Werd ich meinen Baum noch einmal sehen

Erzählung zum Thema Erinnerung

von  Februar

Werde ich meinen Baum noch einmal sehen?
Meine früheste Kindheit verbindet sich mit ihm. Er kennt alle meine kleinen Geheimnisse. Zu meiner Geburt pflanzte mein Vater diesen Baum. Schon im Kinderwagen wurde er mir vertraut. So bestaunte ich seine Blätter, wenn der Wind sie bewegte.
Erinnerungen an diese Zeit habe ich nicht, aber meine Mutter erzählte mir immer davon. Im Gedächtnis sind mir seine Früchte, es waren Mirabellen. Mit vier Jahren kletterte ich auf die niedrigen Äste und aß mich satt. Das war so den ganzen Sommer mein Frühstück. Keiner durfte auf den Baum.
Die Kinder der Straße, manchmal auch Erwachsene hörten still zu, wenn ich erzählte was mein Baum schon alles erlebt hatte. Dabei vergaß ich nicht, das Obst großzügig zu verteilen. So saßen wir stundenlang in seinem Schatten. Ich erfand immer wieder neue Geschichten, die ich natürlich auch selber glaubte.
Meine Fantasie schlug damals schon Purzelbäume, es ist bis heute so geblieben. Meinen Kindern, und jetzt meinen Enkeln und Urenkel kommt das alles zu Gute. Die jüngste Enkelin hat es geerbt und ich freue mich darüber.
Gefördert wurde ich von meinem Vater. Er war ein sehr belesener Mann. Daher durfte ich mir Bücher ausleihen, natürlich dem Alter entsprechend. So ging mir der Gesprächsstoff mit meinen Freundinnen nie aus.
Am liebsten aß ich die grünen Früchte, die Unreifen. Ich hatte eine Blausäurevergiftung und der Arzt kam. Nun durfte ich erst nach einem richtigen Frühstück auf meinen Baum. Man schärfte mir ein, nur die gelben Früchte zu essen
Ich liebte meinen Baum
Mir machte seine raue Borke nichts aus. Sie wurde durch meine Kletterei mit den Jahren immer glatter. In den kleinen Astlöchern fand ich später meine ersten Liebesbriefchen. Danach kam eine schlimme Zeit. Mein Vater verstarb plötzlich und wir zogen um.
Danach trieb ich mich öfter in meiner Kindheitsstraße herum, doch ich fand nicht den Mut, nach meinem Baum zu fragen. Hineinsehen konnte man nicht mehr, sie hatte einen hohen Sichtschutz davor gebaut. Traurig ging ich nach Hause und war seitdem nicht mehr dort.
Jetzt bin ich alt und erzählte es meinen Enkelkindern. Sie rieten mir, ihn zu besuchen und wollten mich sogar begleiten. Aber ich habe Angst, wie wird die Wirklichkeit sein? Bis heute kann ich glauben, dass es ihn noch gibt.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (24.10.19)
Eine sehr schöne Baumgeschichte. Warum nur ziehen Leute um, das ist traurig.

 Dieter_Rotmund (24.10.19)
Stellenweise etwas arg kitschig und Sätze schließt man normalerweise mit einem Satzpunkt ab.

 idioma meinte dazu am 24.10.19:
Wir sind alle Menschen und einige davon haben immernoch Gefühle, obwohl Gefühle zunehmend und schon fastgar grundsätzlich des Kitsches bezichtigt werden ! So werden auch Gefühle zunehmend zu einer
aussterbenden Art und unsere sich einerseits erhitzende Welt wird andereseits immer kälter........

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 24.10.19:
Wir leben in einer zunehmend emotionalisierten Welt. Das ist sogar so stark, dass man über viele Themen gar nicht mehr sachlich sprechen kann. Verklärung (Kitsch) ist da keine Lösung, sondern Teil des Problems.

 idioma schrieb daraufhin am 24.10.19:
Klar : nur mit sachlich-eiskaltem Herz kann man dem Wald-und Artensterben und dem Verdursten der Erde tatenlos zuschauen und weiterhin das 130-Tempolimit verhindern, obwohl das der allereinfachste allererste Schritt zur konkret-praktischen Schonung des Klimas wäre !
Der Mirabellenbaum ist längst gefällt und zwar ersatzlos, denn er machte zu viele Blätter und zu wenig Früchte.
In unsrer Wohnsiedlung wird jedenfalls mit dem Hausmeister-Argument "zu viele Blätter zu entsorgen" ein Baum nach dem andern gefällt und kein einziger gepflanzt !!! Nach der ebenso saublöd begründeten Fällung einer 30 Meter hohen Esche, eines inzwischen eigentlich geschützten Baumes (!!!) hab ich angeboten, die Pflanzung einer Zeder zu bezahlen, die "keine Blätter macht", aber es ist n i c h t s zu machen wider die saubere schwäbische Sachlichkeit !!!

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 24.10.19:
Interessant! Hier in Baden lyncht einem ein wütender Mob, wenn man auch nur an einem Baum kratzt, so mein Eindruck...

Hat das einen bestimmten Grund, dass Du Sätze nicht mit einem Satzpunkt abschließt?

 Februar ergänzte dazu am 24.10.19:
Warum der Text: -Mein Baum-...denn, wenn das große Abholzen weitergeht, ehe sich die Größten dieser Wellt einig werden, gibt es keinen Platz mehr für unsere Seelen. Es sei denn in den Wogen des Meeres.
Danke Euch allen, für das Lesen und Kommentieren, Euer Februar

 EkkehartMittelberg (24.10.19)
hallo Dieter, Kitsch ist durch Übertreibung definiert. Zeige mir bitte, wo in dieser Erzählung von Februar irgendetwas übertrieben dargestellt wird.
Servus
Ekki
Agneta (62) meinte dazu am 25.10.19:
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 Moja (24.10.19)
Mir gefällt Deine Geschichte auch, Februar, ich finde sie überhaupt nicht kitschig. So wie Du von Deinen Gefühlen sprichst, kann auch ich mich hineinfühlen und hoffe, dass der Baum noch steht.

Lieben Gruß, Moja
Stelzie (55)
(24.10.19)
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 Access (24.10.19)
Bäume verweilen länger als wir - wenn wir sie lassen. Lassen wir sie nicht, dann wisse aber, dass sie es könnten und freue dich, dass du ihn eine Zeitlang begleiten durftest und er dich begleitet hat.

 Februar meinte dazu am 24.10.19:
Glaubt mir einer, dass ich Tränen in den Augen hattee, beim Lesen Eurer Kommentare? Dieser Baum ist ein Stück verlorere Heimat. Danke Euch allen Gruß Februar

 Access meinte dazu am 24.10.19:
...ja, das kann ich dir sehr gut nachfühlen. Dieser Baum war etwas ganz besonderes für dich -- und du auch für ihn.

 princess (25.10.19)
Er wird sehr wahrscheinlich seine Form verändert haben, der Baum. Vielleicht wurde er sogar gefällt. Ja, selbst wenn heute von ihm nichts mehr zu sehen sein sollte: Es gibt ihn immer noch. In dir.

Liebe Grüße
p.
Agneta (62)
(25.10.19)
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 Februar meinte dazu am 26.10.19:
Vielen Dank Euch allen, für Eure Worte

Feundliche Grüße Februar
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