Im Zeichen der Rose

Anekdote zum Thema Vergebung/ Versöhnung

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Einmal besuchte ich an einem Sonntagabend einen Gottesdienst der Bremer Kreuzkirche (Baptistengemeinde hinter dem  Hauptbahnhof). Ein bekannter Missionar aus dem Hamburger Rotlichtmilieu, nennen wir ihn Josef, predigte und erzählte mittendrin folgende seltsame Geschichte.
    Ein enger Freund von ihm war gestorben und er fühlte sich moralisch verpflichtet, es dessen geschiedener Frau mitzuteilen. Keine einfache Sache für ihn, denn  er wusste, dass die Frau, die Scheidung nicht gewollt hatte, ihrem Exmann noch grollte.  Aber mit dieser Antwort fiel dann doch schlimmer als erwartet aus: „Ich bin froh, dass dieses Schwein verreckt ist!“
   
Es kam der Tag der Beerdigung und zu seiner Überraschung war die geschiedene Frau auch erschienen. Josef ging also mit der Trauergemeinde hinter dem Sarg her und verspürte eine schwere Last. Schließlich betete er leise und flehentlich: „Herr Jesus, gib mir ein Wort, dass ich das Herz dieser Frau erreichen kann!“
    Er hatte es kaum ausgesprochen, als eine rote Rose vom Blumengesteck herunter direkt vor seine Füße fiel. „Ich hob sie auf und augenblicklich  wusste ich, was ich zu tun hatte!“
    Als der Trauerzug am Grab angekommen war und alle sich in einem Kreis um den Sarg aufgestellt hatten, ging er rüber zu der geschiedenen Frau und reichte ihr die Rose mit den Worten: „Ich weiß, dass dein Mann dir viel Leid zugefügt hat. Aber er kann dich nicht mehr um Vergebung bitten. So  tue ich dies hiermit stellvertretend für ihn.“
   Die war der Moment, wo all der jahrelang aufgestaute Hass der Frau in sich zusammenbrach und sie laut zu weinen begann.

Als ich wenig später die Gemeinde verließ, ging mir diese Geschichte noch nach. Ich empfand sie als erschütternd und berührend zugleich. Um ein wenig abzuschalten, begab ich mich in die nahegelegene Bahnhofskneipe und trank dort einen Kaffee.
   Während ich nun so da saß, fiel mir auf einmal eine auf dem Boden liegende rote Rose auf. Wie ist die denn dahin gekommen?, fragte ich mich unwillkürlich und sogleich fiel mir wieder die Rosengeschichte aus dem Gottesdienst ein.
  Ist dies vielleicht ein Zeichen für mich? überlegte ich kurz. Dann stand ich auf, hob die Rose auf und hielt sie einem in unmittelbarer Nähe am Tresen stehendem Mann mittleren Alters hin: „Gehört Ihnen diese Rose?“
   
Nein, die Rose war nicht von ihm. Aber wir kamen nun ins Gespräch und recht bald  erzählte ich ihm die Rosengeschichte aus dem Gottesdienst. Sie schien ihn recht nachdenklich zu stimmen, und dann rückte er damit raus, dass er beabsichtige sich scheiden zu lassen.
  Wir unterhielten unsere mehrere Stunden über den Glauben und auch über seine kaputte Ehe. Dann kurz vor Mitternacht musste er los zu seinem Zug nach Hannover.
  Zum Abschied reichte er mir die Hand und sagte: „Ich werde über die Sache mit dem Glauben und auch über meine Ehe nachdenken. Ich weiß nicht genau, was geschehen wird. Aber das Gespräch hat definitiv etwas in mir bewirkt!“
   
Als ich später durch die dunkle Nacht in Richtung Ostertor ging, dachte ich: Erstaunlich, was so eine kleine rote Rose doch manchmal bewirken kann!


Anmerkung von Bluebird:

Eine Geschichte aus den 90er Jahren

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (05.05.21)
- Gürtelrose?

 DanceWith1Life meinte dazu am 05.05.21:
Also bitte, wenn uns die Missionare so herzergreifend um Vergebung bitten, für all das Leid, das sie anderen zugefügt haben. Da sagt man doch nicht sowas, Ätznatron, wo bleibt dein Feingefühl.

 LotharAtzert antwortete darauf am 06.05.21:
Mein Feingefühl, gut, daß du es erwähnst, ist so fein, daß ich es unter dem Mantel von Grobheit verbergen muß, damit ihm keine Gewalt angetan wird..
Solange ein Mensch nicht eins geworden ist mit der Schöpfung, ist Offenheit hilfreich. Das Gegenteil ist die Überzeugung: Sie verschließt und Verschlossenes ist gefangen. Anstatt von offenlassenden Menschen (Gorch Fock - das Beispiel lieferte Bluebird sogar selbst vorgestern) "glaubt" er an die vier Buchstaben und ist "überzeugt" vom eigenen Geglaubten. Das ist typisch für Menschen, die nicht erwachsen werden wollen, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen, die glauben an den Papa und wollen Kind bleiben. Ich halte das für kindisch.
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