Das Schlittenwunder

Anekdote zum Thema Erfahrung

von  Bluebird

Ich war fünf Jahre alt und spielte draußen mit anderen Kindern aus unserer kleinen Siedlung im Schnee. Auf einmal stellte ich überrascht fest, dass mein Schlitten verschwunden war. Nach kurzer, erfolgloser Suche lief ich nach Hause und beichtete es meiner Großmutter. Zusammen mit dem Verdacht, dass das nur ein Kind aus der Nachbarschaftssiedlung gewesen sein könnte. Ich hatte zwar keines gesehen, aber ein Spielkameradendiebstahl war einfach undenkbar!

   Sie nahm mich schweigend bei der Hand und wir marschierten in die Nachbarschaftssiedlung hinein, für uns Kinder normalerweise ein verbotenes Land. Umgekehrt galt das genauso. Die Kinder von dort wagten sich allgemein nicht herüber in unsere Siedlung! 

   In einem der Siedlungshäuser stand die Haustüre offen. Ohne das Tempo zu verringern gingen wir hinein, die Kellertreppe runter und da stand er, mein Schlitten. Wir hatten die berühmte Nadel im Heuhaufen gefunden! 


Aber woher hatte meine Großmutter es gewusst? Diese Frage beschäftigte noch eine ganze Weile, ohne dass ich aber nachfragte. 

   Tatsächlich hatte das Ganze so auf mich, als ob meine Oma ferngesteuert gewesen wäre. Sie einfach mit mir losmarschiert wäre und jemand sie zielsicher zum Schlitten hingelenkt hätte. 

   Skeptiker werden natürlich sagen, dass es pures Glück gewesen sei. Aber mein Gefühl war damals ein ganz anderes. Es gab meiner schon bestehenden Gottesahnung weiter Nahrung. Da war ganz offensichtlich jemand, der es gut mit mir meinte.   

   


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (21.09.24, 12:21)
Der Schöpfer von und Herr über 100 Milliarden Galaxien à 100 Milliarden Sterne war um Deinen Schlitten besorgt.

Mal abgesehen davon, was damals sonst noch los war in diesem riesigen Universum und seine Aufmerksamkeit erfordert hätte, hat Gott, weil er sich um Deinen Schlitten kümmern wollte, für eine kurze Zeit den Vietnamkrieg aus dem Blick verloren. Und so ist das Massaker von My Lai passiert.

Kommentar geändert am 21.09.2024 um 12:29 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 21.09.24 um 12:28:
Ja, für mich sah es so aus:
He got the whole world in His hand
...
He's got the little bits of babies in His hand,
...
He got you and me, brother, in His hand,
He got you and me, sister, in His hand,


Antwort geändert am 21.09.2024 um 13:05 Uhr

 LotharAtzert antwortete darauf am 21.09.24 um 13:56:
Also wenn ich mich dazu auch mal wieder melden darf, ist ja ne alte Konstellation:
Graeculus - Gott gab den Menschen auch die Möglichkeit, sich zu versündigen, denn ohne die gäbe es ja kein Freiwerden davon, keine Reue, Buße usw. All das ist nötig, um zu wachsen. Und wenn die Menschen das nicht verstehen, kann man das nicht unbedingt Gott anlasten.

Hier käme jetzt das Karma ins Spiel, aber der Mohr hat seine Schuldigkeit getan ...

 Graeculus schrieb daraufhin am 21.09.24 um 14:53:
Ich laste Gott gar nichts an: "This old bastard, he doesn't exist." (Samuel Beckett)
Stattdessen staune ich nur über eine selektive Wahrnehmung, welche das Gute, was einem widerfährt, auf Gott zurückführt, ohne eine andere Erklärung (die Oma kannte ihre Pappenheimer) auch nur ernsthaft in Erwägung zu ziehen, während, wenn rechts und links Frauen und Kinder massakriert werden, eine andere Erklärung rasch zur Hand ist.
Und das alles bei einem Gott, der als Schöpfer und Herr des gesamten Universums imaginiert wird, welcher doch, gäbe es ihn, wahrlich anderes zu tun hätte, als sich um den Schlitten eines kleinen Jungen zu kümmern.

 Graeculus äußerte darauf am 21.09.24 um 15:01:
Ich möchte diese Sichtweise, derzufolge sich Gott ganz besonders für uns Menschen interessiert (in einem längst nicht mehr geozentrischen Universum, sondern einem ohne irgendein Zentrum) anthropozentrisch nennen, vollends diejenige, die ihm vor allem um mich besorgt glaubt, egozentrisch.

 Bluebird ergänzte dazu am 21.09.24 um 21:55:
Wohl dem, der über wundersame Begebenheiten noch staunen kann. Der mitunter seinem Gefühl, seiner Intuition vertraut und seinem kritischen Verstand wie Troubadix, dem gallischen Barden, für begrenzte Zeit gefesselt und geknebelt mal eine Auszeit gönnt.


Antwort geändert am 22.09.2024 um 18:37 Uhr
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