr Eber und haut mit dem Stecken auf uns, dass alle sich flach auf den Beton legen und warten, bis es vorüber ist, hoffend, nicht zu sehr getroffen zu werden.
Frau Sau holt den Schlauch und spritzt uns kalt ab. Das ist die wöchentliche Dusche, wegen der Hygiene. Im Schlauchwasser ist brennende Flüssigkeit, aber danach ist das Ungeziefer für kurze Zeit fort. Nur offene Wunden vom Scheuern, Kratzen und Beißen schmerzen sehr.
Bei der Mutter nebenan ist noch ein Kleines gestorben. Sie wimmert leise und hält sich die Hände vor den Mund. Frau Sau kehrt den winzigen Leichnam mit dem Besen weg.
Das Essenfassen ist jetzt beendet, alle Nahrung vom Boden und zwischen den Ritzen aufgesammelt und verzehrt. Herr Eber kontrolliert das Thermometer unter dem Schaltkasten. Uns ist sowieso nie kalt, so viele wie wir sind. Er ruft nach Frau Sau. Sie gehen zusammen zur Stahltür, hinter der die Welt beginnen muss. Herr Eber und Frau Sau knipsen die Neonbeleuchtung aus. Im Dunkel beißen wir uns gegenseitig die Schwänze und die Ohren ab.
© Rainer M. Scholz
Frau Sau kommt mit einer Schubkarre und begutachtet den neuen Wurf im Pferch nebenan. Drei sind tot, der Rest hängt rosa, warm und gierig an der Zitze. Die Mutter starrt gläsern an die Gitter; wenn sie sich umzudrehen versucht, stößt sie an das schmierige Gestänge. Die Nachgeburt liegt zu ihren Füßen. Ein paar von uns versuchen da heranzukommen, aber Frau Sau haut mit dem Besenstiel auf die Arme.
Herr Eber hat die grüne Latzhose an. Also gibt es heute Kraftfutter, kleine, gepresste, tablettenartige Stöpsel. Danach fühlt man sich gesättigt und irgendwie auch benommen. Anderentags gibt es helle Stöpsel. Manche sind danach so geil, dass sie sich gegenseitig bespringen im Gedränge. Dann kommt Herr Eber und haut mit dem Stecken auf uns, dass alle sich flach auf den Beton legen und warten, bis es vorüber ist, hoffend, nicht zu sehr getroffen zu werden.
Frau Sau holt den Schlauch und spritzt uns kalt ab. Das ist die wöchentliche Dusche, wegen der Hygiene. Im Schlauchwasser ist brennende Flüssigkeit, aber danach ist das Ungeziefer für kurze Zeit fort. Nur offene Wunden vom Scheuern, Kratzen und Beißen schmerzen sehr.
Bei der Mutter nebenan ist noch ein Kleines gestorben. Sie wimmert leise und hält sich die Hände vor den Mund. Frau Sau kehrt den winzigen Leichnam mit dem Besen weg.
Das Essenfassen ist jetzt beendet, alle Nahrung vom Boden und zwischen den Ritzen aufgesammelt und verzehrt. Herr Eber kontrolliert das Thermometer unter dem Schaltkasten. Uns ist sowieso nie kalt, so viele wie wir sind. Er ruft nach Frau Sau. Sie gehen zusammen zur Stahltür, hinter der die Welt beginnen muss. Herr Eber und Frau Sau knipsen die Neonbeleuchtung aus. Im Dunkel beißen wir uns gegenseitig die Schwänze und die Ohren ab.
© Rainer M. Scholz