Hillesheim, Backeskartoffeln und das Heimweh

Erzählung zum Thema Alltag

von  Februar

Hillesheim Backeskartoffeln und das Heimweh

Ich glaube kaum, dass einmal jemand von meinen Lesern auf die Idee kommt nach Hillesheim zu reisen. Wenn doch, es ist ein kleiner Ort
zwischen Dolgesheim in Norden, 
Alsheim im Osten, 
Dittelsheim- Hessloch im Süden,
und Gau Odernheim im Westen. Guckt auf die Landkarte, da findet ihr dieses Fleckchen Erde. Früher konnte man kleine Kinder unbeaufsichtigt auf der Straße spielen lassen, denn sehr selten verirrte sich einmal ein Autofahrer hier her. Es war ein kleines beschauliches Leben. Hier wusste man alles vom Anwohner gegenüber. Man half sich gegenseitig.

Einmal in der Woche brachte man am Vormittag das Abendessen für die Familie zum Bäcker. Das war ein hoher Topf mit Backes Kartoffeln. Der Meister stellte ihn in seinen großen Backofen, wenn das knusprige Brot herauskam. Die Resthitze genügte, um unsere Mahlzeit gar werden zu lassen. Obwohl es früher meistens Großfamilien gab, also Großeltern, Eltern und jede Menge Kruppzeug, schreibe ich hier das Rezept für zwei Personen auf: 

In dem hohen Topf, meistens aus Gusseisen, denn der hält die Hitze länger, kam
eine gepökelte Schweinehinterhaxe,
sechs große grob gewürfelte Kartoffeln,
1/2 Schoppen Sahne,
2 geviertelte Zwiebeln
ein guter Schuss Weißwein,
kleingeschnittenes Dörrfleisch,
und gewürzt wurde das Ganze
mit Zimt, einem Lorbeerblatt,
zwei Nelken und
ein paar weißen Pfefferkörnern. 
Mehrere Butterflöckchen können nicht schaden.
Nun das Dörrfleisch mit Zimt als letzte Schicht drauf geben.
Nicht vergessen den Topf nur mit einem halb so großen Deckel abdecken.
Es war und ist bis heute noch ein sehr gehaltvolles Essen.
Dazu gab es Buttermilch. Ja Ihr lest richtig, Buttermilch. Kocht es einmal nach, im eigenen Backofen braucht das Ganze ca. 2 Stunden auf 180 Grad.
So konnten alle Familienmitglieder auf ihrem Feld Getreide mähen, oder Kartoffeln aushaken, halt gerade eine Arbeit tun, die der Jahreszeit entsprach. Und am Abend holte man den sperrigen Topf vom Backhaus, stellte ihn auf den blankpolierten Tisch und viele Kinderaugen sahen gespannt, als der Deckel aufgehoben wurde, und der herrliche Duft durch die Küche zog.
Artig warteten sie, bis der Vater sich seinen Teil genommen hatte, danach war der älteste Sohn daran und dann kamen das kleine Gewusel. Die Mutter hatte schon genügend für alle vorbereitet. Auch die Großeltern kamen nicht zu kurz.
Im Sommer saß man dann nach getaner Arbeit am Abend vor der Tür. Die Männer mit einem Schöppchen Hillesheimer Sonnheil in den schwieligen Händen, und die Frauen zeigten ihren Töchtern, solange es noch hell war, wie man Strümpfe strickt. Der Großvater sog an seiner Pfeife und die Großmutter streichelte die Katze.
Man redete mit dem Nachbarn von gegenüber über die Ernte des kommenden Jahres, während die Sonne im Westen langsam unterging. Die Kinder durften in den Ferien länger aufbleiben und tobten sich zum Ergötzen der Erwachsenen vor dem Schlafengehen noch einmal richtig aus.
Ob das alles noch so ist, und wie es allerdings jetzt dort aussieht, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wohne schon lange nicht mehr dort.

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Kommentare zu diesem Text


 Owald (18.10.19)
Das liest sich irgendwie ... - einladend.

 Februar meinte dazu am 19.10.19:
Danke für Deine Worte,fahr mal hin lieberOswald, Oktober ist dort Weinlese, nimm Dir ein Zimmer, viele Privaten haben Platz. Und dann grüße alle von der Metzgersfraa

Antwort geändert am 20.10.2019 um 13:17 Uhr

 TassoTuwas (20.10.19)
Diese Geschichte macht ein Fenster auf, ein Fenster, dass eine andere Zeit zeigt.
Selbst seit Jahren mit der Frage beschäftigt, noch einmal den Ort der Kindheit aufzusuchen oder nicht, denke ich, nach dem Lesen dieser kleinen aber feinen Erzählung, die Erinnerung an die Vergangenheit wie sie war, zu erhalten ist besser.
LG TT

 Februar antwortete darauf am 20.10.19:
Danke lieber TT, das Rückbesinnen im Alter ist ganz normal, nur die wenigsten schreiben es auf und lassen damit niemand teilhaben..

 Februar schrieb daraufhin am 16.01.21:
Beim Durchblättern, stieß ich wieder mal auf meine Geschichte und das Heimweh,...ja das Heimweh,...die lieben Eltern wieder sehen, ich sehne mich dort hin wo sie jetzt sind. Warum darf ich noch nicht gehen?
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