Wie ich im richtigen Moment das richtige Buch fand

Anekdote zum Thema Selbsterkenntnis

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Vor einer Reihe von Jahren wurde ich von einigen Christen meiner ehemaligen Gemeinde hart kritisiert, da ich aus ihrer Sicht  mich damals in einer schwierigen Lebenssituation zu passiv verhielt . Einerseits war ich wütend, andererseits deprimiert. Man urteilte nach dem Augenschein, ohne aber mich und meine Situation wirklich zu kennen!
      Eines Nachmittags fuhr ich in die Universität, wie ich es damals häufiger tat, und begab zum Lesen in die dortige Bibliothek. Ich hatte gerade meine Sachen im Schließfach verstaut und ging nun an der Buchausleihe vorbei, als ich eine Frau laut  lachend sagen hörte: "Irren ist menschlich!"
    Dieser Satz traf mich in meinem Innern, ohne dass ich einen Grund dafür hätte nennen können. Ich wusste augenblicklich, dass es ein  - natürlich von der Frau nicht beabsichtigter - Hinweis für mich war.

Etwas irritiert machte ich mich auf den Weg zu meinem Lieblingsplatz. Aber nach einigen Metern kam mir plötzlich die Idee, meine Richtung zu ändern. Eine Inspiration vermutend,  bog ich von meinem Weg ab und ging fortan wie in einer Art "Blindflug" ziellos weiter, gerade wie es mir in den Sinn kam.
    Schließlich stoppte ich vor einem Buchregal und griff blind hinein. Neugierig schaute ich auf den Titel des alten, leicht vergilbten Buches, welches  ich nun in den Händen hielt. Er lautete Über den Irrtum
  Ich war wie vor den Kopf geschlagen. War das möglich? Hastig schlug ich das Buch  auf und las die Überschrift des ersten Kapitels: Irren ist menschlich! Jetzt war ich wirklich geplättet.

Um den Sachverhalt  noch einmal klar herauszustellen.  Zwischen der Bemerkung der Frau "Irren ist menschlich" und der Kapitelüberschrift "Irren ist menschlich" lagen etwa zwei Minuten experimenteller Blindflug durch eine riesige Bibliothek im Vertrauen auf eine göttliche Lenkung.
  Die mathematische Wahrscheinlichkeit einer rein zufälligen Übereinstimmung dürfte gegen Null tendieren, ein Lottogewinn wahrscheinlicher sein. Ganz offensichtlich war ich zu dem Buch hingeführt worden.  Aber warum?
   
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich lesend in der Bibliothek. Als ich das Buch schließlich  wieder zurück ins Regal stellte und kurz danach die Bibliothek verließ, fühlte ich mich getröstet.
    Ich hatte begriffen, dass der Irrtum wirklich ein Teil der menschlichen Natur ist  und jeder von uns da auf die ein oder andere Weise von betroffen ist. Und dies wahrscheinlich  in einem weit größeren Ausmaß, als wir es ahnen.
    So  konnte ich jetzt auch nachsichtiger mit der Kritik meiner Glaubensgeschwister umgehen.  Sie irrten sich mit ihrer Kritik, aber war das nicht allzu menschlich? Wie oft hatte ich mich selber schon kritisch über andere geäußert und im Nachhinein festgestellt, dass ich mich geirrt hatte.  Hätte ich die Möglichkeit eines Irrtums miteinkalkuliert, wäre ich vielleicht vorsichtiger gewesen.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 loslosch (07.05.21)
wenn ich einen lesetext kurz unterbreche und nach 1 bis 2 minuten weiterlese, lande ich - wie durch eine göttliche fügung - oft mit dem blick just auf der stelle, wo ich zuletzt abgebrochen hatte.

gott bearbeitet mich?

ps: mich rührte urplötzlich ein menschliches verlangen und ich beendete den kommi mit "?". mit knapper not erreichte ich den stillsten platz des hauses - gerade noch rechtzeitig. war das wieder ein wink von oben?

aus "Wie ich im richtigen Moment das richtige Buch fand" konstruiere ich jetzt "Wie ich im richtigen Moment die toilette fand". - nicht böse sein.

Kommentar geändert am 07.05.2021 um 13:01 Uhr
Dieter Wal (58)
(07.05.21)
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ich (54)
(07.05.21)
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 Bluebird meinte dazu am 07.05.21:
Danke für dieses nette Feedback!

 loslosch antwortete darauf am 07.05.21:
denk dran, ein feedback ohne begründung.

wetten, dass du ein außergewöhnlich gutes fotografisches gedächtnis hast. blindschach ist vermutlich kein problem für dich. diese ressource solltest du optimieren.

 DanceWith1Life (07.05.21)
Ich glaube nicht, dass irgendjemand schon versteht, mit welchen Dämonen Bluebird sich so rumschlagen muss, und warum solche Erlebnisse so wichtig für ihn sind, und wieso er dafür den biblischen Gott braucht.
Wo das doch jedem täglich sogar ohne Glaubensbekenntnis passiert.
Das wirft natürlich die Frage auf, welche Kluft zwischen unseren Erlebissen und unserer Interpretation eigentlich überhaupt möglich wäre, also rein orientierungstechnisch, wäre dort ein Spielraum überhaupt denkbar, weil ohne diesen Spielraum, gibt es keinen Irrtum.

 tigujo (16.10.21)
Ich lese begeistert das da:

"Ich hatte begriffen, dass der Irrtum wirklich ein Teil der menschlichen Natur ist und jeder von uns da auf die ein oder andere Weise von betroffen ist. Und dies wahrscheinlich in einem weit größeren Ausmaß, als wir es ahnen. "

Wie wahr.

Und eines der großen Irrtümer dieser Erde - na ja, nicht der Erde, manch vieler Menschen drauf - ist gerade dieser (naive, meist noch dazu) Glaube an Gott, "Gott", das "höhere Wesen" und Ähnliches.

Gemeinhin gemein gesagt für Gläubige, sorry, aber muss sein:

Diese Suche und Sucht nach Gottesglauben mag in gewissen Lebenssituationen einen stabilisieren in der Orientierungslosikgkeit - doch verblödet man halt in weiterer Folge, gibt man sich an äußere Mächte, noch dazu eingebildete, freiwillig hin und her.
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